Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



den Exemplaren einen Brief an unsern Siegwart,
worinn er ihm sehr freundlich anbot, ihm auch
künstig Bücher zuzuschicken, wenn er welche nö-
thig habe; und zugleich erbot er sich, ihm immer
Nachrichten von neuen Büchern, besonders aus
dem Fach der schönen Wissenschaften mitzutheilen.
Siegwart, der ohnedieß sehr wißbegierig war,
nahm diesen Vorschlag mit tausend Freuden an,
und schrieb dem Buchhändler sogleich wieder:
Er möchte ihm die besten Bücher, auch die äl-
tern, in der Dichtkunst, und denen dahin ein-
schlagenden Wissenschaften melden. Der Buch-
händler that es mit viel Gefälligkeit, Geschmack
und Einsicht, so daß Siegwart und seine beyden
Freunde, auch von dieser Seite, gut gebildet wur-
den. Sie schafften sich die besten Bücher an,
und konnten die, so ihnen nicht gefielen, wieder
nach Augspurg zurück schicken. -- Siegwart
blieb gleich denselben Abend, da er den Messias
bekommen hatte, mit seinem Kronhelm bis nach
Mitternacht aufsitzen, und las ununterbrochen fort.
Anfangs war ihm der Kopf, durch das Anstren-
gen, ganz wüste geworden, denn er konnte sich
in die Sprache, und die neuen Wendungen nicht
sogleich finden; aber kaum war er über diese



den Exemplaren einen Brief an unſern Siegwart,
worinn er ihm ſehr freundlich anbot, ihm auch
kuͤnſtig Buͤcher zuzuſchicken, wenn er welche noͤ-
thig habe; und zugleich erbot er ſich, ihm immer
Nachrichten von neuen Buͤchern, beſonders aus
dem Fach der ſchoͤnen Wiſſenſchaften mitzutheilen.
Siegwart, der ohnedieß ſehr wißbegierig war,
nahm dieſen Vorſchlag mit tauſend Freuden an,
und ſchrieb dem Buchhaͤndler ſogleich wieder:
Er moͤchte ihm die beſten Buͤcher, auch die aͤl-
tern, in der Dichtkunſt, und denen dahin ein-
ſchlagenden Wiſſenſchaften melden. Der Buch-
haͤndler that es mit viel Gefaͤlligkeit, Geſchmack
und Einſicht, ſo daß Siegwart und ſeine beyden
Freunde, auch von dieſer Seite, gut gebildet wur-
den. Sie ſchafften ſich die beſten Buͤcher an,
und konnten die, ſo ihnen nicht gefielen, wieder
nach Augſpurg zuruͤck ſchicken. — Siegwart
blieb gleich denſelben Abend, da er den Meſſias
bekommen hatte, mit ſeinem Kronhelm bis nach
Mitternacht aufſitzen, und las ununterbrochen fort.
Anfangs war ihm der Kopf, durch das Anſtren-
gen, ganz wuͤſte geworden, denn er konnte ſich
in die Sprache, und die neuen Wendungen nicht
ſogleich finden; aber kaum war er uͤber dieſe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0330" n="326"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
den Exemplaren einen Brief an un&#x017F;ern <hi rendition="#fr">Siegwart,</hi><lb/>
worinn er ihm &#x017F;ehr freundlich anbot, ihm auch<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tig Bu&#x0364;cher zuzu&#x017F;chicken, wenn er welche no&#x0364;-<lb/>
thig habe; und zugleich erbot er &#x017F;ich, ihm immer<lb/>
Nachrichten von neuen Bu&#x0364;chern, be&#x017F;onders aus<lb/>
dem Fach der &#x017F;cho&#x0364;nen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften mitzutheilen.<lb/><hi rendition="#fr">Siegwart,</hi> der ohnedieß &#x017F;ehr wißbegierig war,<lb/>
nahm die&#x017F;en Vor&#x017F;chlag mit tau&#x017F;end Freuden an,<lb/>
und &#x017F;chrieb dem Buchha&#x0364;ndler &#x017F;ogleich wieder:<lb/>
Er mo&#x0364;chte ihm die be&#x017F;ten Bu&#x0364;cher, auch die a&#x0364;l-<lb/>
tern, in der Dichtkun&#x017F;t, und denen dahin ein-<lb/>
&#x017F;chlagenden Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften melden. Der Buch-<lb/>
ha&#x0364;ndler that es mit viel Gefa&#x0364;lligkeit, Ge&#x017F;chmack<lb/>
und Ein&#x017F;icht, &#x017F;o daß <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> und &#x017F;eine beyden<lb/>
Freunde, auch von die&#x017F;er Seite, gut gebildet wur-<lb/>
den. Sie &#x017F;chafften &#x017F;ich die be&#x017F;ten Bu&#x0364;cher an,<lb/>
und konnten die, &#x017F;o ihnen nicht gefielen, wieder<lb/>
nach <hi rendition="#fr">Aug&#x017F;purg</hi> zuru&#x0364;ck &#x017F;chicken. &#x2014; <hi rendition="#fr">Siegwart</hi><lb/>
blieb gleich den&#x017F;elben Abend, da er den <hi rendition="#fr">Me&#x017F;&#x017F;ias</hi><lb/>
bekommen hatte, mit &#x017F;einem <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> bis nach<lb/>
Mitternacht auf&#x017F;itzen, und las ununterbrochen fort.<lb/>
Anfangs war ihm der Kopf, durch das An&#x017F;tren-<lb/>
gen, ganz wu&#x0364;&#x017F;te geworden, denn er konnte &#x017F;ich<lb/>
in die Sprache, und die neuen Wendungen nicht<lb/>
&#x017F;ogleich finden; aber kaum war er u&#x0364;ber die&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0330] den Exemplaren einen Brief an unſern Siegwart, worinn er ihm ſehr freundlich anbot, ihm auch kuͤnſtig Buͤcher zuzuſchicken, wenn er welche noͤ- thig habe; und zugleich erbot er ſich, ihm immer Nachrichten von neuen Buͤchern, beſonders aus dem Fach der ſchoͤnen Wiſſenſchaften mitzutheilen. Siegwart, der ohnedieß ſehr wißbegierig war, nahm dieſen Vorſchlag mit tauſend Freuden an, und ſchrieb dem Buchhaͤndler ſogleich wieder: Er moͤchte ihm die beſten Buͤcher, auch die aͤl- tern, in der Dichtkunſt, und denen dahin ein- ſchlagenden Wiſſenſchaften melden. Der Buch- haͤndler that es mit viel Gefaͤlligkeit, Geſchmack und Einſicht, ſo daß Siegwart und ſeine beyden Freunde, auch von dieſer Seite, gut gebildet wur- den. Sie ſchafften ſich die beſten Buͤcher an, und konnten die, ſo ihnen nicht gefielen, wieder nach Augſpurg zuruͤck ſchicken. — Siegwart blieb gleich denſelben Abend, da er den Meſſias bekommen hatte, mit ſeinem Kronhelm bis nach Mitternacht aufſitzen, und las ununterbrochen fort. Anfangs war ihm der Kopf, durch das Anſtren- gen, ganz wuͤſte geworden, denn er konnte ſich in die Sprache, und die neuen Wendungen nicht ſogleich finden; aber kaum war er uͤber dieſe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/330
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/330>, abgerufen am 22.11.2024.