fernt, und das leiblicher Wohl Aller ist gesichert. Aber hier ist es Zeit zu sagen, der Mensch lebt nicht vom Brod allein. Jn- dem auch hier alle Thätigkeit in den Staat, in die Gesammtheit fällt, so ist der Einzelne zwar keine Maschine mehr, wie bei Cabet; aber ein Kind bleibt er dem Vater gegenüber, und ganz abgesehen von der Verletzung des Eigenthums, ist auch hier der Freiheit des Einzelnen nicht genügende Rechnung getragen. Wie im Platonischen Staate, bestimmen die Herrscher den Stand der Einzelnen, mit Ausschluß der freien Wahl. Jn dem Sohne kommt die Persönlichkeit des Vaters zu einem über den Tod hin- ausreichenden Dasein, und auch diese Unendlichkeit der Person wird in dem Abschneiden der Erbschaft aufgehoben; außerdem, daß alles Eigenthum in todte Hand geräth, und dadurch, wie die Erfahrung lehrt, viel träger wird.
So tritt uns Fourier an die Stelle der Saint-Simonisten, der, indem er das Eigenthum durch die Erbschaft bestehen ließ, nicht mehr als ein Gemeinschaftslehrer gelten kann, sondern zu den Vereinslehrern gerechnet werden muß. Auch er ging davon aus, wie die Saint-Simonisten, eine Anweisung zum Glück zu geben, das er in dem Einklang der Triebe und ihrer Befriedigung erblickte; und da er den Trieb Anziehung, seine Be- friedigung die Bestimmung des Menschen nennt, so stellt er als obersten Grundsatz des Glücks auf, daß Anziehung und Bestim- mung in harmonischem Verhältnisse stehen müssen. Den Reihen der menschlichen Triebe sollen hierbei immer die Reihen der vor- zunehmenden Arbeiten entsprechen; und Fourier hat hier den sehr richtigen Gedanken ausgesprochen, daß der Mensch durch die Ar- beit den Gegensatz des Geistes und der Natur überwindet, darin seine wahre Freiheit darstellt und sein Einzelleben in Einklang mit dem Leben des Alls bringt. Diesen Gedanken, der in der Natur in seiner vollen Wahrheit dasteht, läßt Fourier aber auch in der menschlichen Gesellschaft in solcher Unbeschränktheit stehen, daß damit eben die Freiheit des Einzelnen unverträglich erscheint. Die menschlichen Triebe ordnet er in Reihen und Gruppen ein. Jede Gruppe habe wieder ihre Unterabtheilungen, wie z. B. der Bienenbau eine solche Unterabtheilung im Ackerbau sei. Die Gruppe sei freiwillig gebildet durch mehrere Arbeiter, welche der
fernt, und das leiblicher Wohl Aller iſt geſichert. Aber hier iſt es Zeit zu ſagen, der Menſch lebt nicht vom Brod allein. Jn- dem auch hier alle Thätigkeit in den Staat, in die Geſammtheit fällt, ſo iſt der Einzelne zwar keine Maſchine mehr, wie bei Cabet; aber ein Kind bleibt er dem Vater gegenüber, und ganz abgeſehen von der Verletzung des Eigenthums, iſt auch hier der Freiheit des Einzelnen nicht genügende Rechnung getragen. Wie im Platoniſchen Staate, beſtimmen die Herrſcher den Stand der Einzelnen, mit Ausſchluß der freien Wahl. Jn dem Sohne kommt die Perſönlichkeit des Vaters zu einem über den Tod hin- ausreichenden Daſein, und auch dieſe Unendlichkeit der Perſon wird in dem Abſchneiden der Erbſchaft aufgehoben; außerdem, daß alles Eigenthum in todte Hand geräth, und dadurch, wie die Erfahrung lehrt, viel träger wird.
So tritt uns Fourier an die Stelle der Saint-Simoniſten, der, indem er das Eigenthum durch die Erbſchaft beſtehen ließ, nicht mehr als ein Gemeinſchaftslehrer gelten kann, ſondern zu den Vereinslehrern gerechnet werden muß. Auch er ging davon aus, wie die Saint-Simoniſten, eine Anweiſung zum Glück zu geben, das er in dem Einklang der Triebe und ihrer Befriedigung erblickte; und da er den Trieb Anziehung, ſeine Be- friedigung die Beſtimmung des Menſchen nennt, ſo ſtellt er als oberſten Grundſatz des Glücks auf, daß Anziehung und Beſtim- mung in harmoniſchem Verhältniſſe ſtehen müſſen. Den Reihen der menſchlichen Triebe ſollen hierbei immer die Reihen der vor- zunehmenden Arbeiten entſprechen; und Fourier hat hier den ſehr richtigen Gedanken ausgeſprochen, daß der Menſch durch die Ar- beit den Gegenſatz des Geiſtes und der Natur überwindet, darin ſeine wahre Freiheit darſtellt und ſein Einzelleben in Einklang mit dem Leben des Alls bringt. Dieſen Gedanken, der in der Natur in ſeiner vollen Wahrheit daſteht, läßt Fourier aber auch in der menſchlichen Geſellſchaft in ſolcher Unbeſchränktheit ſtehen, daß damit eben die Freiheit des Einzelnen unverträglich erſcheint. Die menſchlichen Triebe ordnet er in Reihen und Gruppen ein. Jede Gruppe habe wieder ihre Unterabtheilungen, wie z. B. der Bienenbau eine ſolche Unterabtheilung im Ackerbau ſei. Die Gruppe ſei freiwillig gebildet durch mehrere Arbeiter, welche der
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fernt, und das leiblicher Wohl Aller iſt geſichert. Aber hier iſt
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dem auch hier alle Thätigkeit in den Staat, in die Geſammtheit
fällt, ſo iſt der Einzelne zwar keine Maſchine mehr, wie bei
Cabet; aber ein Kind bleibt er dem Vater gegenüber, und ganz
abgeſehen von der Verletzung des Eigenthums, iſt auch hier der
Freiheit des Einzelnen nicht genügende Rechnung getragen. Wie
im Platoniſchen Staate, beſtimmen die Herrſcher den Stand der
Einzelnen, mit Ausſchluß der freien Wahl. Jn dem Sohne
kommt die Perſönlichkeit des Vaters zu einem über den Tod hin-
ausreichenden Daſein, und auch dieſe Unendlichkeit der Perſon wird
in dem Abſchneiden der Erbſchaft aufgehoben; außerdem, daß alles
Eigenthum in todte Hand geräth, und dadurch, wie die Erfahrung
lehrt, viel träger wird.
So tritt uns Fourier an die Stelle der Saint-Simoniſten,
der, indem er das Eigenthum durch die Erbſchaft beſtehen ließ,
nicht mehr als ein Gemeinſchaftslehrer gelten kann, ſondern zu
den Vereinslehrern gerechnet werden muß. Auch er ging
davon aus, wie die Saint-Simoniſten, eine Anweiſung zum
Glück zu geben, das er in dem Einklang der Triebe und ihrer
Befriedigung erblickte; und da er den Trieb Anziehung, ſeine Be-
friedigung die Beſtimmung des Menſchen nennt, ſo ſtellt er als
oberſten Grundſatz des Glücks auf, daß Anziehung und Beſtim-
mung in harmoniſchem Verhältniſſe ſtehen müſſen. Den Reihen
der menſchlichen Triebe ſollen hierbei immer die Reihen der vor-
zunehmenden Arbeiten entſprechen; und Fourier hat hier den ſehr
richtigen Gedanken ausgeſprochen, daß der Menſch durch die Ar-
beit den Gegenſatz des Geiſtes und der Natur überwindet, darin
ſeine wahre Freiheit darſtellt und ſein Einzelleben in Einklang
mit dem Leben des Alls bringt. Dieſen Gedanken, der in der
Natur in ſeiner vollen Wahrheit daſteht, läßt Fourier aber auch
in der menſchlichen Geſellſchaft in ſolcher Unbeſchränktheit ſtehen,
daß damit eben die Freiheit des Einzelnen unverträglich erſcheint.
Die menſchlichen Triebe ordnet er in Reihen und Gruppen ein.
Jede Gruppe habe wieder ihre Unterabtheilungen, wie z. B. der
Bienenbau eine ſolche Unterabtheilung im Ackerbau ſei. Die
Gruppe ſei freiwillig gebildet durch mehrere Arbeiter, welche der
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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/83>, abgerufen am 16.02.2025.
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