Xaver. Herzlich gerne, liebe Therese! Nimm mirs nicht übel, wenn ich dich hart anfuhr! Jch war da so vertieft im Lesen, und habs warlich nicht so bös gemeynt.
Therese. Gut, gut! Wer wird auch gleich alles übel nehmen? und zumal dir? Ach, du weist nicht, wie ich dich so lieb habe, Bruder! -- Und du wolltest uns verlassen? Gelt das war dein Ernst nicht? Bleib nur in der Welt! Sie ist so gut, und die Menschen drinn sinds auch.
Xaver. Das kann wol seyn, Schwester! Aber mir ists Ernst; ich muß ins Kloster.
Therese. Und warum denn, lieber Xaver? Kennst du auch die Welt und das Kloster, das du drum eintauschen willst? Jch seh, daß es dir Ernst ist, und muß einmal offenherzig mit dir reden, wenn du nichts dagegen hast.
Xaver. Was dagegen? Sprich nur frey heraus! Du thust ja ganz fremd gegen mich.
Therese. Nun, so hör denn an! Was ich sage, sag ich blos um deines Besten willen, und weil ich dich so lieb habe. Sieh, ich kenn das Klo- sterleben auch; habs zwey Jahre lang versucht und da kann ich aus Erfahrung reden. Anfangs ge-
J
Xaver. Herzlich gerne, liebe Thereſe! Nimm mirs nicht uͤbel, wenn ich dich hart anfuhr! Jch war da ſo vertieft im Leſen, und habs warlich nicht ſo boͤs gemeynt.
Thereſe. Gut, gut! Wer wird auch gleich alles uͤbel nehmen? und zumal dir? Ach, du weiſt nicht, wie ich dich ſo lieb habe, Bruder! — Und du wollteſt uns verlaſſen? Gelt das war dein Ernſt nicht? Bleib nur in der Welt! Sie iſt ſo gut, und die Menſchen drinn ſinds auch.
Xaver. Das kann wol ſeyn, Schweſter! Aber mir iſts Ernſt; ich muß ins Kloſter.
Thereſe. Und warum denn, lieber Xaver? Kennſt du auch die Welt und das Kloſter, das du drum eintauſchen willſt? Jch ſeh, daß es dir Ernſt iſt, und muß einmal offenherzig mit dir reden, wenn du nichts dagegen haſt.
Xaver. Was dagegen? Sprich nur frey heraus! Du thuſt ja ganz fremd gegen mich.
Thereſe. Nun, ſo hoͤr denn an! Was ich ſage, ſag ich blos um deines Beſten willen, und weil ich dich ſo lieb habe. Sieh, ich kenn das Klo- ſterleben auch; habs zwey Jahre lang verſucht und da kann ich aus Erfahrung reden. Anfangs ge-
J
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0133"n="129"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#fr">Xaver.</hi> Herzlich gerne, liebe <hirendition="#fr">Thereſe!</hi> Nimm<lb/>
mirs nicht uͤbel, wenn ich dich hart anfuhr! Jch<lb/>
war da ſo vertieft im Leſen, und habs warlich nicht<lb/>ſo boͤs gemeynt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Thereſe.</hi> Gut, gut! Wer wird auch gleich<lb/>
alles uͤbel nehmen? und zumal dir? Ach, du weiſt<lb/>
nicht, wie ich dich ſo lieb habe, Bruder! — Und<lb/>
du wollteſt uns verlaſſen? Gelt das war dein Ernſt<lb/>
nicht? Bleib nur in der Welt! Sie iſt ſo gut, und<lb/>
die Menſchen drinn ſinds auch.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Xaver.</hi> Das kann wol ſeyn, Schweſter!<lb/>
Aber mir iſts Ernſt; ich muß ins Kloſter.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Thereſe.</hi> Und warum denn, lieber <hirendition="#fr">Xaver?</hi><lb/>
Kennſt du auch die Welt und das Kloſter, das du<lb/>
drum eintauſchen willſt? Jch ſeh, daß es dir Ernſt<lb/>
iſt, und muß einmal offenherzig mit dir reden,<lb/>
wenn du nichts dagegen haſt.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Xaver.</hi> Was dagegen? Sprich nur frey<lb/>
heraus! Du thuſt ja ganz fremd gegen mich.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Thereſe.</hi> Nun, ſo hoͤr denn an! Was ich<lb/>ſage, ſag ich blos um deines Beſten willen, und<lb/>
weil ich dich ſo lieb habe. Sieh, ich kenn das Klo-<lb/>ſterleben auch; habs zwey Jahre lang verſucht und<lb/>
da kann ich aus Erfahrung reden. Anfangs ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">J</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[129/0133]
Xaver. Herzlich gerne, liebe Thereſe! Nimm
mirs nicht uͤbel, wenn ich dich hart anfuhr! Jch
war da ſo vertieft im Leſen, und habs warlich nicht
ſo boͤs gemeynt.
Thereſe. Gut, gut! Wer wird auch gleich
alles uͤbel nehmen? und zumal dir? Ach, du weiſt
nicht, wie ich dich ſo lieb habe, Bruder! — Und
du wollteſt uns verlaſſen? Gelt das war dein Ernſt
nicht? Bleib nur in der Welt! Sie iſt ſo gut, und
die Menſchen drinn ſinds auch.
Xaver. Das kann wol ſeyn, Schweſter!
Aber mir iſts Ernſt; ich muß ins Kloſter.
Thereſe. Und warum denn, lieber Xaver?
Kennſt du auch die Welt und das Kloſter, das du
drum eintauſchen willſt? Jch ſeh, daß es dir Ernſt
iſt, und muß einmal offenherzig mit dir reden,
wenn du nichts dagegen haſt.
Xaver. Was dagegen? Sprich nur frey
heraus! Du thuſt ja ganz fremd gegen mich.
Thereſe. Nun, ſo hoͤr denn an! Was ich
ſage, ſag ich blos um deines Beſten willen, und
weil ich dich ſo lieb habe. Sieh, ich kenn das Klo-
ſterleben auch; habs zwey Jahre lang verſucht und
da kann ich aus Erfahrung reden. Anfangs ge-
J
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/133>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.