Er ist mir ein lieber junger Mensch; und wenn er deines Standes wäre, so wollt ich heut noch eure Hände ineinander legen, und euch segnen! Aber, denk einmal! Er ist ein Edelmann, von einer guten, alten Familie. Du weist, wie die Edelleute sind. Wenn auch Er gleich anders denkt, das hilft wenig! Sein Vater, oder seine Anver- wandten können wunderlich seyn. Sie würdens nie zugeben, wenn er dich auch noch so sehr lieb- te. Und wie leicht kann man ihn durch Zureden wieder auf andre Gedanken bringen! Der Mensch ist veränderlich --
Xaver. Nein, Papa! Das ist Kronhelm gewiß nicht! Da kann ich für ihn stehen! Was er einmal beschlossen hat --
Siegwart. Das ist schon gut! Aber du kennst die Menschen noch nicht genug. Und, wie gesagt, auf ihn kömmts ja nicht an; er ist nicht sein eigner Herr; und würde sich dadurch selbst ins tiefste Elend stürzen.
Therese. Nein, das will ich nicht! Bey Gott, nicht! Keinen Menschen! Jhn am wenig- sten! Lieber selbst ins Elend! Lieber tausendmal ins Elend!
Er iſt mir ein lieber junger Menſch; und wenn er deines Standes waͤre, ſo wollt ich heut noch eure Haͤnde ineinander legen, und euch ſegnen! Aber, denk einmal! Er iſt ein Edelmann, von einer guten, alten Familie. Du weiſt, wie die Edelleute ſind. Wenn auch Er gleich anders denkt, das hilft wenig! Sein Vater, oder ſeine Anver- wandten koͤnnen wunderlich ſeyn. Sie wuͤrdens nie zugeben, wenn er dich auch noch ſo ſehr lieb- te. Und wie leicht kann man ihn durch Zureden wieder auf andre Gedanken bringen! Der Menſch iſt veraͤnderlich —
Xaver. Nein, Papa! Das iſt Kronhelm gewiß nicht! Da kann ich fuͤr ihn ſtehen! Was er einmal beſchloſſen hat —
Siegwart. Das iſt ſchon gut! Aber du kennſt die Menſchen noch nicht genug. Und, wie geſagt, auf ihn koͤmmts ja nicht an; er iſt nicht ſein eigner Herr; und wuͤrde ſich dadurch ſelbſt ins tiefſte Elend ſtuͤrzen.
Thereſe. Nein, das will ich nicht! Bey Gott, nicht! Keinen Menſchen! Jhn am wenig- ſten! Lieber ſelbſt ins Elend! Lieber tauſendmal ins Elend!
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Er iſt mir ein lieber junger Menſch; und wenn
er deines Standes waͤre, ſo wollt ich heut noch
eure Haͤnde ineinander legen, und euch ſegnen!
Aber, denk einmal! Er iſt ein Edelmann, von
einer guten, alten Familie. Du weiſt, wie die
Edelleute ſind. Wenn auch Er gleich anders denkt,
das hilft wenig! Sein Vater, oder ſeine Anver-
wandten koͤnnen wunderlich ſeyn. Sie wuͤrdens
nie zugeben, wenn er dich auch noch ſo ſehr lieb-
te. Und wie leicht kann man ihn durch Zureden
wieder auf andre Gedanken bringen! Der Menſch
iſt veraͤnderlich —
Xaver. Nein, Papa! Das iſt Kronhelm
gewiß nicht! Da kann ich fuͤr ihn ſtehen! Was
er einmal beſchloſſen hat —
Siegwart. Das iſt ſchon gut! Aber du
kennſt die Menſchen noch nicht genug. Und, wie
geſagt, auf ihn koͤmmts ja nicht an; er iſt nicht
ſein eigner Herr; und wuͤrde ſich dadurch ſelbſt
ins tiefſte Elend ſtuͤrzen.
Thereſe. Nein, das will ich nicht! Bey
Gott, nicht! Keinen Menſchen! Jhn am wenig-
ſten! Lieber ſelbſt ins Elend! Lieber tauſendmal
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/396>, abgerufen am 16.02.2025.
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