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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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nungen; gieng heftig auf und ab, und betete laut,
daß ihn Gott in seinen guten Vorsätzen unterstü-
tzen, und den Lehren seines Vaters immer treu er-
halten wolle!

Den andern Tag brachte er gröstentheils in
der Gesellschaft seiner Schwester zu, die seine Sa-
chen vollends in Ordnung brachte, weil der Kof-
fer den Abend noch gepackt werden muste, um den
andern Morgen mit Anbruch des Tages mit dem
Wagen abzugehen. Jhre Unterhaltung war trau-
rig, und oft schwiegen sie halbe Stunden lang, so
viel sie sich auch noch zu sagen hatten. Sie
schenkte ihm zum Andenken einen Geldbeutel, den
sie selbst gestrickt hatte, damit er sich fein fleißig ih-
rer erinnern möchte. Das Versprechen, sich recht
oft zuzuschreiben, wurde noch einmal feyerlich er-
neuert. Anfangs wollte er gar nicht zu Bette ge-
hen, um nur seine Therese recht zu geniessen;
aber der Vater widerrieth's, weil er Ruhe nötig
habe. Der alte Siegwart hätte seinen Sohn
gern begleitet, aber unaufschiebliche Geschäfte, und
weil der andre Tag ein Gerichtstag war, hielten
ihn zurück. Sie blieben bis um eilf Uhr auf.
Xaver bat seine Schwester, morgen früh liegen zu
bleiben. Aber sie that ganz böse, daß er ihr so et-



nungen; gieng heftig auf und ab, und betete laut,
daß ihn Gott in ſeinen guten Vorſaͤtzen unterſtuͤ-
tzen, und den Lehren ſeines Vaters immer treu er-
halten wolle!

Den andern Tag brachte er groͤſtentheils in
der Geſellſchaft ſeiner Schweſter zu, die ſeine Sa-
chen vollends in Ordnung brachte, weil der Kof-
fer den Abend noch gepackt werden muſte, um den
andern Morgen mit Anbruch des Tages mit dem
Wagen abzugehen. Jhre Unterhaltung war trau-
rig, und oft ſchwiegen ſie halbe Stunden lang, ſo
viel ſie ſich auch noch zu ſagen hatten. Sie
ſchenkte ihm zum Andenken einen Geldbeutel, den
ſie ſelbſt geſtrickt hatte, damit er ſich fein fleißig ih-
rer erinnern moͤchte. Das Verſprechen, ſich recht
oft zuzuſchreiben, wurde noch einmal feyerlich er-
neuert. Anfangs wollte er gar nicht zu Bette ge-
hen, um nur ſeine Thereſe recht zu genieſſen;
aber der Vater widerrieth’s, weil er Ruhe noͤtig
habe. Der alte Siegwart haͤtte ſeinen Sohn
gern begleitet, aber unaufſchiebliche Geſchaͤfte, und
weil der andre Tag ein Gerichtstag war, hielten
ihn zuruͤck. Sie blieben bis um eilf Uhr auf.
Xaver bat ſeine Schweſter, morgen fruͤh liegen zu
bleiben. Aber ſie that ganz boͤſe, daß er ihr ſo et-

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[162/0166] nungen; gieng heftig auf und ab, und betete laut, daß ihn Gott in ſeinen guten Vorſaͤtzen unterſtuͤ- tzen, und den Lehren ſeines Vaters immer treu er- halten wolle! Den andern Tag brachte er groͤſtentheils in der Geſellſchaft ſeiner Schweſter zu, die ſeine Sa- chen vollends in Ordnung brachte, weil der Kof- fer den Abend noch gepackt werden muſte, um den andern Morgen mit Anbruch des Tages mit dem Wagen abzugehen. Jhre Unterhaltung war trau- rig, und oft ſchwiegen ſie halbe Stunden lang, ſo viel ſie ſich auch noch zu ſagen hatten. Sie ſchenkte ihm zum Andenken einen Geldbeutel, den ſie ſelbſt geſtrickt hatte, damit er ſich fein fleißig ih- rer erinnern moͤchte. Das Verſprechen, ſich recht oft zuzuſchreiben, wurde noch einmal feyerlich er- neuert. Anfangs wollte er gar nicht zu Bette ge- hen, um nur ſeine Thereſe recht zu genieſſen; aber der Vater widerrieth’s, weil er Ruhe noͤtig habe. Der alte Siegwart haͤtte ſeinen Sohn gern begleitet, aber unaufſchiebliche Geſchaͤfte, und weil der andre Tag ein Gerichtstag war, hielten ihn zuruͤck. Sie blieben bis um eilf Uhr auf. Xaver bat ſeine Schweſter, morgen fruͤh liegen zu bleiben. Aber ſie that ganz boͤſe, daß er ihr ſo et-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/166>, abgerufen am 21.11.2024.