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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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nis mit ansehen. Sie giengen ans Trauerhaus.
Der Sarg ward herausgetragen. Der Vater
und die Mutter des Verstorbenen, sahen oben
mit starrem auf den Sarg gehefteten, troknen
Blick aus dem Fenster. Das ist was fürchterli-
ches, sagte Siegwart, wenn man so all seinen
Trost, all seine Hofnung, sein Alles, in einem en-
gen Sarge wegtragen sehen muß! Wenn die
Freude des Hauses weggetragen wird, um ewig
nicht mehr zurückzukehren! Als man mit dem
Sarg um die Ecke hinumgieng, erhub die Mut-
ter ein lautes Geschrey; schlug die Hände überm
Kopf zusammen. Der Vater stand stumm, und
unbeweglich da. Auf dem Kirchhofe, als der
Sarg eben ins Grab hinabgelassen wurde, sprang
ein Baurenmädchen, schwarz gekleidet, und mit
bleichen Wangen herzu; drang sich durch die
Leute bis ans Grab, und rief: Wilhelm! Um
Gottes willen, Wilhelm! bist du ewig für mich
hin? Soll ich dich verlassen, Herzensbräutigam?
Hörst du deine Anne nicht mehr? Wilhelm?
Hörst sie nicht mehr? Ach du guter Gott! Warst
so ein frommer, rechtschaffener Kerl! Mein Ein-
ziges! Mein Alles! Wilhelm! Nur noch Einmal
möcht ich dich sehen! Nur noch einmal sprechen



nis mit anſehen. Sie giengen ans Trauerhaus.
Der Sarg ward herausgetragen. Der Vater
und die Mutter des Verſtorbenen, ſahen oben
mit ſtarrem auf den Sarg gehefteten, troknen
Blick aus dem Fenſter. Das iſt was fuͤrchterli-
ches, ſagte Siegwart, wenn man ſo all ſeinen
Troſt, all ſeine Hofnung, ſein Alles, in einem en-
gen Sarge wegtragen ſehen muß! Wenn die
Freude des Hauſes weggetragen wird, um ewig
nicht mehr zuruͤckzukehren! Als man mit dem
Sarg um die Ecke hinumgieng, erhub die Mut-
ter ein lautes Geſchrey; ſchlug die Haͤnde uͤberm
Kopf zuſammen. Der Vater ſtand ſtumm, und
unbeweglich da. Auf dem Kirchhofe, als der
Sarg eben ins Grab hinabgelaſſen wurde, ſprang
ein Baurenmaͤdchen, ſchwarz gekleidet, und mit
bleichen Wangen herzu; drang ſich durch die
Leute bis ans Grab, und rief: Wilhelm! Um
Gottes willen, Wilhelm! biſt du ewig fuͤr mich
hin? Soll ich dich verlaſſen, Herzensbraͤutigam?
Hoͤrſt du deine Anne nicht mehr? Wilhelm?
Hoͤrſt ſie nicht mehr? Ach du guter Gott! Warſt
ſo ein frommer, rechtſchaffener Kerl! Mein Ein-
ziges! Mein Alles! Wilhelm! Nur noch Einmal
moͤcht ich dich ſehen! Nur noch einmal ſprechen

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[345/0349] nis mit anſehen. Sie giengen ans Trauerhaus. Der Sarg ward herausgetragen. Der Vater und die Mutter des Verſtorbenen, ſahen oben mit ſtarrem auf den Sarg gehefteten, troknen Blick aus dem Fenſter. Das iſt was fuͤrchterli- ches, ſagte Siegwart, wenn man ſo all ſeinen Troſt, all ſeine Hofnung, ſein Alles, in einem en- gen Sarge wegtragen ſehen muß! Wenn die Freude des Hauſes weggetragen wird, um ewig nicht mehr zuruͤckzukehren! Als man mit dem Sarg um die Ecke hinumgieng, erhub die Mut- ter ein lautes Geſchrey; ſchlug die Haͤnde uͤberm Kopf zuſammen. Der Vater ſtand ſtumm, und unbeweglich da. Auf dem Kirchhofe, als der Sarg eben ins Grab hinabgelaſſen wurde, ſprang ein Baurenmaͤdchen, ſchwarz gekleidet, und mit bleichen Wangen herzu; drang ſich durch die Leute bis ans Grab, und rief: Wilhelm! Um Gottes willen, Wilhelm! biſt du ewig fuͤr mich hin? Soll ich dich verlaſſen, Herzensbraͤutigam? Hoͤrſt du deine Anne nicht mehr? Wilhelm? Hoͤrſt ſie nicht mehr? Ach du guter Gott! Warſt ſo ein frommer, rechtſchaffener Kerl! Mein Ein- ziges! Mein Alles! Wilhelm! Nur noch Einmal moͤcht ich dich ſehen! Nur noch einmal ſprechen

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/349>, abgerufen am 25.11.2024.