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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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sammenlebens erzeugte, war die Theilung der Arbeit. Der
einfache Landmann, im Stande der Unschuld und des Paradieses
lebend, bedurfte noch nicht der Gemeinschaft, weil er die Theilung
der Arbeit nicht kannte. Was den Charakter des Römischen und
des Lehns-Eigenthums und folglich seine Kraft machte, war dies,
daß durch das Ungetheiltsein der gewerblichen Thätigkeiten der
Eigenthümer durch sich selbst fast Alles erzeugte, dessen er bedurfte,
nie borgend, wenig kaufend und verkaufend, dem Umsatz des Gel-
des fremd, befreit also von der Knechtschaft des Umlaufs. Der
Grund-Eigenthümer sich selbst genug durch die Mannigfaltigkeit
seiner Erzeugnisse, durch sich selbst oder die Seinigen alle Gewerbe
ausübend, brauchte Niemanden. Das Eigenthum, durch diese Viel-
seitigkeit gewährleistet, war für den Umlauf und den Credit un-
zugänglich; es lebte für sich und durch sich, uneinnehmbar, un-
veränderlich. Jemehr wir in der Geschichte zurückgehen, je allge-
meiner ist diese Untheilbarkeit. Die Sklaven der griechischen Fa-
milie waren wie die Hände des Familienhaupts, das durch sie
alle Mittel für seine Bedürfnisse befriedigte. Die Theilung der
Arbeit hat bei steigendem Gewerbfleiße sich nicht nur in dem Ge-
werbe, sondern auch im Ackerbau Geltung verschafft. Jm Fabrik-
wesen hat sie die höchste Spitze erreicht, indem hier nicht einmal,
wie beim Handwerk, das Ganze eines getheilten Bedürfnisses, ein
Schuh, ein Rock gemacht wird, sondern ein ganz getheiltes Be-
dürfniß, wie eine Nadel, noch einmal getheilt wird, indem jeder
Arbeiter nur einen Theil derselben macht.

War die Sonderung der Einzelnen, bei der ungetheilten Ar-
beit, die Kraft des Eigenthümers: so ist sie jetzt, nachdem die
Theilung der Arbeit selbst im Ackerbau eingetreten ist, die
Schwäche des Arbeiters. Wie seine Arbeit, ist er Stückwerk,
das nur durch den Verein wieder zu einem Ganzen werden kann.
Die kleinen Grundbesitzer müssen ihre Grundstücke zusammenlegen
und sie vereint bearbeiten lassen. So erlangen sie alle Vortheile
der großen Landwirthschaft, ohne deren Nachtheile. Denn wenn
gesagt wird, daß man aus großen Grundstücken verhältnißmäßig
nicht so viel Nutzen zieht, als aus kleinen, weil diese durch die
Thätigkeit des Eigenthümers besser bearbeitet werden, so wird
auf dem angegebenen Wege dieser Vortheil mit dem der großen

ſammenlebens erzeugte, war die Theilung der Arbeit. Der
einfache Landmann, im Stande der Unſchuld und des Paradieſes
lebend, bedurfte noch nicht der Gemeinſchaft, weil er die Theilung
der Arbeit nicht kannte. Was den Charakter des Römiſchen und
des Lehns-Eigenthums und folglich ſeine Kraft machte, war dies,
daß durch das Ungetheiltſein der gewerblichen Thätigkeiten der
Eigenthümer durch ſich ſelbſt faſt Alles erzeugte, deſſen er bedurfte,
nie borgend, wenig kaufend und verkaufend, dem Umſatz des Gel-
des fremd, befreit alſo von der Knechtſchaft des Umlaufs. Der
Grund-Eigenthümer ſich ſelbſt genug durch die Mannigfaltigkeit
ſeiner Erzeugniſſe, durch ſich ſelbſt oder die Seinigen alle Gewerbe
ausübend, brauchte Niemanden. Das Eigenthum, durch dieſe Viel-
ſeitigkeit gewährleiſtet, war für den Umlauf und den Credit un-
zugänglich; es lebte für ſich und durch ſich, uneinnehmbar, un-
veränderlich. Jemehr wir in der Geſchichte zurückgehen, je allge-
meiner iſt dieſe Untheilbarkeit. Die Sklaven der griechiſchen Fa-
milie waren wie die Hände des Familienhaupts, das durch ſie
alle Mittel für ſeine Bedürfniſſe befriedigte. Die Theilung der
Arbeit hat bei ſteigendem Gewerbfleiße ſich nicht nur in dem Ge-
werbe, ſondern auch im Ackerbau Geltung verſchafft. Jm Fabrik-
weſen hat ſie die höchſte Spitze erreicht, indem hier nicht einmal,
wie beim Handwerk, das Ganze eines getheilten Bedürfniſſes, ein
Schuh, ein Rock gemacht wird, ſondern ein ganz getheiltes Be-
dürfniß, wie eine Nadel, noch einmal getheilt wird, indem jeder
Arbeiter nur einen Theil derſelben macht.

