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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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IV. Frühaufstehen -- Essen und Trinken.
habe ich nie einen Unterschied finden können, ob ich zu Fuße,
zu Wasser, zu Wagen oder beritten ankam.

Was in den Büchern sowie in den Sprüchwörtern aller
Völker über Frühaufstehen an's Herz gelegt wird, braucht
hier auch nicht ausgeführt zu werden, denn wir wissen Alle,
daß zu Leistungen jeder Art, körperlichen wie geistigen, der
Morgen die beste Zeit ist. Wer ihn durch spätes Aufstehen
verkürzt oder in nichtigen Dingen vergeudet, weiß nicht was
er thut. Der Verständige bricht lieber im Dunkel auf, um
nicht im späten Abenddunkel das Ziel zu erreichen. Von be-
sonderem Werthe sind die frühen Morgenstunden, wenn es
gilt, Firnfelder und Schneebrücken zu überschreiten, bevor
die Sonne sie bearbeitet hat.

Vor starken Märschen ist ein Frühstück von Kaffee, Weiß-
brod und Butter räthlicher, als schwere Fleischkost, weil große
Körperanstrengung und Verdauungsthätigkeit sich gegenseitig
erschweren und viel Fleischessen den Durst steigert. Andrer-
seits soll aber auch nicht ganz nüchtern aufgebrochen oder zu
lange und bis zur Erschöpfung gewandert werden, ohne von
Neuem etwas zu sich zu nehmen. Daß zwei Tassen Kaffee
durch eine versäumte Morgenstunde unter Umständen theuer
erkauft sein können, wir also in solchen Ausnahmefällen uns
mit einem Trunk Milch oder Wasser und einem Mund voll
Brod zu begnügen haben, leuchtet ein. Manche kauen ein
paar Kaffeebohnen und ein Stück Zucker und versichern, daß
Zunge und Magen dies als billige Abschlagszahlung an-
nehmen. Jedenfalls schmeckt das warme Frühstück um so köst-
licher, wenn es erst nach zweistündiger Wanderung einge-
nommen wird. Ein Schluck feuriger Wein mit einigen Bissen
Brod und Fleisch genügen als zweites Frühstück zur Auf-
munterung der Kräfte und Abhaltung oder Dämpfung des
in hohen Regionen nicht seltenen Gefühls der Schwere in
den Gliedern. Namentlich gönne sich der Neuling von Zeit
zu Zeit einen weiteren Imbiß. Die eigentliche Malzeit ist
erst gegen Abend nach vollbrachtem Tagewerk zu nehmen.

IV. Frühaufſtehen — Eſſen und Trinken.
habe ich nie einen Unterſchied finden können, ob ich zu Fuße,
zu Waſſer, zu Wagen oder beritten ankam.

Was in den Büchern ſowie in den Sprüchwörtern aller
Völker über Frühaufſtehen an’s Herz gelegt wird, braucht
hier auch nicht ausgeführt zu werden, denn wir wiſſen Alle,
daß zu Leiſtungen jeder Art, körperlichen wie geiſtigen, der
Morgen die beſte Zeit iſt. Wer ihn durch ſpätes Aufſtehen
verkürzt oder in nichtigen Dingen vergeudet, weiß nicht was
er thut. Der Verſtändige bricht lieber im Dunkel auf, um
nicht im ſpäten Abenddunkel das Ziel zu erreichen. Von be-
ſonderem Werthe ſind die frühen Morgenſtunden, wenn es
gilt, Firnfelder und Schneebrücken zu überſchreiten, bevor
die Sonne ſie bearbeitet hat.

