Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Tod! Welchen sollte sie nun wählen? -- Sie
rang, bis gegen Morgen, mit sich selbst; hatte
nicht beschlossen, was sie wählen wollte? Und
schlummerte endlich, von Thränen, und von
Seufzern abgemattet, ein.

Der junge Siegwart unterhielt sich unter-
dessen mit Kronhelm. Er war zu gewissenhaft,
und ängstlich in der Freundschaft, und hätt' es
sich als einen Verrath angerechnet, wenn er das,
was vorgefallen war, seinem Freund nur eine
Stunde hätte vorenthalten sollen. Er erzählte ihm
also offenherzig die ganze Geschichte. Kronhelm,
sagte er, mein Vater glaubt, du liebest meine
Schwester, und sie liebe dich, und da ist er sehr
besorgt und ängstlich drüber.

Kronhelm. Wer? Dein Vater? Hat er
was dagegen? -- Ja, ich liebe deine Schwester,
Siegwart! Lieb sie herzlich! Hat er was dage-
gen? Sag!

Siegwart. An sich hat er nichts dagegen:
Aber du bist ein Edelmann. . Du weist schon --

Kronhelm. Nun ja! Thut das was?
Meyn ichs drum nicht ehrlich?

Siegwart. Sey nicht wunderlich! Warum
sollt er das von dir glauben? Aber er meynt, es



Tod! Welchen ſollte ſie nun waͤhlen? — Sie
rang, bis gegen Morgen, mit ſich ſelbſt; hatte
nicht beſchloſſen, was ſie waͤhlen wollte? Und
ſchlummerte endlich, von Thraͤnen, und von
Seufzern abgemattet, ein.

Der junge Siegwart unterhielt ſich unter-
deſſen mit Kronhelm. Er war zu gewiſſenhaft,
und aͤngſtlich in der Freundſchaft, und haͤtt’ es
ſich als einen Verrath angerechnet, wenn er das,
was vorgefallen war, ſeinem Freund nur eine
Stunde haͤtte vorenthalten ſollen. Er erzaͤhlte ihm
alſo offenherzig die ganze Geſchichte. Kronhelm,
ſagte er, mein Vater glaubt, du liebeſt meine
Schweſter, und ſie liebe dich, und da iſt er ſehr
beſorgt und aͤngſtlich druͤber.

Kronhelm. Wer? Dein Vater? Hat er
was dagegen? — Ja, ich liebe deine Schweſter,
Siegwart! Lieb ſie herzlich! Hat er was dage-
gen? Sag!

Siegwart. An ſich hat er nichts dagegen:
Aber du biſt ein Edelmann. . Du weiſt ſchon —

Kronhelm. Nun ja! Thut das was?
Meyn ichs drum nicht ehrlich?

Siegwart. Sey nicht wunderlich! Warum
ſollt er das von dir glauben? Aber er meynt, es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0401" n="397"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Tod! Welchen &#x017F;ollte &#x017F;ie nun wa&#x0364;hlen? &#x2014; Sie<lb/>
rang, bis gegen Morgen, mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t; hatte<lb/>
nicht be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ie wa&#x0364;hlen wollte? Und<lb/>
&#x017F;chlummerte endlich, von Thra&#x0364;nen, und von<lb/>
Seufzern abgemattet, ein.</p><lb/>
        <p>Der junge <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> unterhielt &#x017F;ich unter-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en mit <hi rendition="#fr">Kronhelm.</hi> Er war zu gewi&#x017F;&#x017F;enhaft,<lb/>
und a&#x0364;ng&#x017F;tlich in der Freund&#x017F;chaft, und ha&#x0364;tt&#x2019; es<lb/>
&#x017F;ich als einen Verrath angerechnet, wenn er das,<lb/>
was vorgefallen war, &#x017F;einem Freund nur eine<lb/>
Stunde ha&#x0364;tte vorenthalten &#x017F;ollen. Er erza&#x0364;hlte ihm<lb/>
al&#x017F;o offenherzig die ganze Ge&#x017F;chichte. <hi rendition="#fr">Kronhelm,</hi><lb/>
&#x017F;agte er, mein Vater glaubt, du liebe&#x017F;t meine<lb/>
Schwe&#x017F;ter, und &#x017F;ie liebe dich, und da i&#x017F;t er &#x017F;ehr<lb/>
be&#x017F;orgt und a&#x0364;ng&#x017F;tlich dru&#x0364;ber.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Kronhelm.</hi> Wer? Dein Vater? Hat er<lb/>
was dagegen? &#x2014; Ja, ich liebe deine Schwe&#x017F;ter,<lb/><hi rendition="#fr">Siegwart!</hi> Lieb &#x017F;ie herzlich! Hat er was dage-<lb/>
gen? Sag!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Siegwart.</hi> An &#x017F;ich hat er nichts dagegen:<lb/>
Aber du bi&#x017F;t ein Edelmann. . Du wei&#x017F;t &#x017F;chon &#x2014;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Kronhelm.</hi> Nun ja! Thut das was?<lb/>
Meyn ichs drum nicht ehrlich?</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Siegwart.</hi> Sey nicht wunderlich! Warum<lb/>
&#x017F;ollt er das von dir glauben? Aber er meynt, es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[397/0401] Tod! Welchen ſollte ſie nun waͤhlen? — Sie rang, bis gegen Morgen, mit ſich ſelbſt; hatte nicht beſchloſſen, was ſie waͤhlen wollte? Und ſchlummerte endlich, von Thraͤnen, und von Seufzern abgemattet, ein. Der junge Siegwart unterhielt ſich unter- deſſen mit Kronhelm. Er war zu gewiſſenhaft, und aͤngſtlich in der Freundſchaft, und haͤtt’ es ſich als einen Verrath angerechnet, wenn er das, was vorgefallen war, ſeinem Freund nur eine Stunde haͤtte vorenthalten ſollen. Er erzaͤhlte ihm alſo offenherzig die ganze Geſchichte. Kronhelm, ſagte er, mein Vater glaubt, du liebeſt meine Schweſter, und ſie liebe dich, und da iſt er ſehr beſorgt und aͤngſtlich druͤber. Kronhelm. Wer? Dein Vater? Hat er was dagegen? — Ja, ich liebe deine Schweſter, Siegwart! Lieb ſie herzlich! Hat er was dage- gen? Sag! Siegwart. An ſich hat er nichts dagegen: Aber du biſt ein Edelmann. . Du weiſt ſchon — Kronhelm. Nun ja! Thut das was? Meyn ichs drum nicht ehrlich? Siegwart. Sey nicht wunderlich! Warum ſollt er das von dir glauben? Aber er meynt, es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/401
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/401>, abgerufen am 24.11.2024.