Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.VIII. Monotonie des steten Wechsels -- bestimmte Richtung. Sie aus der Farbenscheibe ziehen, zu Ihrem touristischenLehrgang, demselben, den ich auch in unsrer "Reiseschule" einhalten soll? Sie springen von einem Thema zum andern, springe ich Ihnen nun seiner Zeit mit der Feder nach, so werden vielleicht unsre Leser gar nichts sehen, oder es wird ihnen grün und blau vor den Augen. Die Antwort übernahm Eduard: -- o Mitschüler, be- -- "Die Weisheit dieses Knaben sei tief Dir in das Außer den vorerwähnten Touristengattungen gibt es nun Denn je weiter und je länger wir reisen, je weniger VIII. Monotonie des ſteten Wechſels — beſtimmte Richtung. Sie aus der Farbenſcheibe ziehen, zu Ihrem touriſtiſchenLehrgang, demſelben, den ich auch in unſrer „Reiſeſchule“ einhalten ſoll? Sie ſpringen von einem Thema zum andern, ſpringe ich Ihnen nun ſeiner Zeit mit der Feder nach, ſo werden vielleicht unſre Leſer gar nichts ſehen, oder es wird ihnen grün und blau vor den Augen. Die Antwort übernahm Eduard: — o Mitſchüler, be- — „Die Weisheit dieſes Knaben ſei tief Dir in das Außer den vorerwähnten Touriſtengattungen gibt es nun Denn je weiter und je länger wir reiſen, je weniger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0264" n="250"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Monotonie des ſteten Wechſels — beſtimmte Richtung.</fw><lb/> Sie aus der Farbenſcheibe ziehen, zu Ihrem touriſtiſchen<lb/> Lehrgang, demſelben, den ich auch in unſrer „Reiſeſchule“<lb/> einhalten ſoll? Sie ſpringen von einem Thema zum andern,<lb/> ſpringe ich Ihnen nun ſeiner Zeit mit der Feder nach, ſo<lb/> werden vielleicht unſre Leſer gar nichts ſehen, oder es wird<lb/> ihnen grün und blau vor den Augen.</p><lb/> <p>Die Antwort übernahm <persName ref="nognd">Eduard</persName>: — o Mitſchüler, be-<lb/> merkſt Du nicht, daß unſer Lehrer die Farbenſcheibe ſo ſacht<lb/> und behutſam dreht, daß auch das langſame Leſerauge ge-<lb/> mächlich folgen kann?</p><lb/> <p>— „Die Weisheit dieſes Knaben ſei tief Dir in das<lb/> Herz gegraben,“ ſang Ulyſſes auf Mozart’ſche Melodie.<lb/> Ich weiß wohl, fuhr er fort, daß mancher Leſer, der an<lb/> Dampfwagen- und Telegraphengeſchwindigkeit gewöhnt iſt,<lb/> meinen wird, daß unſer Lehrgang zu langſam ſchreite, ſich<lb/> auch zu viel mit Beiläufigem aufhalte. Laſſen wir uns das<lb/> nicht anfechten, wenn nur der Zweck erreicht wird.</p><lb/> <p>Außer den vorerwähnten Touriſtengattungen gibt es nun<lb/> aber noch eine, welcher zwar kein aufjauchzendes Frohlocken<lb/> im Geſichte geſchrieben ſteht, die aber doch aus ihrem ganzen<lb/> Gebahren Befriedigung erkennen läßt, nie über Langeweile<lb/> klagt und von den Entbehrungen und Beſchwerden der Reiſe<lb/> und des Aufenthalts in der Fremde, ſeien ſie auch noch ſo<lb/> groß, kaum berührt wird. Nicht erinnere ich mich jedoch,<lb/> unter dieſen Befriedigten Einen gefunden zu haben, der<lb/> längere Zeit umhergezogen wäre und ſich begnügt hätte,<lb/> „Eindrücke zu empfangen“, ohne auf deren Vertiefung und<lb/> Verwerthung bedacht zu ſein und ohne ſeinem Tagewerke<lb/> eine <hi rendition="#g">beſtimmte Richtung</hi> gegeben zu haben.</p><lb/> <p>Denn je weiter und je länger wir reiſen, je weniger<lb/> dürfen wir uns darauf verlaſſen, daß der bloße <hi rendition="#g">Reiſe-<lb/> mechanismus</hi>, das Fahren, Wandern und paſſive Be-<lb/> ſchauen, uns Befriedigung gewährt und ein Gefühl der Leere<lb/> fernhält. Bei den erſten Regungen dieſes Gefühls täuſchen<lb/> wir uns leicht und ſchlagen den verkehrten Weg ein: fahren<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [250/0264]
VIII. Monotonie des ſteten Wechſels — beſtimmte Richtung.
Sie aus der Farbenſcheibe ziehen, zu Ihrem touriſtiſchen
Lehrgang, demſelben, den ich auch in unſrer „Reiſeſchule“
einhalten ſoll? Sie ſpringen von einem Thema zum andern,
ſpringe ich Ihnen nun ſeiner Zeit mit der Feder nach, ſo
werden vielleicht unſre Leſer gar nichts ſehen, oder es wird
ihnen grün und blau vor den Augen.
Die Antwort übernahm Eduard: — o Mitſchüler, be-
merkſt Du nicht, daß unſer Lehrer die Farbenſcheibe ſo ſacht
und behutſam dreht, daß auch das langſame Leſerauge ge-
mächlich folgen kann?
— „Die Weisheit dieſes Knaben ſei tief Dir in das
Herz gegraben,“ ſang Ulyſſes auf Mozart’ſche Melodie.
Ich weiß wohl, fuhr er fort, daß mancher Leſer, der an
Dampfwagen- und Telegraphengeſchwindigkeit gewöhnt iſt,
meinen wird, daß unſer Lehrgang zu langſam ſchreite, ſich
auch zu viel mit Beiläufigem aufhalte. Laſſen wir uns das
nicht anfechten, wenn nur der Zweck erreicht wird.
Außer den vorerwähnten Touriſtengattungen gibt es nun
aber noch eine, welcher zwar kein aufjauchzendes Frohlocken
im Geſichte geſchrieben ſteht, die aber doch aus ihrem ganzen
Gebahren Befriedigung erkennen läßt, nie über Langeweile
klagt und von den Entbehrungen und Beſchwerden der Reiſe
und des Aufenthalts in der Fremde, ſeien ſie auch noch ſo
groß, kaum berührt wird. Nicht erinnere ich mich jedoch,
unter dieſen Befriedigten Einen gefunden zu haben, der
längere Zeit umhergezogen wäre und ſich begnügt hätte,
„Eindrücke zu empfangen“, ohne auf deren Vertiefung und
Verwerthung bedacht zu ſein und ohne ſeinem Tagewerke
eine beſtimmte Richtung gegeben zu haben.
Denn je weiter und je länger wir reiſen, je weniger
dürfen wir uns darauf verlaſſen, daß der bloße Reiſe-
mechanismus, das Fahren, Wandern und paſſive Be-
ſchauen, uns Befriedigung gewährt und ein Gefühl der Leere
fernhält. Bei den erſten Regungen dieſes Gefühls täuſchen
wir uns leicht und ſchlagen den verkehrten Weg ein: fahren
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