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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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V. Nicht gerechtfertigte Anlagen -- Wege.
Liebe und Freundschaft, deren Benennungen ihren Ursprung
nicht verheimlichen, oft schriftlich, was die zahlreichen Epi-
gramme bezeugen auf Tischen, Bänken und Wänden der
A- bis Z-Sitze, -Blicke, -Einsamkeiten, -Glorietten, -Himmel-
reichs, -Belvederen, -Ruhen, -Lieblingsplätzchen, -Idyllen etc.,
Glossen, welche fort und fort ausgekratzt oder übertüncht wer-
den, aber immer wiedererstehen, wie die Pilze im Tannicht
daneben. Stiftungslustigen ist deshalb zu rathen, ihre Frei-
gebigkeit minder in Worten als in Werken zu bethätigen.

Ebensowenig zu den gerechtfertigten Anlagen, wenn nicht
Mittel im Ueberfluß vorhanden und für alles Nothwendige,
Nützliche und Naheliegende gesorgt ist, gehören glänzende
Ausstattung der Gesellschaftsräume, Fresken, Statuen,
Büsten und Wasserkünste, theure exotische Pflanzen, Garten-
novitäten und Raritäten. Die Lieblingsblume gewisser Vor-
stände und ihre Wahlverwandte ist die prunkende, steife Geor-
gine, von deren neuesten etikettirten Schattirungen alle Beete
strotzen, während die dankbare, bescheidene, anspruchslose
Reseda, desgleichen Levkoie, Aurikel, Geisblatt und viele
andre liebe Jugendfreunde bäurisch und altfränkisch gefunden
werden und verbannt sind. Selbst die herrliche blaßrothe
Centifolie ist schon nahezu verdrängt von hochrothen Gärtner-
neuheiten mit französischen Generals- und Banquiersnamen,
deren Ruhm und Ansehn längst verblichen.

Bei Anlagen der Wege wird ferner zu selten unter-
schieden zwischen Haupt- und Nebensachen. Wo reiche Hilfs-
quellen zu Gebote stehen, mag man sogenannte Promenaden-
wege auf alle benachbarten Bergspitzen führen, die erste Sorge
soll aber stets sein, wenigstens Einen Pfad zu bauen, der in
möglichst ebener Linie und im Walde eine tüchtige Strecke
weit fortläuft und nahe am Orte beginnt, denn schwächere
Kräfte müssen sonst auf die Labung eines Waldspaziergangs
ganz verzichten. Rüstige Wanderfüße pflegen auch durch
rauhe Pfade sich nicht abhalten zu lassen, Berge mit Fern-
sichten zu erklimmen. Mehre deutsche Badeorte ersten Ranges

V. Nicht gerechtfertigte Anlagen — Wege.
Liebe und Freundſchaft, deren Benennungen ihren Urſprung
nicht verheimlichen, oft ſchriftlich, was die zahlreichen Epi-
gramme bezeugen auf Tiſchen, Bänken und Wänden der
A- bis Z-Sitze, -Blicke, -Einſamkeiten, -Glorietten, -Himmel-
reichs, -Belvederen, -Ruhen, -Lieblingsplätzchen, -Idyllen ꝛc.,
Gloſſen, welche fort und fort ausgekratzt oder übertüncht wer-
den, aber immer wiedererſtehen, wie die Pilze im Tannicht
daneben. Stiftungsluſtigen iſt deshalb zu rathen, ihre Frei-
gebigkeit minder in Worten als in Werken zu bethätigen.

Ebenſowenig zu den gerechtfertigten Anlagen, wenn nicht
Mittel im Ueberfluß vorhanden und für alles Nothwendige,
Nützliche und Naheliegende geſorgt iſt, gehören glänzende
Ausſtattung der Geſellſchaftsräume, Fresken, Statuen,
Büſten und Waſſerkünſte, theure exotiſche Pflanzen, Garten-
novitäten und Raritäten. Die Lieblingsblume gewiſſer Vor-
ſtände und ihre Wahlverwandte iſt die prunkende, ſteife Geor-
gine, von deren neueſten etikettirten Schattirungen alle Beete
ſtrotzen, während die dankbare, beſcheidene, anſpruchsloſe
Reſeda, desgleichen Levkoie, Aurikel, Geisblatt und viele
andre liebe Jugendfreunde bäuriſch und altfränkiſch gefunden
werden und verbannt ſind. Selbſt die herrliche blaßrothe
Centifolie iſt ſchon nahezu verdrängt von hochrothen Gärtner-
neuheiten mit franzöſiſchen Generals- und Banquiersnamen,
deren Ruhm und Anſehn längſt verblichen.

