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Mill, John Stuart: Ueber Frauenemancipation. In: John Stuart Mill´s Gesammelte Werke. Leipzig, 1880. S. 1–29.

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Ueber Frauenemancipation.
mehren helfen, welche bereits die Zugänge zu fast allen Berufsarten
sperrt und deren Ertrag vermindert. Dieses Argument hat - wohl
gemerkt - nichts mit der politischen Frage zu thun. Es entschuldigt
nicht, daß den Frauen die Bürgerrechte vorenthalten werden. Auf
das Stimmrecht, auf die Zulassung zur Geschwornenbank, zum Par-
lament und zu öffentlichen Aemtern hat es keinen Bezug. Es
erstreckt sich einzig und allein auf die industrielle Seite der Frage.
Wenn wir somit diesem wirthschaftlichen Argument seine volle Be-
deutung zuerkennen, wenn wir einräumen, daß die Zulassung der
Frauen zu den Beschäftigungen, welche jetzt ausschließlich Männer
inne haben, gleich der Aufhebung von anderen Monopolen dahin
abzielen würde, die Einträglichkeit dieser Beschäftigungen zu ver-
mindern - dann liegt es uns ob zu erwägen, wie groß der daraus
entspringende Nachtheil ist und was demselben gegenübersteht. Das
Schlimmste, was jemals behauptet wurde, weit mehr, als irgend-
wie eintreffen dürfte, ist dieß: daß, wenn die Frauen mit den
Männern in Concurrenz träten, ein Mann und eine Frau zu-
sammen nicht mehr erwerben könnten, als was jetzt ein Mann
allein erwirbt. Nehmen wir diese Voraussetzung, die ungünstigste,
die überhaupt möglich ist, an; das vereinigte Einkommen beider
würde dann dasselbe sein, wie früher, während die Frau aus der
Stellung einer Dienerin zu der einer Mitarbeiterin erhoben wäre.
Selbst wenn bei dem jetzigen Stand der Dinge keine Frau eines
männlichen Ernährers entbehrte, wie unendlich besser wäre es doch,
daß ein Theil des Einkommens der Erwerb der Frau sei, auch
wenn der Gesammtbetrag dadurch nur um wenig vermehrt wird,
anstatt daß sie genöthigt ist zurückzustehen, damit der Mann der
einzige Erwerber und der einzige Verwalter des Erworbenen sei.
Selbst unter den gegenwärtigen Gesetzen über das Eigenthum der
Frauen kann ein Weib, das zur Erhaltung der Familie wesentlich
beiträgt, nicht in derselben verächtlichen und tyrannischen Weise be-
handelt werden, wie eines, dessen Lebensunterhalt gänzlich vom
Manne abhängt, so schwer auch die Mühsal der häuslichen Arbeit
auf ihr lasten mag*) Gegen die Herabsetzung der Löhne in Folge

*) Die wahrhaft schrecklichen Folgen des gegenwärtigen Zustandes der
Gesetze bei dem untersten Theil der arbeitenden Bevölkerung zeigen sich in
jenen Fällen von gräßlicher Mißhandlung der Frauen durch ihre Männer,
mit denen jedes Zeitungsblatt, jeder Polizeibericht überfüllt ist. Elende, die
nicht verdienen die geringste Autorität über irgend ein lebendes Wesen zu
besitzen, haben ein hilfloses Weib zu ihrer Haussclavin. Solche Ausschreitungen
könnten nicht vorkommen, wenn die Frauen einen Theil des Einkommens der
Familie sowohl erwerben würden als zu besitzen das Recht hätten.

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Ueber Frauenemancipation.
mehren helfen, welche bereits die Zugänge zu fast allen Berufsarten
sperrt und deren Ertrag vermindert. Dieses Argument hat – wohl
gemerkt – nichts mit der politischen Frage zu thun. Es entschuldigt
nicht, daß den Frauen die Bürgerrechte vorenthalten werden. Auf
das Stimmrecht, auf die Zulassung zur Geschwornenbank, zum Par-
lament und zu öffentlichen Aemtern hat es keinen Bezug. Es
erstreckt sich einzig und allein auf die industrielle Seite der Frage.
Wenn wir somit diesem wirthschaftlichen Argument seine volle Be-
deutung zuerkennen, wenn wir einräumen, daß die Zulassung der
Frauen zu den Beschäftigungen, welche jetzt ausschließlich Männer
inne haben, gleich der Aufhebung von anderen Monopolen dahin
abzielen würde, die Einträglichkeit dieser Beschäftigungen zu ver-
mindern – dann liegt es uns ob zu erwägen, wie groß der daraus
entspringende Nachtheil ist und was demselben gegenübersteht. Das
Schlimmste, was jemals behauptet wurde, weit mehr, als irgend-
wie eintreffen dürfte, ist dieß: daß, wenn die Frauen mit den
Männern in Concurrenz träten, ein Mann und eine Frau zu-
sammen nicht mehr erwerben könnten, als was jetzt ein Mann
allein erwirbt. Nehmen wir diese Voraussetzung, die ungünstigste,
die überhaupt möglich ist, an; das vereinigte Einkommen beider
würde dann dasselbe sein, wie früher, während die Frau aus der
Stellung einer Dienerin zu der einer Mitarbeiterin erhoben wäre.
Selbst wenn bei dem jetzigen Stand der Dinge keine Frau eines
männlichen Ernährers entbehrte, wie unendlich besser wäre es doch,
daß ein Theil des Einkommens der Erwerb der Frau sei, auch
wenn der Gesammtbetrag dadurch nur um wenig vermehrt wird,
anstatt daß sie genöthigt ist zurückzustehen, damit der Mann der
einzige Erwerber und der einzige Verwalter des Erworbenen sei.
Selbst unter den gegenwärtigen Gesetzen über das Eigenthum der
Frauen kann ein Weib, das zur Erhaltung der Familie wesentlich
beiträgt, nicht in derselben verächtlichen und tyrannischen Weise be-
handelt werden, wie eines, dessen Lebensunterhalt gänzlich vom
Manne abhängt, so schwer auch die Mühsal der häuslichen Arbeit
auf ihr lasten mag*) Gegen die Herabsetzung der Löhne in Folge

