Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Arm führen. Sie zierte sich erst lange, weil sie
glaubte, es sey wider die Lebensart, einen Edel-
mann zu bemühen. Siegwart führte ihre bey-
den Töchter, und der Amtmann Theresen. Bey
der Gartenthüre sperrte sie sich lang, voranzuge-
hen, und doch konnte sie wegen ihres Reifrocks,
nicht zugleich mit Kronhelm hineingehn. Sie
sah ängstlich nach den Taxusbäumen, die noch
nicht gänzlich beschnitten waren. Hinter ein paar
standen Kerls, und hielten sich versteckt; und so-
bald die Gesellschaft den Gang hinunter war, so
fiengen sie wieder an, mit der Scheere zu be-
schneiden, bis sie fertig waren. Drauf kamen
zween Baurenkerls in Livree; brachten Sessel;
setzten sie, auf Befehl der Amtmänninn in der
Terasse nieder, und brachten dann auch einen
Tisch und Wein. Kronhelm konnte sich des La-
chens kaum enthalten; er muste sie immer füh-
ren, und doch war es ihm kaum möglich, sie, mit
ihrem weiten Reifrock, durch die engen Heckengänge
durchzubringen. Sie erzälte ihm sehr viel von
Augspurg, von ihrer Jugend, und von ihren
Eroberungen. Zuweilen sah sie sich sehr ängst-
lich nach ihrem Mann um, der Theresen führte.
Anfangs wuste Kronhelm nicht, was dieß zu be-



Arm fuͤhren. Sie zierte ſich erſt lange, weil ſie
glaubte, es ſey wider die Lebensart, einen Edel-
mann zu bemuͤhen. Siegwart fuͤhrte ihre bey-
den Toͤchter, und der Amtmann Thereſen. Bey
der Gartenthuͤre ſperrte ſie ſich lang, voranzuge-
hen, und doch konnte ſie wegen ihres Reifrocks,
nicht zugleich mit Kronhelm hineingehn. Sie
ſah aͤngſtlich nach den Taxusbaͤumen, die noch
nicht gaͤnzlich beſchnitten waren. Hinter ein paar
ſtanden Kerls, und hielten ſich verſteckt; und ſo-
bald die Geſellſchaft den Gang hinunter war, ſo
fiengen ſie wieder an, mit der Scheere zu be-
ſchneiden, bis ſie fertig waren. Drauf kamen
zween Baurenkerls in Livree; brachten Seſſel;
ſetzten ſie, auf Befehl der Amtmaͤnninn in der
Teraſſe nieder, und brachten dann auch einen
Tiſch und Wein. Kronhelm konnte ſich des La-
chens kaum enthalten; er muſte ſie immer fuͤh-
ren, und doch war es ihm kaum moͤglich, ſie, mit
ihrem weiten Reifrock, durch die engen Heckengaͤnge
durchzubringen. Sie erzaͤlte ihm ſehr viel von
Augſpurg, von ihrer Jugend, und von ihren
Eroberungen. Zuweilen ſah ſie ſich ſehr aͤngſt-
lich nach ihrem Mann um, der Thereſen fuͤhrte.
Anfangs wuſte Kronhelm nicht, was dieß zu be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0388" n="384"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Arm fu&#x0364;hren. Sie zierte &#x017F;ich er&#x017F;t lange, weil &#x017F;ie<lb/>
glaubte, es &#x017F;ey wider die Lebensart, einen Edel-<lb/>
mann zu bemu&#x0364;hen. <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> fu&#x0364;hrte ihre bey-<lb/>
den To&#x0364;chter, und der Amtmann <hi rendition="#fr">There&#x017F;en.</hi> Bey<lb/>
der Gartenthu&#x0364;re &#x017F;perrte &#x017F;ie &#x017F;ich lang, voranzuge-<lb/>
hen, und doch konnte &#x017F;ie wegen ihres Reifrocks,<lb/>
nicht zugleich mit <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> hineingehn. Sie<lb/>
&#x017F;ah a&#x0364;ng&#x017F;tlich nach den Taxusba&#x0364;umen, die noch<lb/>
nicht ga&#x0364;nzlich be&#x017F;chnitten waren. Hinter ein paar<lb/>
&#x017F;tanden Kerls, und hielten &#x017F;ich ver&#x017F;teckt; und &#x017F;o-<lb/>
bald die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft den Gang hinunter war, &#x017F;o<lb/>
fiengen &#x017F;ie wieder an, mit der Scheere zu be-<lb/>
&#x017F;chneiden, bis &#x017F;ie fertig waren. Drauf kamen<lb/>
zween Baurenkerls in Livree; brachten Se&#x017F;&#x017F;el;<lb/>
&#x017F;etzten &#x017F;ie, auf Befehl der Amtma&#x0364;nninn in der<lb/>
Tera&#x017F;&#x017F;e nieder, und brachten dann auch einen<lb/>
Ti&#x017F;ch und Wein. <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> konnte &#x017F;ich des La-<lb/>
chens kaum enthalten; er mu&#x017F;te &#x017F;ie immer fu&#x0364;h-<lb/>
ren, und doch war es ihm kaum mo&#x0364;glich, &#x017F;ie, mit<lb/>
ihrem weiten Reifrock, durch die engen Heckenga&#x0364;nge<lb/>
durchzubringen. Sie erza&#x0364;lte ihm &#x017F;ehr viel von<lb/><hi rendition="#fr">Aug&#x017F;purg,</hi> von ihrer Jugend, und von ihren<lb/>
Eroberungen. Zuweilen &#x017F;ah &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;ehr a&#x0364;ng&#x017F;t-<lb/>
lich nach ihrem Mann um, der <hi rendition="#fr">There&#x017F;en</hi> fu&#x0364;hrte.<lb/>
Anfangs wu&#x017F;te <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> nicht, was dieß zu be-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0388] Arm fuͤhren. Sie zierte ſich erſt lange, weil ſie glaubte, es ſey wider die Lebensart, einen Edel- mann zu bemuͤhen. Siegwart fuͤhrte ihre bey- den Toͤchter, und der Amtmann Thereſen. Bey der Gartenthuͤre ſperrte ſie ſich lang, voranzuge- hen, und doch konnte ſie wegen ihres Reifrocks, nicht zugleich mit Kronhelm hineingehn. Sie ſah aͤngſtlich nach den Taxusbaͤumen, die noch nicht gaͤnzlich beſchnitten waren. Hinter ein paar ſtanden Kerls, und hielten ſich verſteckt; und ſo- bald die Geſellſchaft den Gang hinunter war, ſo fiengen ſie wieder an, mit der Scheere zu be- ſchneiden, bis ſie fertig waren. Drauf kamen zween Baurenkerls in Livree; brachten Seſſel; ſetzten ſie, auf Befehl der Amtmaͤnninn in der Teraſſe nieder, und brachten dann auch einen Tiſch und Wein. Kronhelm konnte ſich des La- chens kaum enthalten; er muſte ſie immer fuͤh- ren, und doch war es ihm kaum moͤglich, ſie, mit ihrem weiten Reifrock, durch die engen Heckengaͤnge durchzubringen. Sie erzaͤlte ihm ſehr viel von Augſpurg, von ihrer Jugend, und von ihren Eroberungen. Zuweilen ſah ſie ſich ſehr aͤngſt- lich nach ihrem Mann um, der Thereſen fuͤhrte. Anfangs wuſte Kronhelm nicht, was dieß zu be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/388
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/388>, abgerufen am 25.08.2024.