Welt nützen können. Wir haben tausend Gutes von ihm gelernt, tausend Wohlthaten genossen, und geniessen sie noch täglich. Sag einmal, Bru- der, ist das nicht ein Leben, das wohlthätig ist, und Gott wohlgefallen muß? (Xaver weinte) Und so sieh jeden rechtschaffnen Hausvater hier im Dorf an, ob der nicht auch thut, was er kann? Ob er nicht auch Segen in dieser und in jener Welt einerndten muß, ohne eben ins Kloster zu kriechen?
Xaver. Jch glaub aber, Schwester, daß ich mehr ins Kloster taug, als in die Welt. Daß ich da mehr Gutes ausrichten kann, als anders- wo. Gott weiß, daß ich keine andre Absicht ha- be, als den Menschen so viel Guts zu thun, als in meinen Kräften ist. Darauf hab ich immer ge- sehen. Und da kenn' ich für mich, keinen Stand, in dem's besser angienge, als im Geistlichen. Was mein eignes Glück betrift, so find ichs ge- wiß nirgends eher, als im Kloster.
Therese. Und das ist eben, was ich fürchte, und weswegen ich mir deinethalb so vielen Kum- mer mache. Jch glaube, daß du für nichts we- niger bist, als für's Kloster. So ein muntrer frischer Knabe, wie du bist; an dem alles lebt und Bewegung ist; der soll da in einer finstern
Welt nuͤtzen koͤnnen. Wir haben tauſend Gutes von ihm gelernt, tauſend Wohlthaten genoſſen, und genieſſen ſie noch taͤglich. Sag einmal, Bru- der, iſt das nicht ein Leben, das wohlthaͤtig iſt, und Gott wohlgefallen muß? (Xaver weinte) Und ſo ſieh jeden rechtſchaffnen Hausvater hier im Dorf an, ob der nicht auch thut, was er kann? Ob er nicht auch Segen in dieſer und in jener Welt einerndten muß, ohne eben ins Kloſter zu kriechen?
Xaver. Jch glaub aber, Schweſter, daß ich mehr ins Kloſter taug, als in die Welt. Daß ich da mehr Gutes ausrichten kann, als anders- wo. Gott weiß, daß ich keine andre Abſicht ha- be, als den Menſchen ſo viel Guts zu thun, als in meinen Kraͤften iſt. Darauf hab ich immer ge- ſehen. Und da kenn’ ich fuͤr mich, keinen Stand, in dem’s beſſer angienge, als im Geiſtlichen. Was mein eignes Gluͤck betrift, ſo find ichs ge- wiß nirgends eher, als im Kloſter.
Thereſe. Und das iſt eben, was ich fuͤrchte, und weswegen ich mir deinethalb ſo vielen Kum- mer mache. Jch glaube, daß du fuͤr nichts we- niger biſt, als fuͤr’s Kloſter. So ein muntrer friſcher Knabe, wie du biſt; an dem alles lebt und Bewegung iſt; der ſoll da in einer finſtern
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Welt nuͤtzen koͤnnen. Wir haben tauſend Gutes
von ihm gelernt, tauſend Wohlthaten genoſſen,
und genieſſen ſie noch taͤglich. Sag einmal, Bru-
der, iſt das nicht ein Leben, das wohlthaͤtig iſt, und
Gott wohlgefallen muß? (Xaver weinte) Und ſo
ſieh jeden rechtſchaffnen Hausvater hier im Dorf
an, ob der nicht auch thut, was er kann? Ob
er nicht auch Segen in dieſer und in jener Welt
einerndten muß, ohne eben ins Kloſter zu kriechen?
Xaver. Jch glaub aber, Schweſter, daß ich
mehr ins Kloſter taug, als in die Welt. Daß
ich da mehr Gutes ausrichten kann, als anders-
wo. Gott weiß, daß ich keine andre Abſicht ha-
be, als den Menſchen ſo viel Guts zu thun, als
in meinen Kraͤften iſt. Darauf hab ich immer ge-
ſehen. Und da kenn’ ich fuͤr mich, keinen Stand,
in dem’s beſſer angienge, als im Geiſtlichen.
Was mein eignes Gluͤck betrift, ſo find ichs ge-
wiß nirgends eher, als im Kloſter.
Thereſe. Und das iſt eben, was ich fuͤrchte,
und weswegen ich mir deinethalb ſo vielen Kum-
mer mache. Jch glaube, daß du fuͤr nichts we-
niger biſt, als fuͤr’s Kloſter. So ein muntrer
friſcher Knabe, wie du biſt; an dem alles lebt
und Bewegung iſt; der ſoll da in einer finſtern
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/144>, abgerufen am 16.02.2025.
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