War die Sonderung der Einzelnen, bei der ungetheilten Ar-
beit, die Kraft des Eigenthümers: ſo iſt ſie jetzt, nachdem die
Theilung der Arbeit ſelbſt im Ackerbau eingetreten iſt, die
Schwäche des Arbeiters. Wie ſeine Arbeit, iſt er Stückwerk,
das nur durch den Verein wieder zu einem Ganzen werden kann.
Die kleinen Grundbeſitzer müſſen ihre Grundſtücke zuſammenlegen
und ſie vereint bearbeiten laſſen. So erlangen ſie alle Vortheile
der großen Landwirthſchaft, ohne deren Nachtheile. Denn wenn
geſagt wird, daß man aus großen Grundſtücken verhältnißmäßig
nicht ſo viel Nutzen zieht, als aus kleinen, weil dieſe durch die
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auf dem angegebenen Wege dieſer Vortheil mit dem der großen

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[91/0101] ſammenlebens erzeugte, war die Theilung der Arbeit. Der einfache Landmann, im Stande der Unſchuld und des Paradieſes lebend, bedurfte noch nicht der Gemeinſchaft, weil er die Theilung der Arbeit nicht kannte. Was den Charakter des Römiſchen und des Lehns-Eigenthums und folglich ſeine Kraft machte, war dies, daß durch das Ungetheiltſein der gewerblichen Thätigkeiten der Eigenthümer durch ſich ſelbſt faſt Alles erzeugte, deſſen er bedurfte, nie borgend, wenig kaufend und verkaufend, dem Umſatz des Gel- des fremd, befreit alſo von der Knechtſchaft des Umlaufs. Der Grund-Eigenthümer ſich ſelbſt genug durch die Mannigfaltigkeit ſeiner Erzeugniſſe, durch ſich ſelbſt oder die Seinigen alle Gewerbe ausübend, brauchte Niemanden. Das Eigenthum, durch dieſe Viel- ſeitigkeit gewährleiſtet, war für den Umlauf und den Credit un- zugänglich; es lebte für ſich und durch ſich, uneinnehmbar, un- veränderlich. Jemehr wir in der Geſchichte zurückgehen, je allge- meiner iſt dieſe Untheilbarkeit. Die Sklaven der griechiſchen Fa- milie waren wie die Hände des Familienhaupts, das durch ſie alle Mittel für ſeine Bedürfniſſe befriedigte. Die Theilung der Arbeit hat bei ſteigendem Gewerbfleiße ſich nicht nur in dem Ge- werbe, ſondern auch im Ackerbau Geltung verſchafft. Jm Fabrik- weſen hat ſie die höchſte Spitze erreicht, indem hier nicht einmal, wie beim Handwerk, das Ganze eines getheilten Bedürfniſſes, ein Schuh, ein Rock gemacht wird, ſondern ein ganz getheiltes Be- dürfniß, wie eine Nadel, noch einmal getheilt wird, indem jeder Arbeiter nur einen Theil derſelben macht. War die Sonderung der Einzelnen, bei der ungetheilten Ar- beit, die Kraft des Eigenthümers: ſo iſt ſie jetzt, nachdem die Theilung der Arbeit ſelbſt im Ackerbau eingetreten iſt, die Schwäche des Arbeiters. Wie ſeine Arbeit, iſt er Stückwerk, das nur durch den Verein wieder zu einem Ganzen werden kann. Die kleinen Grundbeſitzer müſſen ihre Grundſtücke zuſammenlegen und ſie vereint bearbeiten laſſen. So erlangen ſie alle Vortheile der großen Landwirthſchaft, ohne deren Nachtheile. Denn wenn geſagt wird, daß man aus großen Grundſtücken verhältnißmäßig nicht ſo viel Nutzen zieht, als aus kleinen, weil dieſe durch die Thätigkeit des Eigenthümers beſſer bearbeitet werden, ſo wird auf dem angegebenen Wege dieſer Vortheil mit dem der großen

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/101>, abgerufen am 23.11.2024.