noch einmal zu besuchen. Den folgenden Mor- gen traf sie Xavern allein auf seinem Zimmer, als er eben das Leben des heiligen Franciscus vor sich aufgeschlagen, und das Blatt von P. Anton daneben liegen hatte.
Ey, guten Morgen, Herr Pater! sprach sie lächelnd; Jmmer so fleißig? Und was studieren Sie dann, wenn ich fragen darf? ... Jm Le- ben des heiligen Franciscus. War das auch ein Klosterherr? oder wol gar auch ein Kapuziner?
Xaver. Freylich, unser Ordensstifter, The- rese! Ein gar herrlicher und heiliger Mann.
Therese. So? Ja, was weiß ich auf un- serm Dorfe hier? Da erfährt man nichts der- gleichen.
Xaver. Du solltest's aber wissen! Könntest viel von ihm lernen! So gibts wenig Leute!
Therese. Nu, Nu! ich werde doch ohn ihn selig werden können? Meynst du nicht?
Xaver. Geh! du sprichst auch gar zu leicht- sinnig! Kannst dergleichen Dinge nicht begreifen.
Therese. Ja, das glaub ich gerne. Aber nur nicht gleich so böse, Bruder! Das hast du doch im Kloster nicht gelernt? Sey ein bischen sreundlich, Xaver!
noch einmal zu beſuchen. Den folgenden Mor- gen traf ſie Xavern allein auf ſeinem Zimmer, als er eben das Leben des heiligen Franciſcus vor ſich aufgeſchlagen, und das Blatt von P. Anton daneben liegen hatte.
Ey, guten Morgen, Herr Pater! ſprach ſie laͤchelnd; Jmmer ſo fleißig? Und was ſtudieren Sie dann, wenn ich fragen darf? … Jm Le- ben des heiligen Franciſcus. War das auch ein Kloſterherr? oder wol gar auch ein Kapuziner?
Xaver. Freylich, unſer Ordensſtifter, The- reſe! Ein gar herrlicher und heiliger Mann.
Thereſe. So? Ja, was weiß ich auf un- ſerm Dorfe hier? Da erfaͤhrt man nichts der- gleichen.
Xaver. Du ſollteſt’s aber wiſſen! Koͤnnteſt viel von ihm lernen! So gibts wenig Leute!
Thereſe. Nu, Nu! ich werde doch ohn ihn ſelig werden koͤnnen? Meynſt du nicht?
Xaver. Geh! du ſprichſt auch gar zu leicht- ſinnig! Kannſt dergleichen Dinge nicht begreifen.
Thereſe. Ja, das glaub ich gerne. Aber nur nicht gleich ſo boͤſe, Bruder! Das haſt du doch im Kloſter nicht gelernt? Sey ein bischen ſreundlich, Xaver!
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noch einmal zu beſuchen. Den folgenden Mor-
gen traf ſie Xavern allein auf ſeinem Zimmer,
als er eben das Leben des heiligen Franciſcus
vor ſich aufgeſchlagen, und das Blatt von P.
Anton daneben liegen hatte.
Ey, guten Morgen, Herr Pater! ſprach ſie
laͤchelnd; Jmmer ſo fleißig? Und was ſtudieren
Sie dann, wenn ich fragen darf? … Jm Le-
ben des heiligen Franciſcus. War das auch ein
Kloſterherr? oder wol gar auch ein Kapuziner?
Xaver. Freylich, unſer Ordensſtifter, The-
reſe! Ein gar herrlicher und heiliger Mann.
Thereſe. So? Ja, was weiß ich auf un-
ſerm Dorfe hier? Da erfaͤhrt man nichts der-
gleichen.
Xaver. Du ſollteſt’s aber wiſſen! Koͤnnteſt
viel von ihm lernen! So gibts wenig Leute!
Thereſe. Nu, Nu! ich werde doch ohn
ihn ſelig werden koͤnnen? Meynſt du nicht?
Xaver. Geh! du ſprichſt auch gar zu leicht-
ſinnig! Kannſt dergleichen Dinge nicht begreifen.
Thereſe. Ja, das glaub ich gerne. Aber
nur nicht gleich ſo boͤſe, Bruder! Das haſt du
doch im Kloſter nicht gelernt? Sey ein bischen
ſreundlich, Xaver!
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/132>, abgerufen am 16.02.2025.
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