Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.kräftiger betonen lassen, als es ursprünglich ihre Absicht gewesen. Tobias sah sie erschreckt an und flüsterte: Nur nicht so laut! Du bist immer gleich so hitzig! -- mir ist's mehr um dich gewesen, als um mich, wenn ich gemeint hab', ich könnt' wieder gehen! Am Ende, was frag' ich darnach? Aber du bist hier im Dienst -- Ich fürcht' mich aber nicht, mein lieber Tobias, entgegnete die Bäbe. -- Nun, versetzte der Bursche, aus der Noth eine Tugend machend, nach einer kleinen Pause, wenn du dich nicht fürchtest, dann fürcht' ich mich auch nicht. In Teufels Namen -- so gock' mich! -- Das Mädchen, welches die Zeit verstreichen sah, stellte sich zurecht, rief mit einem gewissen Commando-Ton: Mach!' -- und nach einer Secunde saß Tobias wie Eginhard oder wie die Männer von Weinsberg, seine glücklichen Vorgänger. Die rüstige Bäbe trug den eben so geliebten wie leichten Schneider ohne Schwierigkeit die Stiege hinan. Da sie in Strümpfen ging, so war ihr Tritt fast unhörbar, und mit Sicherheit wurde eine Stufe um die andere überschritten. Tobias hatte die seltsamsten Gefühle. Ihm war's, als ob er träumte -- und doch war's keine Einbildung, was ihm widerfuhr. Er hielt mit seinen Armen den Hals der Geliebten umschlungen und fühlte an seinen Händen den Hauch ihres Mundes. -- Wie mußte sie ihn lieben, die gute Bäbe, daß sie das für ihn that und für ihn riskirte! Ja, sie hatte ihn wirklich gern! Sie war brav, sie war herzhaft und kräftiger betonen lassen, als es ursprünglich ihre Absicht gewesen. Tobias sah sie erschreckt an und flüsterte: Nur nicht so laut! Du bist immer gleich so hitzig! — mir ist's mehr um dich gewesen, als um mich, wenn ich gemeint hab', ich könnt' wieder gehen! Am Ende, was frag' ich darnach? Aber du bist hier im Dienst — Ich fürcht' mich aber nicht, mein lieber Tobias, entgegnete die Bäbe. — Nun, versetzte der Bursche, aus der Noth eine Tugend machend, nach einer kleinen Pause, wenn du dich nicht fürchtest, dann fürcht' ich mich auch nicht. In Teufels Namen — so gock' mich! — Das Mädchen, welches die Zeit verstreichen sah, stellte sich zurecht, rief mit einem gewissen Commando-Ton: Mach!' — und nach einer Secunde saß Tobias wie Eginhard oder wie die Männer von Weinsberg, seine glücklichen Vorgänger. Die rüstige Bäbe trug den eben so geliebten wie leichten Schneider ohne Schwierigkeit die Stiege hinan. Da sie in Strümpfen ging, so war ihr Tritt fast unhörbar, und mit Sicherheit wurde eine Stufe um die andere überschritten. Tobias hatte die seltsamsten Gefühle. Ihm war's, als ob er träumte — und doch war's keine Einbildung, was ihm widerfuhr. Er hielt mit seinen Armen den Hals der Geliebten umschlungen und fühlte an seinen Händen den Hauch ihres Mundes. — Wie mußte sie ihn lieben, die gute Bäbe, daß sie das für ihn that und für ihn riskirte! Ja, sie hatte ihn wirklich gern! Sie war brav, sie war herzhaft und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0098"/> kräftiger betonen lassen, als es ursprünglich ihre Absicht gewesen. Tobias sah sie erschreckt an und flüsterte: Nur nicht so laut! Du bist immer gleich so hitzig! — mir ist's mehr um dich gewesen, als um mich, wenn ich gemeint hab', ich könnt' wieder gehen! Am Ende, was frag' ich darnach? Aber du bist hier im Dienst — Ich fürcht' mich aber nicht, mein lieber Tobias, entgegnete die Bäbe. — Nun, versetzte der Bursche, aus der Noth eine Tugend machend, nach einer kleinen Pause, wenn du dich nicht fürchtest, dann fürcht' ich mich auch nicht. In Teufels Namen — so gock' mich! — Das Mädchen, welches die Zeit verstreichen sah, stellte sich zurecht, rief mit einem gewissen Commando-Ton: Mach!' — und nach einer Secunde saß Tobias wie Eginhard oder wie die Männer von Weinsberg, seine glücklichen Vorgänger.</p><lb/> <p>Die rüstige Bäbe trug den eben so geliebten wie leichten Schneider ohne Schwierigkeit die Stiege hinan. Da sie in Strümpfen ging, so war ihr Tritt fast unhörbar, und mit Sicherheit wurde eine Stufe um die andere überschritten. Tobias hatte die seltsamsten Gefühle. Ihm war's, als ob er träumte — und doch war's keine Einbildung, was ihm widerfuhr. Er hielt mit seinen Armen den Hals der Geliebten umschlungen und fühlte an seinen Händen den Hauch ihres Mundes. — Wie mußte sie ihn lieben, die gute Bäbe, daß sie das für ihn that und für ihn riskirte! Ja, sie hatte ihn wirklich gern! Sie war brav, sie war herzhaft und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0098]
kräftiger betonen lassen, als es ursprünglich ihre Absicht gewesen. Tobias sah sie erschreckt an und flüsterte: Nur nicht so laut! Du bist immer gleich so hitzig! — mir ist's mehr um dich gewesen, als um mich, wenn ich gemeint hab', ich könnt' wieder gehen! Am Ende, was frag' ich darnach? Aber du bist hier im Dienst — Ich fürcht' mich aber nicht, mein lieber Tobias, entgegnete die Bäbe. — Nun, versetzte der Bursche, aus der Noth eine Tugend machend, nach einer kleinen Pause, wenn du dich nicht fürchtest, dann fürcht' ich mich auch nicht. In Teufels Namen — so gock' mich! — Das Mädchen, welches die Zeit verstreichen sah, stellte sich zurecht, rief mit einem gewissen Commando-Ton: Mach!' — und nach einer Secunde saß Tobias wie Eginhard oder wie die Männer von Weinsberg, seine glücklichen Vorgänger.
Die rüstige Bäbe trug den eben so geliebten wie leichten Schneider ohne Schwierigkeit die Stiege hinan. Da sie in Strümpfen ging, so war ihr Tritt fast unhörbar, und mit Sicherheit wurde eine Stufe um die andere überschritten. Tobias hatte die seltsamsten Gefühle. Ihm war's, als ob er träumte — und doch war's keine Einbildung, was ihm widerfuhr. Er hielt mit seinen Armen den Hals der Geliebten umschlungen und fühlte an seinen Händen den Hauch ihres Mundes. — Wie mußte sie ihn lieben, die gute Bäbe, daß sie das für ihn that und für ihn riskirte! Ja, sie hatte ihn wirklich gern! Sie war brav, sie war herzhaft und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:49:07Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:49:07Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |