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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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V. Naturalistische Luftcurversuche in der Wildniß -- Ventilation.
einzugreifen, so gestaltet sich da zuweilen die heiterste Ge-
selligkeit, wenn überhaupt unter den Anwesenden Stoff dafür
vorhanden ist; häufig scheitert die Sache an seinem Eifer,
alle, auch die widerstrebenden Elemente "unter einen Hut"
zu bringen.

Empfindliche, besonders Nervöse, mögen sie auch nur des
Luftbades bedürfen und von sonstigen Heilmitteln aus dem
Mineral-, Pflanzen- und Thierreich keinen Gebrauch machen
wollen, gehen stets sicherer, wenn sie einen Curort wählen,
der schon einigermaßen in Aufnahme ist, und sich nicht auf
Entdeckungsreisen in der Wildniß einlassen. Als Beispiel,
in welch' bittere Täuschungen Unerfahrene fallen können,
mag derselbe alte Herr dienen, dessen Bekanntschaft wir im
Eisenbahnwagen machten. Die Geschichte seines ersten Ver-
suchs, die er mir selbst erzählte, im Vertrauen, daß ich
weiteren Gebrauch davon machen würde, bildet das Seiten-
stück zu der im vorigen Capitel mitgetheilten. Auch er war
norddeutscher Schulmann, Oberlehrer an einem Gymnasium
und in ähnlicher Weise, in ähnlichem Grade und aus ähnlichen
Gründen leidend. Hören wir ihn selbst.

-- In die berüchtigte Stickluft deutscher Schulstuben *),
die ich als Kind und Knabe geathmet hatte, bannte mich
mein Beruf leider auch als Mann den größten Theil des
Tages, dessen Rest ich zu Hause am Schreibtisch verbrachte,
in Tabakswolken eingehüllt. Bewegung machte ich mir ge-

*) Bei neuen Schulgebäuden fängt man hier und da endlich an, für
Ventilation zu sorgen, und da ist es allerdings am dringendsten nöthig.
Hoffen wir, daß das in diesen Anstalten erzogene Geschlecht lernt, wie wichtig
frische Luft zur Erhaltung der Gesundheit ist, und dereinst danach baut und ein-
richtet. Es wird dann wenigstens unsren Nachkommen nicht an Gerichts-, Concert-,
Hörsälen, Theatern, Fabriken, Buchdruckereien fehlen, in denen kein Orchideenhaus-
klima herrscht, selbst Kaffeehäuser werden erstehen, in welchen Nachmittags, und
Bierstuben, in denen Abends sich athmen läßt. Nicht blos um die Hitze handelt
es sich, nicht blos um den Tabaksqualm, sondern auch um die Nothwendigkeit
der Erneuerung einer Luft, in welcher so und so viele Lungen und Gasflammen
stoffwechseln! -- --

V. Naturaliſtiſche Luftcurverſuche in der Wildniß — Ventilation.
einzugreifen, ſo geſtaltet ſich da zuweilen die heiterſte Ge-
ſelligkeit, wenn überhaupt unter den Anweſenden Stoff dafür
vorhanden iſt; häufig ſcheitert die Sache an ſeinem Eifer,
alle, auch die widerſtrebenden Elemente „unter einen Hut“
zu bringen.

Empfindliche, beſonders Nervöſe, mögen ſie auch nur des
Luftbades bedürfen und von ſonſtigen Heilmitteln aus dem
Mineral-, Pflanzen- und Thierreich keinen Gebrauch machen
wollen, gehen ſtets ſicherer, wenn ſie einen Curort wählen,
der ſchon einigermaßen in Aufnahme iſt, und ſich nicht auf
Entdeckungsreiſen in der Wildniß einlaſſen. Als Beiſpiel,
in welch’ bittere Täuſchungen Unerfahrene fallen können,
mag derſelbe alte Herr dienen, deſſen Bekanntſchaft wir im
Eiſenbahnwagen machten. Die Geſchichte ſeines erſten Ver-
ſuchs, die er mir ſelbſt erzählte, im Vertrauen, daß ich
weiteren Gebrauch davon machen würde, bildet das Seiten-
ſtück zu der im vorigen Capitel mitgetheilten. Auch er war
norddeutſcher Schulmann, Oberlehrer an einem Gymnaſium
und in ähnlicher Weiſe, in ähnlichem Grade und aus ähnlichen
Gründen leidend. Hören wir ihn ſelbſt.

