und erhebt; und ihnen unaufhörlich die Hände leckt. Die armen Geschöpfe wissen ja nicht, worauf es an- gesehen ist? und ob mans aufrichtig mit ihnen meynt? Sie werden entweder Koquetten, oder mißtrauisch und spröde. Jch könnt es nicht über's Herz bringen, einem Mädchen Schmeicheleyen zu sagen, oder den Schein zu haben, als ob mir an ihrer Gunst und Liebe was gelegen wäre, wenn ich nicht ihre Liebe suchte, und sie für mein gröstes Glück hielte. Da das nun zwischen mir und Re- ginen der Fall nicht ist, so must ich mich zurück ziehen, und kalt thun; zumal da meine Frage, ob Silberling Absichten auf sie habe? ziemlich vor- witzig und unüberlegt war.
Siegwart. Deine Grundsätze sind herrlich, Kronhelm, und ich wünschte nichts, als daß sie je- der Jüngling sich zu eigen machte. Aber, sag mir, warum du gegen das Fräulein keine Zuneigung fühlst, da sie doch so viele Vorzüge vor andern hat?
Kronhelm. Aus verschiedenen Gründen, Sieg- wart, und zum Theil auch aus einer dunkeln, unent- wickelten Empfindung. Jn meinem Herzen ist ein ge- wisses Leere, das durch Sie nicht ausgefüllt wird; Sie gefällt mir, aber weiter nicht. So lang ich bey ihr bin, find' ich zwar an ihrem Umgang Wohlgefallen;
und erhebt; und ihnen unaufhoͤrlich die Haͤnde leckt. Die armen Geſchoͤpfe wiſſen ja nicht, worauf es an- geſehen iſt? und ob mans aufrichtig mit ihnen meynt? Sie werden entweder Koquetten, oder mißtrauiſch und ſproͤde. Jch koͤnnt es nicht uͤber’s Herz bringen, einem Maͤdchen Schmeicheleyen zu ſagen, oder den Schein zu haben, als ob mir an ihrer Gunſt und Liebe was gelegen waͤre, wenn ich nicht ihre Liebe ſuchte, und ſie fuͤr mein groͤſtes Gluͤck hielte. Da das nun zwiſchen mir und Re- ginen der Fall nicht iſt, ſo muſt ich mich zuruͤck ziehen, und kalt thun; zumal da meine Frage, ob Silberling Abſichten auf ſie habe? ziemlich vor- witzig und unuͤberlegt war.
Siegwart. Deine Grundſaͤtze ſind herrlich, Kronhelm, und ich wuͤnſchte nichts, als daß ſie je- der Juͤngling ſich zu eigen machte. Aber, ſag mir, warum du gegen das Fraͤulein keine Zuneigung fuͤhlſt, da ſie doch ſo viele Vorzuͤge vor andern hat?
Kronhelm. Aus verſchiedenen Gruͤnden, Sieg- wart, und zum Theil auch aus einer dunkeln, unent- wickelten Empfindung. Jn meinem Herzen iſt ein ge- wiſſes Leere, das durch Sie nicht ausgefuͤllt wird; Sie gefaͤllt mir, aber weiter nicht. So lang ich bey ihr bin, find’ ich zwar an ihrem Umgang Wohlgefallen;
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und erhebt; und ihnen unaufhoͤrlich die Haͤnde leckt.
Die armen Geſchoͤpfe wiſſen ja nicht, worauf es an-
geſehen iſt? und ob mans aufrichtig mit ihnen
meynt? Sie werden entweder Koquetten, oder
mißtrauiſch und ſproͤde. Jch koͤnnt es nicht uͤber’s
Herz bringen, einem Maͤdchen Schmeicheleyen zu
ſagen, oder den Schein zu haben, als ob mir an
ihrer Gunſt und Liebe was gelegen waͤre, wenn ich
nicht ihre Liebe ſuchte, und ſie fuͤr mein groͤſtes
Gluͤck hielte. Da das nun zwiſchen mir und Re-
ginen der Fall nicht iſt, ſo muſt ich mich zuruͤck
ziehen, und kalt thun; zumal da meine Frage, ob
Silberling Abſichten auf ſie habe? ziemlich vor-
witzig und unuͤberlegt war.
Siegwart. Deine Grundſaͤtze ſind herrlich,
Kronhelm, und ich wuͤnſchte nichts, als daß ſie je-
der Juͤngling ſich zu eigen machte. Aber, ſag mir,
warum du gegen das Fraͤulein keine Zuneigung
fuͤhlſt, da ſie doch ſo viele Vorzuͤge vor andern hat?
Kronhelm. Aus verſchiedenen Gruͤnden, Sieg-
wart, und zum Theil auch aus einer dunkeln, unent-
wickelten Empfindung. Jn meinem Herzen iſt ein ge-
wiſſes Leere, das durch Sie nicht ausgefuͤllt wird; Sie
gefaͤllt mir, aber weiter nicht. So lang ich bey ihr
bin, find’ ich zwar an ihrem Umgang Wohlgefallen;
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/295>, abgerufen am 16.02.2025.
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