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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Seite und sah gerade vor sich hin. Die Gelegenheit, ihn ungehindert zu betrachten, blieb von dem Mädchen nicht unbenutzt. Sie glaubte in seinem Gesicht Reue zu erkennen und fand es gut und lobenswerth, daß er wenigstens einsah, wie er sich gegen sie verfehlt hatte! --

Zwei Tage darauf begegneten sie sich wieder -- in der Hauptgasse des Dorfs -- in schöner, milder Abendstunde, die das Herz unseres vereinsamten Burschen weich gestimmt hatte. Das erstemal war ihm das fremde Wesen des Mädchens natürlich und in der Ordnung erschienen; als er sie aber jetzt mit seinem guten Auge wieder so gegen ihn herankommen und dadurch ihre Unversöhnlichkeit an den Tag legen sah, that es ihm doch weh. Ihm hatte sein Fehler so leid gethan, er hatte so viel ausgestanden, er hatte sie so gern und schätzte sie so hoch -- und sie that, als ob sie ihn nie gekannt hätte und er gar nicht in der Welt wäre. Die Augen wurden ihm feucht, als sie mit unveränderter Miene näher kam; und als sie an ihm vorübergegangen war, hatte er Mühe, seine Thränen zurückzuhalten. Das hieß einen Menschen, wie er war, doch gar zu sehr verachten! Daß sie ihn nicht grüßte, war natürlich; aber daß in ihrem Gesicht gar nichts zu sehen war von der alten Liebe, gar keine Spur, daß sie mit einander bekannt gewesen, das war nicht schön, -- und er hätte gedacht, daß sie ein besseres Herz hätte!

Würde der Bursche in dieses Herz gesehen haben, so wäre sein Schmerz um ein Gutes linder worden. Ein

Seite und sah gerade vor sich hin. Die Gelegenheit, ihn ungehindert zu betrachten, blieb von dem Mädchen nicht unbenutzt. Sie glaubte in seinem Gesicht Reue zu erkennen und fand es gut und lobenswerth, daß er wenigstens einsah, wie er sich gegen sie verfehlt hatte! —

Zwei Tage darauf begegneten sie sich wieder — in der Hauptgasse des Dorfs — in schöner, milder Abendstunde, die das Herz unseres vereinsamten Burschen weich gestimmt hatte. Das erstemal war ihm das fremde Wesen des Mädchens natürlich und in der Ordnung erschienen; als er sie aber jetzt mit seinem guten Auge wieder so gegen ihn herankommen und dadurch ihre Unversöhnlichkeit an den Tag legen sah, that es ihm doch weh. Ihm hatte sein Fehler so leid gethan, er hatte so viel ausgestanden, er hatte sie so gern und schätzte sie so hoch — und sie that, als ob sie ihn nie gekannt hätte und er gar nicht in der Welt wäre. Die Augen wurden ihm feucht, als sie mit unveränderter Miene näher kam; und als sie an ihm vorübergegangen war, hatte er Mühe, seine Thränen zurückzuhalten. Das hieß einen Menschen, wie er war, doch gar zu sehr verachten! Daß sie ihn nicht grüßte, war natürlich; aber daß in ihrem Gesicht gar nichts zu sehen war von der alten Liebe, gar keine Spur, daß sie mit einander bekannt gewesen, das war nicht schön, — und er hätte gedacht, daß sie ein besseres Herz hätte!

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[0077] Seite und sah gerade vor sich hin. Die Gelegenheit, ihn ungehindert zu betrachten, blieb von dem Mädchen nicht unbenutzt. Sie glaubte in seinem Gesicht Reue zu erkennen und fand es gut und lobenswerth, daß er wenigstens einsah, wie er sich gegen sie verfehlt hatte! — Zwei Tage darauf begegneten sie sich wieder — in der Hauptgasse des Dorfs — in schöner, milder Abendstunde, die das Herz unseres vereinsamten Burschen weich gestimmt hatte. Das erstemal war ihm das fremde Wesen des Mädchens natürlich und in der Ordnung erschienen; als er sie aber jetzt mit seinem guten Auge wieder so gegen ihn herankommen und dadurch ihre Unversöhnlichkeit an den Tag legen sah, that es ihm doch weh. Ihm hatte sein Fehler so leid gethan, er hatte so viel ausgestanden, er hatte sie so gern und schätzte sie so hoch — und sie that, als ob sie ihn nie gekannt hätte und er gar nicht in der Welt wäre. Die Augen wurden ihm feucht, als sie mit unveränderter Miene näher kam; und als sie an ihm vorübergegangen war, hatte er Mühe, seine Thränen zurückzuhalten. Das hieß einen Menschen, wie er war, doch gar zu sehr verachten! Daß sie ihn nicht grüßte, war natürlich; aber daß in ihrem Gesicht gar nichts zu sehen war von der alten Liebe, gar keine Spur, daß sie mit einander bekannt gewesen, das war nicht schön, — und er hätte gedacht, daß sie ein besseres Herz hätte! Würde der Bursche in dieses Herz gesehen haben, so wäre sein Schmerz um ein Gutes linder worden. Ein

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/77>, abgerufen am 27.11.2024.