— In die berüchtigte Stickluft deutſcher Schulſtuben *),
die ich als Kind und Knabe geathmet hatte, bannte mich
mein Beruf leider auch als Mann den größten Theil des
Tages, deſſen Reſt ich zu Hauſe am Schreibtiſch verbrachte,
in Tabakswolken eingehüllt. Bewegung machte ich mir ge-

*) Bei neuen Schulgebäuden fängt man hier und da endlich an, für
Ventilation zu ſorgen, und da iſt es allerdings am dringendſten nöthig.
Hoffen wir, daß das in dieſen Anſtalten erzogene Geſchlecht lernt, wie wichtig
friſche Luft zur Erhaltung der Geſundheit iſt, und dereinſt danach baut und ein-
richtet. Es wird dann wenigſtens unſren Nachkommen nicht an Gerichts-, Concert-,
Hörſälen, Theatern, Fabriken, Buchdruckereien fehlen, in denen kein Orchideenhaus-
klima herrſcht, ſelbſt Kaffeehäuſer werden erſtehen, in welchen Nachmittags, und
Bierſtuben, in denen Abends ſich athmen läßt. Nicht blos um die Hitze handelt
es ſich, nicht blos um den Tabaksqualm, ſondern auch um die Nothwendigkeit
der Erneuerung einer Luft, in welcher ſo und ſo viele Lungen und Gasflammen
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[118/0132] V. Naturaliſtiſche Luftcurverſuche in der Wildniß — Ventilation. einzugreifen, ſo geſtaltet ſich da zuweilen die heiterſte Ge- ſelligkeit, wenn überhaupt unter den Anweſenden Stoff dafür vorhanden iſt; häufig ſcheitert die Sache an ſeinem Eifer, alle, auch die widerſtrebenden Elemente „unter einen Hut“ zu bringen. Empfindliche, beſonders Nervöſe, mögen ſie auch nur des Luftbades bedürfen und von ſonſtigen Heilmitteln aus dem Mineral-, Pflanzen- und Thierreich keinen Gebrauch machen wollen, gehen ſtets ſicherer, wenn ſie einen Curort wählen, der ſchon einigermaßen in Aufnahme iſt, und ſich nicht auf Entdeckungsreiſen in der Wildniß einlaſſen. Als Beiſpiel, in welch’ bittere Täuſchungen Unerfahrene fallen können, mag derſelbe alte Herr dienen, deſſen Bekanntſchaft wir im Eiſenbahnwagen machten. Die Geſchichte ſeines erſten Ver- ſuchs, die er mir ſelbſt erzählte, im Vertrauen, daß ich weiteren Gebrauch davon machen würde, bildet das Seiten- ſtück zu der im vorigen Capitel mitgetheilten. Auch er war norddeutſcher Schulmann, Oberlehrer an einem Gymnaſium und in ähnlicher Weiſe, in ähnlichem Grade und aus ähnlichen Gründen leidend. Hören wir ihn ſelbſt. — In die berüchtigte Stickluft deutſcher Schulſtuben *), die ich als Kind und Knabe geathmet hatte, bannte mich mein Beruf leider auch als Mann den größten Theil des Tages, deſſen Reſt ich zu Hauſe am Schreibtiſch verbrachte, in Tabakswolken eingehüllt. Bewegung machte ich mir ge- *) Bei neuen Schulgebäuden fängt man hier und da endlich an, für Ventilation zu ſorgen, und da iſt es allerdings am dringendſten nöthig. Hoffen wir, daß das in dieſen Anſtalten erzogene Geſchlecht lernt, wie wichtig friſche Luft zur Erhaltung der Geſundheit iſt, und dereinſt danach baut und ein- richtet. Es wird dann wenigſtens unſren Nachkommen nicht an Gerichts-, Concert-, Hörſälen, Theatern, Fabriken, Buchdruckereien fehlen, in denen kein Orchideenhaus- klima herrſcht, ſelbſt Kaffeehäuſer werden erſtehen, in welchen Nachmittags, und Bierſtuben, in denen Abends ſich athmen läßt. Nicht blos um die Hitze handelt es ſich, nicht blos um den Tabaksqualm, ſondern auch um die Nothwendigkeit der Erneuerung einer Luft, in welcher ſo und ſo viele Lungen und Gasflammen ſtoffwechſeln! — —

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/132>, abgerufen am 25.11.2024.