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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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fein im Herzen! Leb wohl! Gott segne dich! Er
umarmte ihn, und gieng dann weg, um seine Thrä-
nen zu verbergen. Von Karln war der Abschied
ziemlich frostig und kurz. Als Xaver vor die Thü-
re trat, fiel ihm Therese um den Hals, und rief:
Tausendmal tausendmal leb wohl, mein lieber, lieber
Xaver! Unser Herr Gott erhalte dich gesund!
Dieß war alles, was sie sagen konnte. Er gieng
schweigend voran an den Kutschenschlag; sah noch
einmal zu seinem Vater, der im Fenster lag, und
ihm noch ein Lebwohl zurief. Theresen reichte er
noch die Hand aus der Kutsche, und nun fuhr er
weg.

Schon eine halbe Stunde war er auf dem
freyen Felde, von der schönsten Dämmerung be-
glänzt, gefahren, ohne was davon zu fühlen. End-
lich weckte ihn die Sonne, die ganz wolkenlos, und
golden aufgieng, aus der Betäubung. Er stund
auf, um noch einmal die Thurmspitze seines Dorfs
zu sehen, und da fiel ihm Linkerhand das Kapuzi-
nerkloster in die Augen, dessen blecherne Zinnen
die Sonnenstralen zurückwarfen. Auch den dun-
keln Tannenhain am Kloster sah er, und erinnerte
sich nun aller Auftritte wieder, die er da gehabt
hatte, besonders seines lieben P. Antons. Seine



fein im Herzen! Leb wohl! Gott ſegne dich! Er
umarmte ihn, und gieng dann weg, um ſeine Thraͤ-
nen zu verbergen. Von Karln war der Abſchied
ziemlich froſtig und kurz. Als Xaver vor die Thuͤ-
re trat, fiel ihm Thereſe um den Hals, und rief:
Tauſendmal tauſendmal leb wohl, mein lieber, lieber
Xaver! Unſer Herr Gott erhalte dich geſund!
Dieß war alles, was ſie ſagen konnte. Er gieng
ſchweigend voran an den Kutſchenſchlag; ſah noch
einmal zu ſeinem Vater, der im Fenſter lag, und
ihm noch ein Lebwohl zurief. Thereſen reichte er
noch die Hand aus der Kutſche, und nun fuhr er
weg.

Schon eine halbe Stunde war er auf dem
freyen Felde, von der ſchoͤnſten Daͤmmerung be-
glaͤnzt, gefahren, ohne was davon zu fuͤhlen. End-
lich weckte ihn die Sonne, die ganz wolkenlos, und
golden aufgieng, aus der Betaͤubung. Er ſtund
auf, um noch einmal die Thurmſpitze ſeines Dorfs
zu ſehen, und da fiel ihm Linkerhand das Kapuzi-
nerkloſter in die Augen, deſſen blecherne Zinnen
die Sonnenſtralen zuruͤckwarfen. Auch den dun-
keln Tannenhain am Kloſter ſah er, und erinnerte
ſich nun aller Auftritte wieder, die er da gehabt
hatte, beſonders ſeines lieben P. Antons. Seine

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[166/0170] fein im Herzen! Leb wohl! Gott ſegne dich! Er umarmte ihn, und gieng dann weg, um ſeine Thraͤ- nen zu verbergen. Von Karln war der Abſchied ziemlich froſtig und kurz. Als Xaver vor die Thuͤ- re trat, fiel ihm Thereſe um den Hals, und rief: Tauſendmal tauſendmal leb wohl, mein lieber, lieber Xaver! Unſer Herr Gott erhalte dich geſund! Dieß war alles, was ſie ſagen konnte. Er gieng ſchweigend voran an den Kutſchenſchlag; ſah noch einmal zu ſeinem Vater, der im Fenſter lag, und ihm noch ein Lebwohl zurief. Thereſen reichte er noch die Hand aus der Kutſche, und nun fuhr er weg. Schon eine halbe Stunde war er auf dem freyen Felde, von der ſchoͤnſten Daͤmmerung be- glaͤnzt, gefahren, ohne was davon zu fuͤhlen. End- lich weckte ihn die Sonne, die ganz wolkenlos, und golden aufgieng, aus der Betaͤubung. Er ſtund auf, um noch einmal die Thurmſpitze ſeines Dorfs zu ſehen, und da fiel ihm Linkerhand das Kapuzi- nerkloſter in die Augen, deſſen blecherne Zinnen die Sonnenſtralen zuruͤckwarfen. Auch den dun- keln Tannenhain am Kloſter ſah er, und erinnerte ſich nun aller Auftritte wieder, die er da gehabt hatte, beſonders ſeines lieben P. Antons. Seine

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/170>, abgerufen am 24.11.2024.