der gestern bey uns war? Der thut gewiß so viel Gutes, als ein Mönch im Kloster. Wart, wir wollen heut gleich zu ihm gehen, und du sollst dich wundern, was das für ein Mann ist! Ein Welt- geistlicher kann doch immer noch des Lebens mehr geniessen, und glücklicher seyn. -- Nicht wahr, Bruder, du thust mirs zu Gefallen, und besinnst|dich?
Hier nahm sie ihn bey der Hand, sah ihn lächelnd, und mit Thränen in den Augen an. Xaver konnte sich nicht länger halten, fiel ihr um den Hals und schluchzte. Schwester, sprach er, ich weiß nicht, was ich sagen soll? Ja, besinnen will ich mich, das versprech ich dir; will nicht un- bedachtsam handeln; Nein, bey Gott nicht? Jch will alles überlegen; will zurückgehen, wenn ich kann; kannst dich drauf verlassen. Laß mich nur allein, Schwester! daß ich weinen kann, und |mich besinnen!
Sie gieng weg und warf noch einen Blick auf ihn, der mehr sprach, als hundert Worte. Xaver war in der äussersten Beklemmung. Nur noch ein paar Worte, und er hätte ganz gewankt. Die Reden seiner Schwester giengen ihm tief ins Herz, weil sie wahr waren, und er sie von Herzen liebte. Sie hatte Bedenklichkeiten in ihm rege gemacht, an die er vorher niemals gedacht hatte. Nunmehr
der geſtern bey uns war? Der thut gewiß ſo viel Gutes, als ein Moͤnch im Kloſter. Wart, wir wollen heut gleich zu ihm gehen, und du ſollſt dich wundern, was das fuͤr ein Mann iſt! Ein Welt- geiſtlicher kann doch immer noch des Lebens mehr genieſſen, und gluͤcklicher ſeyn. — Nicht wahr, Bruder, du thuſt mirs zu Gefallen, und beſinnſt|dich?
Hier nahm ſie ihn bey der Hand, ſah ihn laͤchelnd, und mit Thraͤnen in den Augen an. Xaver konnte ſich nicht laͤnger halten, fiel ihr um den Hals und ſchluchzte. Schweſter, ſprach er, ich weiß nicht, was ich ſagen ſoll? Ja, beſinnen will ich mich, das verſprech ich dir; will nicht un- bedachtſam handeln; Nein, bey Gott nicht? Jch will alles uͤberlegen; will zuruͤckgehen, wenn ich kann; kannſt dich drauf verlaſſen. Laß mich nur allein, Schweſter! daß ich weinen kann, und |mich beſinnen!
Sie gieng weg und warf noch einen Blick auf ihn, der mehr ſprach, als hundert Worte. Xaver war in der aͤuſſerſten Beklemmung. Nur noch ein paar Worte, und er haͤtte ganz gewankt. Die Reden ſeiner Schweſter giengen ihm tief ins Herz, weil ſie wahr waren, und er ſie von Herzen liebte. Sie hatte Bedenklichkeiten in ihm rege gemacht, an die er vorher niemals gedacht hatte. Nunmehr
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der geſtern bey uns war? Der thut gewiß ſo viel
Gutes, als ein Moͤnch im Kloſter. Wart, wir
wollen heut gleich zu ihm gehen, und du ſollſt dich
wundern, was das fuͤr ein Mann iſt! Ein Welt-
geiſtlicher kann doch immer noch des Lebens mehr
genieſſen, und gluͤcklicher ſeyn. — Nicht wahr,
Bruder, du thuſt mirs zu Gefallen, und beſinnſt|dich?
Hier nahm ſie ihn bey der Hand, ſah ihn
laͤchelnd, und mit Thraͤnen in den Augen an.
Xaver konnte ſich nicht laͤnger halten, fiel ihr um
den Hals und ſchluchzte. Schweſter, ſprach er,
ich weiß nicht, was ich ſagen ſoll? Ja, beſinnen
will ich mich, das verſprech ich dir; will nicht un-
bedachtſam handeln; Nein, bey Gott nicht? Jch
will alles uͤberlegen; will zuruͤckgehen, wenn ich
kann; kannſt dich drauf verlaſſen. Laß mich nur allein,
Schweſter! daß ich weinen kann, und |mich beſinnen!
Sie gieng weg und warf noch einen Blick auf
ihn, der mehr ſprach, als hundert Worte. Xaver
war in der aͤuſſerſten Beklemmung. Nur noch ein
paar Worte, und er haͤtte ganz gewankt. Die
Reden ſeiner Schweſter giengen ihm tief ins Herz,
weil ſie wahr waren, und er ſie von Herzen liebte.
Sie hatte Bedenklichkeiten in ihm rege gemacht,
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/146>, abgerufen am 25.11.2024.
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