Vor ſtarken Märſchen iſt ein Frühſtück von Kaffee, Weiß-
brod und Butter räthlicher, als ſchwere Fleiſchkoſt, weil große
Körperanſtrengung und Verdauungsthätigkeit ſich gegenſeitig
erſchweren und viel Fleiſcheſſen den Durſt ſteigert. Andrer-
ſeits ſoll aber auch nicht ganz nüchtern aufgebrochen oder zu
lange und bis zur Erſchöpfung gewandert werden, ohne von
Neuem etwas zu ſich zu nehmen. Daß zwei Taſſen Kaffee
durch eine verſäumte Morgenſtunde unter Umſtänden theuer
erkauft ſein können, wir alſo in ſolchen Ausnahmefällen uns
mit einem Trunk Milch oder Waſſer und einem Mund voll
Brod zu begnügen haben, leuchtet ein. Manche kauen ein
paar Kaffeebohnen und ein Stück Zucker und verſichern, daß
Zunge und Magen dies als billige Abſchlagszahlung an-
nehmen. Jedenfalls ſchmeckt das warme Frühſtück um ſo köſt-
licher, wenn es erſt nach zweiſtündiger Wanderung einge-
nommen wird. Ein Schluck feuriger Wein mit einigen Biſſen
Brod und Fleiſch genügen als zweites Frühſtück zur Auf-
munterung der Kräfte und Abhaltung oder Dämpfung des
in hohen Regionen nicht ſeltenen Gefühls der Schwere in
den Gliedern. Namentlich gönne ſich der Neuling von Zeit
zu Zeit einen weiteren Imbiß. Die eigentliche Malzeit iſt
erſt gegen Abend nach vollbrachtem Tagewerk zu nehmen.

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[87/0101] IV. Frühaufſtehen — Eſſen und Trinken. habe ich nie einen Unterſchied finden können, ob ich zu Fuße, zu Waſſer, zu Wagen oder beritten ankam. Was in den Büchern ſowie in den Sprüchwörtern aller Völker über Frühaufſtehen an’s Herz gelegt wird, braucht hier auch nicht ausgeführt zu werden, denn wir wiſſen Alle, daß zu Leiſtungen jeder Art, körperlichen wie geiſtigen, der Morgen die beſte Zeit iſt. Wer ihn durch ſpätes Aufſtehen verkürzt oder in nichtigen Dingen vergeudet, weiß nicht was er thut. Der Verſtändige bricht lieber im Dunkel auf, um nicht im ſpäten Abenddunkel das Ziel zu erreichen. Von be- ſonderem Werthe ſind die frühen Morgenſtunden, wenn es gilt, Firnfelder und Schneebrücken zu überſchreiten, bevor die Sonne ſie bearbeitet hat. Vor ſtarken Märſchen iſt ein Frühſtück von Kaffee, Weiß- brod und Butter räthlicher, als ſchwere Fleiſchkoſt, weil große Körperanſtrengung und Verdauungsthätigkeit ſich gegenſeitig erſchweren und viel Fleiſcheſſen den Durſt ſteigert. Andrer- ſeits ſoll aber auch nicht ganz nüchtern aufgebrochen oder zu lange und bis zur Erſchöpfung gewandert werden, ohne von Neuem etwas zu ſich zu nehmen. Daß zwei Taſſen Kaffee durch eine verſäumte Morgenſtunde unter Umſtänden theuer erkauft ſein können, wir alſo in ſolchen Ausnahmefällen uns mit einem Trunk Milch oder Waſſer und einem Mund voll Brod zu begnügen haben, leuchtet ein. Manche kauen ein paar Kaffeebohnen und ein Stück Zucker und verſichern, daß Zunge und Magen dies als billige Abſchlagszahlung an- nehmen. Jedenfalls ſchmeckt das warme Frühſtück um ſo köſt- licher, wenn es erſt nach zweiſtündiger Wanderung einge- nommen wird. Ein Schluck feuriger Wein mit einigen Biſſen Brod und Fleiſch genügen als zweites Frühſtück zur Auf- munterung der Kräfte und Abhaltung oder Dämpfung des in hohen Regionen nicht ſeltenen Gefühls der Schwere in den Gliedern. Namentlich gönne ſich der Neuling von Zeit zu Zeit einen weiteren Imbiß. Die eigentliche Malzeit iſt erſt gegen Abend nach vollbrachtem Tagewerk zu nehmen.

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/101>, abgerufen am 01.05.2024.