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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Xaver. Herzlich gerne, liebe Therese! Nimm
mirs nicht übel, wenn ich dich hart anfuhr! Jch
war da so vertieft im Lesen, und habs warlich nicht
so bös gemeynt.

Therese. Gut, gut! Wer wird auch gleich
alles übel nehmen? und zumal dir? Ach, du weist
nicht, wie ich dich so lieb habe, Bruder! -- Und
du wolltest uns verlassen? Gelt das war dein Ernst
nicht? Bleib nur in der Welt! Sie ist so gut, und
die Menschen drinn sinds auch.

Xaver. Das kann wol seyn, Schwester!
Aber mir ists Ernst; ich muß ins Kloster.

Therese. Und warum denn, lieber Xaver?
Kennst du auch die Welt und das Kloster, das du
drum eintauschen willst? Jch seh, daß es dir Ernst
ist, und muß einmal offenherzig mit dir reden,
wenn du nichts dagegen hast.

Xaver. Was dagegen? Sprich nur frey
heraus! Du thust ja ganz fremd gegen mich.

Therese. Nun, so hör denn an! Was ich
sage, sag ich blos um deines Besten willen, und
weil ich dich so lieb habe. Sieh, ich kenn das Klo-
sterleben auch; habs zwey Jahre lang versucht und
da kann ich aus Erfahrung reden. Anfangs ge-

J


Xaver. Herzlich gerne, liebe Thereſe! Nimm
mirs nicht uͤbel, wenn ich dich hart anfuhr! Jch
war da ſo vertieft im Leſen, und habs warlich nicht
ſo boͤs gemeynt.

Thereſe. Gut, gut! Wer wird auch gleich
alles uͤbel nehmen? und zumal dir? Ach, du weiſt
nicht, wie ich dich ſo lieb habe, Bruder! — Und
du wollteſt uns verlaſſen? Gelt das war dein Ernſt
nicht? Bleib nur in der Welt! Sie iſt ſo gut, und
die Menſchen drinn ſinds auch.

Xaver. Das kann wol ſeyn, Schweſter!
Aber mir iſts Ernſt; ich muß ins Kloſter.

Thereſe. Und warum denn, lieber Xaver?
Kennſt du auch die Welt und das Kloſter, das du
drum eintauſchen willſt? Jch ſeh, daß es dir Ernſt
iſt, und muß einmal offenherzig mit dir reden,
wenn du nichts dagegen haſt.

Xaver. Was dagegen? Sprich nur frey
heraus! Du thuſt ja ganz fremd gegen mich.

Thereſe. Nun, ſo hoͤr denn an! Was ich
ſage, ſag ich blos um deines Beſten willen, und
weil ich dich ſo lieb habe. Sieh, ich kenn das Klo-
ſterleben auch; habs zwey Jahre lang verſucht und
da kann ich aus Erfahrung reden. Anfangs ge-

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[129/0133] Xaver. Herzlich gerne, liebe Thereſe! Nimm mirs nicht uͤbel, wenn ich dich hart anfuhr! Jch war da ſo vertieft im Leſen, und habs warlich nicht ſo boͤs gemeynt. Thereſe. Gut, gut! Wer wird auch gleich alles uͤbel nehmen? und zumal dir? Ach, du weiſt nicht, wie ich dich ſo lieb habe, Bruder! — Und du wollteſt uns verlaſſen? Gelt das war dein Ernſt nicht? Bleib nur in der Welt! Sie iſt ſo gut, und die Menſchen drinn ſinds auch. Xaver. Das kann wol ſeyn, Schweſter! Aber mir iſts Ernſt; ich muß ins Kloſter. Thereſe. Und warum denn, lieber Xaver? Kennſt du auch die Welt und das Kloſter, das du drum eintauſchen willſt? Jch ſeh, daß es dir Ernſt iſt, und muß einmal offenherzig mit dir reden, wenn du nichts dagegen haſt. Xaver. Was dagegen? Sprich nur frey heraus! Du thuſt ja ganz fremd gegen mich. Thereſe. Nun, ſo hoͤr denn an! Was ich ſage, ſag ich blos um deines Beſten willen, und weil ich dich ſo lieb habe. Sieh, ich kenn das Klo- ſterleben auch; habs zwey Jahre lang verſucht und da kann ich aus Erfahrung reden. Anfangs ge- J

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/133>, abgerufen am 22.11.2024.