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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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andre Buch ist schon höher geschrieben, und heißt
Rabeners Satyren; es sollen mehr Bände seyn;
in dem, den ich habe, stehen lauter Briefe, die
recht lustig zu lesen sind; oft steckt viel dahin-
ter, und die meisten sind so recht natürlich. Das
dritte Buch soll weit schwerer zu verstehen seyn,
aber dafür soll auch desto mehr drinnen stehn;
der Herr Hauptmann rühmts gar ungemein, und
nennts ein Buch aller Bücher, das ihn besonders
im Krieg recht erbaut habe. Es heißt der Mes-
sias, und ist in ganz besondern Versen geschrie-
ben. Jch hab den Mann wieder vergessen, ders
geschrieben hat, und noch fortsetzt; er hat ei-
nen sonderbaren Namen. Weil das Buch
schwer ist, und so schön seyn soll, will ich
lieber bis gegen den Winter warten, da ich
mehr Zeit zum Lesen und zum Nachdenken habe,
denn ich lese gern was ernsthaftes, aber da muß
mich dann auch nichts zerstreuen. Der Herr
Hauptmann ist gar gut, und sagt, ich könne die
Bücher behalten, so lang ich wolle. Er ließt mir
oft etwas vor, und ließt recht angenehm, daß
mirs immer besser gefällt, als wenn ichs für mich
in der Stille lese. Salome kann ihn nicht gut
ausstehn; ich glaub, weil er mehr mit mir macht,



andre Buch iſt ſchon hoͤher geſchrieben, und heißt
Rabeners Satyren; es ſollen mehr Baͤnde ſeyn;
in dem, den ich habe, ſtehen lauter Briefe, die
recht luſtig zu leſen ſind; oft ſteckt viel dahin-
ter, und die meiſten ſind ſo recht natuͤrlich. Das
dritte Buch ſoll weit ſchwerer zu verſtehen ſeyn,
aber dafuͤr ſoll auch deſto mehr drinnen ſtehn;
der Herr Hauptmann ruͤhmts gar ungemein, und
nennts ein Buch aller Buͤcher, das ihn beſonders
im Krieg recht erbaut habe. Es heißt der Meſ-
ſias, und iſt in ganz beſondern Verſen geſchrie-
ben. Jch hab den Mann wieder vergeſſen, ders
geſchrieben hat, und noch fortſetzt; er hat ei-
nen ſonderbaren Namen. Weil das Buch
ſchwer iſt, und ſo ſchoͤn ſeyn ſoll, will ich
lieber bis gegen den Winter warten, da ich
mehr Zeit zum Leſen und zum Nachdenken habe,
denn ich leſe gern was ernſthaftes, aber da muß
mich dann auch nichts zerſtreuen. Der Herr
Hauptmann iſt gar gut, und ſagt, ich koͤnne die
Buͤcher behalten, ſo lang ich wolle. Er ließt mir
oft etwas vor, und ließt recht angenehm, daß
mirs immer beſſer gefaͤllt, als wenn ichs fuͤr mich
in der Stille leſe. Salome kann ihn nicht gut
ausſtehn; ich glaub, weil er mehr mit mir macht,

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[215/0219] andre Buch iſt ſchon hoͤher geſchrieben, und heißt Rabeners Satyren; es ſollen mehr Baͤnde ſeyn; in dem, den ich habe, ſtehen lauter Briefe, die recht luſtig zu leſen ſind; oft ſteckt viel dahin- ter, und die meiſten ſind ſo recht natuͤrlich. Das dritte Buch ſoll weit ſchwerer zu verſtehen ſeyn, aber dafuͤr ſoll auch deſto mehr drinnen ſtehn; der Herr Hauptmann ruͤhmts gar ungemein, und nennts ein Buch aller Buͤcher, das ihn beſonders im Krieg recht erbaut habe. Es heißt der Meſ- ſias, und iſt in ganz beſondern Verſen geſchrie- ben. Jch hab den Mann wieder vergeſſen, ders geſchrieben hat, und noch fortſetzt; er hat ei- nen ſonderbaren Namen. Weil das Buch ſchwer iſt, und ſo ſchoͤn ſeyn ſoll, will ich lieber bis gegen den Winter warten, da ich mehr Zeit zum Leſen und zum Nachdenken habe, denn ich leſe gern was ernſthaftes, aber da muß mich dann auch nichts zerſtreuen. Der Herr Hauptmann iſt gar gut, und ſagt, ich koͤnne die Buͤcher behalten, ſo lang ich wolle. Er ließt mir oft etwas vor, und ließt recht angenehm, daß mirs immer beſſer gefaͤllt, als wenn ichs fuͤr mich in der Stille leſe. Salome kann ihn nicht gut ausſtehn; ich glaub, weil er mehr mit mir macht,

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/219>, abgerufen am 02.05.2024.