*) Die wahrhaft schrecklichen Folgen des gegenwärtigen Zustandes der
Gesetze bei dem untersten Theil der arbeitenden Bevölkerung zeigen sich in
jenen Fällen von gräßlicher Mißhandlung der Frauen durch ihre Männer,
mit denen jedes Zeitungsblatt, jeder Polizeibericht überfüllt ist. Elende, die
nicht verdienen die geringste Autorität über irgend ein lebendes Wesen zu
besitzen, haben ein hilfloses Weib zu ihrer Haussclavin. Solche Ausschreitungen
könnten nicht vorkommen, wenn die Frauen einen Theil des Einkommens der
Familie sowohl erwerben würden als zu besitzen das Recht hätten.
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[13/0013] Ueber Frauenemancipation. ¬ mehren helfen, welche bereits die Zugänge zu fast allen Berufsarten sperrt und deren Ertrag vermindert. Dieses Argument hat – wohl gemerkt – nichts mit der politischen Frage zu thun. Es entschuldigt nicht, daß den Frauen die Bürgerrechte vorenthalten werden. Auf das Stimmrecht, auf die Zulassung zur Geschwornenbank, zum Par- lament und zu öffentlichen Aemtern hat es keinen Bezug. Es erstreckt sich einzig und allein auf die industrielle Seite der Frage. Wenn wir somit diesem wirthschaftlichen Argument seine volle Be- deutung zuerkennen, wenn wir einräumen, daß die Zulassung der Frauen zu den Beschäftigungen, welche jetzt ausschließlich Männer inne haben, gleich der Aufhebung von anderen Monopolen dahin abzielen würde, die Einträglichkeit dieser Beschäftigungen zu ver- mindern – dann liegt es uns ob zu erwägen, wie groß der daraus entspringende Nachtheil ist und was demselben gegenübersteht. Das Schlimmste, was jemals behauptet wurde, weit mehr, als irgend- wie eintreffen dürfte, ist dieß: daß, wenn die Frauen mit den Männern in Concurrenz träten, ein Mann und eine Frau zu- sammen nicht mehr erwerben könnten, als was jetzt ein Mann allein erwirbt. Nehmen wir diese Voraussetzung, die ungünstigste, die überhaupt möglich ist, an; das vereinigte Einkommen beider würde dann dasselbe sein, wie früher, während die Frau aus der Stellung einer Dienerin zu der einer Mitarbeiterin erhoben wäre. Selbst wenn bei dem jetzigen Stand der Dinge keine Frau eines männlichen Ernährers entbehrte, wie unendlich besser wäre es doch, daß ein Theil des Einkommens der Erwerb der Frau sei, auch wenn der Gesammtbetrag dadurch nur um wenig vermehrt wird, anstatt daß sie genöthigt ist zurückzustehen, damit der Mann der einzige Erwerber und der einzige Verwalter des Erworbenen sei. Selbst unter den gegenwärtigen Gesetzen über das Eigenthum der Frauen kann ein Weib, das zur Erhaltung der Familie wesentlich beiträgt, nicht in derselben verächtlichen und tyrannischen Weise be- handelt werden, wie eines, dessen Lebensunterhalt gänzlich vom Manne abhängt, so schwer auch die Mühsal der häuslichen Arbeit auf ihr lasten mag *) Gegen die Herabsetzung der Löhne in Folge *) Die wahrhaft schrecklichen Folgen des gegenwärtigen Zustandes der Gesetze bei dem untersten Theil der arbeitenden Bevölkerung zeigen sich in jenen Fällen von gräßlicher Mißhandlung der Frauen durch ihre Männer, mit denen jedes Zeitungsblatt, jeder Polizeibericht überfüllt ist. Elende, die nicht verdienen die geringste Autorität über irgend ein lebendes Wesen zu besitzen, haben ein hilfloses Weib zu ihrer Haussclavin. Solche Ausschreitungen könnten nicht vorkommen, wenn die Frauen einen Theil des Einkommens der Familie sowohl erwerben würden als zu besitzen das Recht hätten.

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Zitationshilfe: Mill, John Stuart: Ueber Frauenemancipation. In: John Stuart Mill´s Gesammelte Werke. Leipzig, 1880. S. 1–29, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mill_frauenemancipation_1880/13>, abgerufen am 28.04.2024.