Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sagte: So, ich geh' jetzt ins Wirthshaus. -- Der Alte schmunzelte wohlwollend und sagte: Willst du dir Kurasche trinken? -- Dann setzte er hinzu: Halt noch ein wenig, ich geh' auch mit! -- Während er die Juppe anzog und die Pelzkappe aufsetzte, lächelte Tobias für sich hin, und Beide wandelten dann in einer Eintracht, wie man sie nie bei ihnen gesehen hatte, der Schenke zu. Dort angekommen, setzte sich der Sohn zu einigen Ledigen, der Vater zu älteren Männern, und beide Tische unterhielten sich gemüthlich über das Wetter, die zu erwartende Ernte und andere ländliche Gesprächs-Gegenstände. Als der Zeiger der Wirthsuhr zehn und ein Viertel wies, leerte Tobias den Rest seines "Krügle's", trat zu seinem Vater und sagte mit einem Blick, der seine Worte Lügen strafte: Ich bin müd und will einstweilen heimgehen. Du scheinst dich hier so gut zu unterhalten ---- -- Geh nur zu, fiel der Alte in behaglichem Brummton ein, ich brauch' dich nicht zum Heimgehen! -- Tobias wünschte allerseits Gutnacht und verließ die Stube. Er schlug den Weg zum Hause der Sibylle ein. Diese Vorsicht war sehr nöthig. Der Alte, plötzlich von einem Gedanken beunruhigt, verließ bald nach seinem Abgang die Stube, um vom Hof die Gasse hinabzusehen, die zum Weber führte. Als er den Sohn langsam darauf hinschlendern sah, freute sich seine Seele; er ging ins Wirthshaus zurück, bestellte noch eine Maß Braunes und pflanzte sich in die Ecke mit einem Be- sagte: So, ich geh' jetzt ins Wirthshaus. — Der Alte schmunzelte wohlwollend und sagte: Willst du dir Kurasche trinken? — Dann setzte er hinzu: Halt noch ein wenig, ich geh' auch mit! — Während er die Juppe anzog und die Pelzkappe aufsetzte, lächelte Tobias für sich hin, und Beide wandelten dann in einer Eintracht, wie man sie nie bei ihnen gesehen hatte, der Schenke zu. Dort angekommen, setzte sich der Sohn zu einigen Ledigen, der Vater zu älteren Männern, und beide Tische unterhielten sich gemüthlich über das Wetter, die zu erwartende Ernte und andere ländliche Gesprächs-Gegenstände. Als der Zeiger der Wirthsuhr zehn und ein Viertel wies, leerte Tobias den Rest seines „Krügle's“, trat zu seinem Vater und sagte mit einem Blick, der seine Worte Lügen strafte: Ich bin müd und will einstweilen heimgehen. Du scheinst dich hier so gut zu unterhalten —— — Geh nur zu, fiel der Alte in behaglichem Brummton ein, ich brauch' dich nicht zum Heimgehen! — Tobias wünschte allerseits Gutnacht und verließ die Stube. Er schlug den Weg zum Hause der Sibylle ein. Diese Vorsicht war sehr nöthig. Der Alte, plötzlich von einem Gedanken beunruhigt, verließ bald nach seinem Abgang die Stube, um vom Hof die Gasse hinabzusehen, die zum Weber führte. Als er den Sohn langsam darauf hinschlendern sah, freute sich seine Seele; er ging ins Wirthshaus zurück, bestellte noch eine Maß Braunes und pflanzte sich in die Ecke mit einem Be- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0091"/> sagte: So, ich geh' jetzt ins Wirthshaus. — Der Alte schmunzelte wohlwollend und sagte: Willst du dir Kurasche trinken? — Dann setzte er hinzu: Halt noch ein wenig, ich geh' auch mit! — Während er die Juppe anzog und die Pelzkappe aufsetzte, lächelte Tobias für sich hin, und Beide wandelten dann in einer Eintracht, wie man sie nie bei ihnen gesehen hatte, der Schenke zu. Dort angekommen, setzte sich der Sohn zu einigen Ledigen, der Vater zu älteren Männern, und beide Tische unterhielten sich gemüthlich über das Wetter, die zu erwartende Ernte und andere ländliche Gesprächs-Gegenstände. Als der Zeiger der Wirthsuhr zehn und ein Viertel wies, leerte Tobias den Rest seines „Krügle's“, trat zu seinem Vater und sagte mit einem Blick, der seine Worte Lügen strafte: Ich bin müd und will einstweilen heimgehen. Du scheinst dich hier so gut zu unterhalten —— — Geh nur zu, fiel der Alte in behaglichem Brummton ein, ich brauch' dich nicht zum Heimgehen! — Tobias wünschte allerseits Gutnacht und verließ die Stube.</p><lb/> <p>Er schlug den Weg zum Hause der Sibylle ein. Diese Vorsicht war sehr nöthig. Der Alte, plötzlich von einem Gedanken beunruhigt, verließ bald nach seinem Abgang die Stube, um vom Hof die Gasse hinabzusehen, die zum Weber führte. Als er den Sohn langsam darauf hinschlendern sah, freute sich seine Seele; er ging ins Wirthshaus zurück, bestellte noch eine Maß Braunes und pflanzte sich in die Ecke mit einem Be-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
sagte: So, ich geh' jetzt ins Wirthshaus. — Der Alte schmunzelte wohlwollend und sagte: Willst du dir Kurasche trinken? — Dann setzte er hinzu: Halt noch ein wenig, ich geh' auch mit! — Während er die Juppe anzog und die Pelzkappe aufsetzte, lächelte Tobias für sich hin, und Beide wandelten dann in einer Eintracht, wie man sie nie bei ihnen gesehen hatte, der Schenke zu. Dort angekommen, setzte sich der Sohn zu einigen Ledigen, der Vater zu älteren Männern, und beide Tische unterhielten sich gemüthlich über das Wetter, die zu erwartende Ernte und andere ländliche Gesprächs-Gegenstände. Als der Zeiger der Wirthsuhr zehn und ein Viertel wies, leerte Tobias den Rest seines „Krügle's“, trat zu seinem Vater und sagte mit einem Blick, der seine Worte Lügen strafte: Ich bin müd und will einstweilen heimgehen. Du scheinst dich hier so gut zu unterhalten —— — Geh nur zu, fiel der Alte in behaglichem Brummton ein, ich brauch' dich nicht zum Heimgehen! — Tobias wünschte allerseits Gutnacht und verließ die Stube.
Er schlug den Weg zum Hause der Sibylle ein. Diese Vorsicht war sehr nöthig. Der Alte, plötzlich von einem Gedanken beunruhigt, verließ bald nach seinem Abgang die Stube, um vom Hof die Gasse hinabzusehen, die zum Weber führte. Als er den Sohn langsam darauf hinschlendern sah, freute sich seine Seele; er ging ins Wirthshaus zurück, bestellte noch eine Maß Braunes und pflanzte sich in die Ecke mit einem Be-
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