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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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setzt werden; aber der Genuß muß auch der öffentlichen Gesellig-
keit, besonders bei freien Völkern, zufallen. Auch in der Familie
wird der Genuß erleichtert, wenn die gemeinsame Vorsorge mehre-
rer Familien eintritt. Jn dieser Rücksicht werden mit Recht
Familien-Vereine empfohlen: also z. B. Gemeinsamkeit des
Lebens aller Arbeiter großer gewerblicher Anstalten; ferner bei
den Gemeinde-Bezirken und Gewerken gemeinsame Anschaffung
der theuern oder bedeutenderen Lebens- und Winterbedürfnisse, wie
Korn, Oel, Holz, Torf, im Großen, und Abgabe derselben nach
Bedarf an die einzelnen Familien gegen Geld oder Arbeit; billige
Verträge mit Bäckern u. s. w. Auf diese Weise würden die Fa-
milien bedeutend wohlfeiler leben können; und es versteht sich,
daß alles dieses wieder durch unsere Gemeinde-Banken vermittelt
werden müßte.

Die öffentliche Geselligkeit ist wieder eine doppelte, die
der Bezirks-Vereine und die der Arbeiter-Vereine. Es
schadet nichts, daß Beide sich kreuzen. Der Bezirk hat ein enge-
meinsamen Versammlungsort, so gut wie der Arbeiterzweig; es
müssen großartige Gesellschaftshäuser sein. Die sich vereinzelnden
Arbeiter haben nur die Eine Geselligkeit, die Andern wählen, wo
sie ihren Abend zubringen wollen: im Bezirksvereine, in ihrer Ar-
beiter-Zusammenkunft, zu Hause -- allein oder in Gesellschaft. Jn
den öffentlichen Vereinen wechselt gesellige Unterhaltung, Belehrung,
Musik und Tanz; so daß sie, umgekehrt als der Handwerkerver-
ein, aus der Gliederung des Genusses wieder an das Gebiet der
Bildungsanstalt anstreifen. Auch für die, welche gemeinsam essen
wollen, muß gesorgt werden; und der gemeinsame Tisch der Be-
zirks- oder Gemeinde-Genossen nach vollendeter Arbeit würde eine
neue Ersparniß für die Wollenden sein, wenn er auch besser be-
stellt, mit Musik, Blumen u. s. w. gewürzt würde, und durch die
ermöglichte Mannigfaltigkeit jeden Geschmack befriedigen könnte.
Das Frühstück wäre dagegen vorzugsweise das Mahl der Familie.
Nicht nur Handwerker, Kaufleute, auch Universitätsmitglieder
und Andere haben solche gemeinsame Mittelpunkte, mit Bibliothe-
ken, Lesezimmern, Spielzimmern u. s. w. Wie in den Bezirks-
vereinen alle Stände zusammenkommen und hier eben ihre An-
näherung und Ausgleichung sich von selber machen muß, so kann

ſetzt werden; aber der Genuß muß auch der öffentlichen Geſellig-
keit, beſonders bei freien Völkern, zufallen. Auch in der Familie
wird der Genuß erleichtert, wenn die gemeinſame Vorſorge mehre-
rer Familien eintritt. Jn dieſer Rückſicht werden mit Recht
Familien-Vereine empfohlen: alſo z. B. Gemeinſamkeit des
Lebens aller Arbeiter großer gewerblicher Anſtalten; ferner bei
den Gemeinde-Bezirken und Gewerken gemeinſame Anſchaffung
der theuern oder bedeutenderen Lebens- und Winterbedürfniſſe, wie
Korn, Oel, Holz, Torf, im Großen, und Abgabe derſelben nach
Bedarf an die einzelnen Familien gegen Geld oder Arbeit; billige
Verträge mit Bäckern u. ſ. w. Auf dieſe Weiſe würden die Fa-
milien bedeutend wohlfeiler leben können; und es verſteht ſich,
daß alles dieſes wieder durch unſere Gemeinde-Banken vermittelt
werden müßte.