Bei Anlagen der Wege wird ferner zu ſelten unter-
ſchieden zwiſchen Haupt- und Nebenſachen. Wo reiche Hilfs-
quellen zu Gebote ſtehen, mag man ſogenannte Promenaden-
wege auf alle benachbarten Bergſpitzen führen, die erſte Sorge
ſoll aber ſtets ſein, wenigſtens Einen Pfad zu bauen, der in
möglichſt ebener Linie und im Walde eine tüchtige Strecke
weit fortläuft und nahe am Orte beginnt, denn ſchwächere
Kräfte müſſen ſonſt auf die Labung eines Waldſpaziergangs
ganz verzichten. Rüſtige Wanderfüße pflegen auch durch
rauhe Pfade ſich nicht abhalten zu laſſen, Berge mit Fern-
ſichten zu erklimmen. Mehre deutſche Badeorte erſten Ranges

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[105/0119] V. Nicht gerechtfertigte Anlagen — Wege. Liebe und Freundſchaft, deren Benennungen ihren Urſprung nicht verheimlichen, oft ſchriftlich, was die zahlreichen Epi- gramme bezeugen auf Tiſchen, Bänken und Wänden der A- bis Z-Sitze, -Blicke, -Einſamkeiten, -Glorietten, -Himmel- reichs, -Belvederen, -Ruhen, -Lieblingsplätzchen, -Idyllen ꝛc., Gloſſen, welche fort und fort ausgekratzt oder übertüncht wer- den, aber immer wiedererſtehen, wie die Pilze im Tannicht daneben. Stiftungsluſtigen iſt deshalb zu rathen, ihre Frei- gebigkeit minder in Worten als in Werken zu bethätigen. Ebenſowenig zu den gerechtfertigten Anlagen, wenn nicht Mittel im Ueberfluß vorhanden und für alles Nothwendige, Nützliche und Naheliegende geſorgt iſt, gehören glänzende Ausſtattung der Geſellſchaftsräume, Fresken, Statuen, Büſten und Waſſerkünſte, theure exotiſche Pflanzen, Garten- novitäten und Raritäten. Die Lieblingsblume gewiſſer Vor- ſtände und ihre Wahlverwandte iſt die prunkende, ſteife Geor- gine, von deren neueſten etikettirten Schattirungen alle Beete ſtrotzen, während die dankbare, beſcheidene, anſpruchsloſe Reſeda, desgleichen Levkoie, Aurikel, Geisblatt und viele andre liebe Jugendfreunde bäuriſch und altfränkiſch gefunden werden und verbannt ſind. Selbſt die herrliche blaßrothe Centifolie iſt ſchon nahezu verdrängt von hochrothen Gärtner- neuheiten mit franzöſiſchen Generals- und Banquiersnamen, deren Ruhm und Anſehn längſt verblichen. Bei Anlagen der Wege wird ferner zu ſelten unter- ſchieden zwiſchen Haupt- und Nebenſachen. Wo reiche Hilfs- quellen zu Gebote ſtehen, mag man ſogenannte Promenaden- wege auf alle benachbarten Bergſpitzen führen, die erſte Sorge ſoll aber ſtets ſein, wenigſtens Einen Pfad zu bauen, der in möglichſt ebener Linie und im Walde eine tüchtige Strecke weit fortläuft und nahe am Orte beginnt, denn ſchwächere Kräfte müſſen ſonſt auf die Labung eines Waldſpaziergangs ganz verzichten. Rüſtige Wanderfüße pflegen auch durch rauhe Pfade ſich nicht abhalten zu laſſen, Berge mit Fern- ſichten zu erklimmen. Mehre deutſche Badeorte erſten Ranges

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/119>, abgerufen am 22.11.2024.