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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ist's sein eigener Schaden, er wird sich wohl hüten! Und dann soll er erst sehen, wie ich bin, wenn ich Ernst mach'! Kreuz Donner und's Wetter! Wenn ich vor ihn hintret' und sag': ich will nicht, geh zum Henker mit deiner buckligen Sibylle! Heirath' sie selber, wenn du sie mit Gewalt haben willst! Ich bin zu gut dafür -- ich halt' zu viel auf mich, als daß ich so Eine möcht'! Pfui Teufel! Eine mit einer hohen Schulter! 's ist eine Sünd' und eine Schand', daß du von deinem Sohn verlangst, er soll so Eine nehmen, wo er die Schönste haben kann und die Geschickteste und die Gescheidteste! -- Er holte Athem und fuhr dann in erhöhtem Tone fort: Ja, ich will ihm den Kopf zurecht setzen, diesem bockbeinigen Mann; ich will ihm sagen, was er noch von Keinem gehört hat, ich will ihm --

Plötzlich hielt er inne. Wie durch einen Zauberspruch gelähmt, weiß wie Kreide stand er da und starrte mit halboffenem Munde nach rechts, als ob er dort etwas Entsetzliches erblickte. Die Bäbe sah erschreckt auf ihn; sie meinte, es hätte ihn der Schlag getroffen, und wollte ihn halten. Da rief neben dem Busch eine Stimme voll Grimm und Hohn: So! Das willst du thun? und der alte Schneider trat hervor und heftete seinen Blick auf den Unglücklichen.

Es war kein Ungefähr, das ihn hieher geführt. Kasper hatte in der Alltagsjuppe den Tabak vergessen gehabt, den er in Gesellschaft zweier Kameraden heimlich zu rauchen pflegte; auf dem Weg nach Hause sah

ist's sein eigener Schaden, er wird sich wohl hüten! Und dann soll er erst sehen, wie ich bin, wenn ich Ernst mach'! Kreuz Donner und's Wetter! Wenn ich vor ihn hintret' und sag': ich will nicht, geh zum Henker mit deiner buckligen Sibylle! Heirath' sie selber, wenn du sie mit Gewalt haben willst! Ich bin zu gut dafür — ich halt' zu viel auf mich, als daß ich so Eine möcht'! Pfui Teufel! Eine mit einer hohen Schulter! 's ist eine Sünd' und eine Schand', daß du von deinem Sohn verlangst, er soll so Eine nehmen, wo er die Schönste haben kann und die Geschickteste und die Gescheidteste! — Er holte Athem und fuhr dann in erhöhtem Tone fort: Ja, ich will ihm den Kopf zurecht setzen, diesem bockbeinigen Mann; ich will ihm sagen, was er noch von Keinem gehört hat, ich will ihm —

Plötzlich hielt er inne. Wie durch einen Zauberspruch gelähmt, weiß wie Kreide stand er da und starrte mit halboffenem Munde nach rechts, als ob er dort etwas Entsetzliches erblickte. Die Bäbe sah erschreckt auf ihn; sie meinte, es hätte ihn der Schlag getroffen, und wollte ihn halten. Da rief neben dem Busch eine Stimme voll Grimm und Hohn: So! Das willst du thun? und der alte Schneider trat hervor und heftete seinen Blick auf den Unglücklichen.

Es war kein Ungefähr, das ihn hieher geführt. Kasper hatte in der Alltagsjuppe den Tabak vergessen gehabt, den er in Gesellschaft zweier Kameraden heimlich zu rauchen pflegte; auf dem Weg nach Hause sah

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[0062] ist's sein eigener Schaden, er wird sich wohl hüten! Und dann soll er erst sehen, wie ich bin, wenn ich Ernst mach'! Kreuz Donner und's Wetter! Wenn ich vor ihn hintret' und sag': ich will nicht, geh zum Henker mit deiner buckligen Sibylle! Heirath' sie selber, wenn du sie mit Gewalt haben willst! Ich bin zu gut dafür — ich halt' zu viel auf mich, als daß ich so Eine möcht'! Pfui Teufel! Eine mit einer hohen Schulter! 's ist eine Sünd' und eine Schand', daß du von deinem Sohn verlangst, er soll so Eine nehmen, wo er die Schönste haben kann und die Geschickteste und die Gescheidteste! — Er holte Athem und fuhr dann in erhöhtem Tone fort: Ja, ich will ihm den Kopf zurecht setzen, diesem bockbeinigen Mann; ich will ihm sagen, was er noch von Keinem gehört hat, ich will ihm — Plötzlich hielt er inne. Wie durch einen Zauberspruch gelähmt, weiß wie Kreide stand er da und starrte mit halboffenem Munde nach rechts, als ob er dort etwas Entsetzliches erblickte. Die Bäbe sah erschreckt auf ihn; sie meinte, es hätte ihn der Schlag getroffen, und wollte ihn halten. Da rief neben dem Busch eine Stimme voll Grimm und Hohn: So! Das willst du thun? und der alte Schneider trat hervor und heftete seinen Blick auf den Unglücklichen. Es war kein Ungefähr, das ihn hieher geführt. Kasper hatte in der Alltagsjuppe den Tabak vergessen gehabt, den er in Gesellschaft zweier Kameraden heimlich zu rauchen pflegte; auf dem Weg nach Hause sah

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/62>, abgerufen am 27.11.2024.