Die öffentliche Geſelligkeit iſt wieder eine doppelte, die
der Bezirks-Vereine und die der Arbeiter-Vereine. Es
ſchadet nichts, daß Beide ſich kreuzen. Der Bezirk hat ein enge-
meinſamen Verſammlungsort, ſo gut wie der Arbeiterzweig; es
müſſen großartige Geſellſchaftshäuſer ſein. Die ſich vereinzelnden
Arbeiter haben nur die Eine Geſelligkeit, die Andern wählen, wo
ſie ihren Abend zubringen wollen: im Bezirksvereine, in ihrer Ar-
beiter-Zuſammenkunft, zu Hauſe — allein oder in Geſellſchaft. Jn
den öffentlichen Vereinen wechſelt geſellige Unterhaltung, Belehrung,
Muſik und Tanz; ſo daß ſie, umgekehrt als der Handwerkerver-
ein, aus der Gliederung des Genuſſes wieder an das Gebiet der
Bildungsanſtalt anſtreifen. Auch für die, welche gemeinſam eſſen
wollen, muß geſorgt werden; und der gemeinſame Tiſch der Be-
zirks- oder Gemeinde-Genoſſen nach vollendeter Arbeit würde eine
neue Erſparniß für die Wollenden ſein, wenn er auch beſſer be-
ſtellt, mit Muſik, Blumen u. ſ. w. gewürzt würde, und durch die
ermöglichte Mannigfaltigkeit jeden Geſchmack befriedigen könnte.
Das Frühſtück wäre dagegen vorzugsweiſe das Mahl der Familie.
Nicht nur Handwerker, Kaufleute, auch Univerſitätsmitglieder
und Andere haben ſolche gemeinſame Mittelpunkte, mit Bibliothe-
ken, Leſezimmern, Spielzimmern u. ſ. w. Wie in den Bezirks-
vereinen alle Stände zuſammenkommen und hier eben ihre An-
näherung und Ausgleichung ſich von ſelber machen muß, ſo kann

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[125/0135] ſetzt werden; aber der Genuß muß auch der öffentlichen Geſellig- keit, beſonders bei freien Völkern, zufallen. Auch in der Familie wird der Genuß erleichtert, wenn die gemeinſame Vorſorge mehre- rer Familien eintritt. Jn dieſer Rückſicht werden mit Recht Familien-Vereine empfohlen: alſo z. B. Gemeinſamkeit des Lebens aller Arbeiter großer gewerblicher Anſtalten; ferner bei den Gemeinde-Bezirken und Gewerken gemeinſame Anſchaffung der theuern oder bedeutenderen Lebens- und Winterbedürfniſſe, wie Korn, Oel, Holz, Torf, im Großen, und Abgabe derſelben nach Bedarf an die einzelnen Familien gegen Geld oder Arbeit; billige Verträge mit Bäckern u. ſ. w. Auf dieſe Weiſe würden die Fa- milien bedeutend wohlfeiler leben können; und es verſteht ſich, daß alles dieſes wieder durch unſere Gemeinde-Banken vermittelt werden müßte. Die öffentliche Geſelligkeit iſt wieder eine doppelte, die der Bezirks-Vereine und die der Arbeiter-Vereine. Es ſchadet nichts, daß Beide ſich kreuzen. Der Bezirk hat ein enge- meinſamen Verſammlungsort, ſo gut wie der Arbeiterzweig; es müſſen großartige Geſellſchaftshäuſer ſein. Die ſich vereinzelnden Arbeiter haben nur die Eine Geſelligkeit, die Andern wählen, wo ſie ihren Abend zubringen wollen: im Bezirksvereine, in ihrer Ar- beiter-Zuſammenkunft, zu Hauſe — allein oder in Geſellſchaft. Jn den öffentlichen Vereinen wechſelt geſellige Unterhaltung, Belehrung, Muſik und Tanz; ſo daß ſie, umgekehrt als der Handwerkerver- ein, aus der Gliederung des Genuſſes wieder an das Gebiet der Bildungsanſtalt anſtreifen. Auch für die, welche gemeinſam eſſen wollen, muß geſorgt werden; und der gemeinſame Tiſch der Be- zirks- oder Gemeinde-Genoſſen nach vollendeter Arbeit würde eine neue Erſparniß für die Wollenden ſein, wenn er auch beſſer be- ſtellt, mit Muſik, Blumen u. ſ. w. gewürzt würde, und durch die ermöglichte Mannigfaltigkeit jeden Geſchmack befriedigen könnte. Das Frühſtück wäre dagegen vorzugsweiſe das Mahl der Familie. Nicht nur Handwerker, Kaufleute, auch Univerſitätsmitglieder und Andere haben ſolche gemeinſame Mittelpunkte, mit Bibliothe- ken, Leſezimmern, Spielzimmern u. ſ. w. Wie in den Bezirks- vereinen alle Stände zuſammenkommen und hier eben ihre An- näherung und Ausgleichung ſich von ſelber machen muß, ſo kann

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/135>, abgerufen am 23.11.2024.