Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.war zufrieden, durchaus zufrieden -- der Sohn hatte sich ihm gefügt -- sie war aufgeopfert! Mit dem reinsten Vergnügen erwiderte der alte Herr: Also der Tobias hat nachgegeben und heirathet die Tochter des Bach-Webers? Ihr seht, ich weiß schon Alles! -- Der alte Schneider zauderte zu reden, indem er bescheiden für sich hinlächelte. Der Pfarrer erinnerte sich, daß die Magd in der Stube war, und in der Meinung, daß der Vater vor dieser nicht mit der Sprache herauswolle, winkte er ihr und sagte: Bäbe, geh in die Küche! Das Mädchen hatte gesehen, wie Tobias auf die Rede des Pfarrers höher geröthet vor sich hinschaute, just wie Einer, der sich schämt! Mit dem schwersten Herzen von der Welt, mit unendlicher Bitterkeit und kaum ihre Thränen zurückzuhalten vermögend, schickte sie sich an, die Stube zu verlassen. Da rief aber der alte Schneider: Ja, Herr Pfarrer, Die darf nicht fort -- Die gehört zur Sach'! -- Die Bäbe? rief der alte Herr verwundert. -- Ja, Herr Pfarrer, versetzte der Schneider. Die ist's ja grad', die mein Sohn heirathen will! -- Ja wohl, Herr Pfarrer, rief Tobias, Die will ich heirathen! Nun war die Reihe, zu staunen und nicht begreifen zu können, an dem alten Herrn. Die Pfarrerin hatte ein "Ah" ausgestoßen, in welchem eben so viel Vergnügen als Ueberraschung lag; denn sie war gut und freute sich des Ausgangs nicht um ihret-, sondern um der Bäbe war zufrieden, durchaus zufrieden — der Sohn hatte sich ihm gefügt — sie war aufgeopfert! Mit dem reinsten Vergnügen erwiderte der alte Herr: Also der Tobias hat nachgegeben und heirathet die Tochter des Bach-Webers? Ihr seht, ich weiß schon Alles! — Der alte Schneider zauderte zu reden, indem er bescheiden für sich hinlächelte. Der Pfarrer erinnerte sich, daß die Magd in der Stube war, und in der Meinung, daß der Vater vor dieser nicht mit der Sprache herauswolle, winkte er ihr und sagte: Bäbe, geh in die Küche! Das Mädchen hatte gesehen, wie Tobias auf die Rede des Pfarrers höher geröthet vor sich hinschaute, just wie Einer, der sich schämt! Mit dem schwersten Herzen von der Welt, mit unendlicher Bitterkeit und kaum ihre Thränen zurückzuhalten vermögend, schickte sie sich an, die Stube zu verlassen. Da rief aber der alte Schneider: Ja, Herr Pfarrer, Die darf nicht fort — Die gehört zur Sach'! — Die Bäbe? rief der alte Herr verwundert. — Ja, Herr Pfarrer, versetzte der Schneider. Die ist's ja grad', die mein Sohn heirathen will! — Ja wohl, Herr Pfarrer, rief Tobias, Die will ich heirathen! Nun war die Reihe, zu staunen und nicht begreifen zu können, an dem alten Herrn. Die Pfarrerin hatte ein „Ah“ ausgestoßen, in welchem eben so viel Vergnügen als Ueberraschung lag; denn sie war gut und freute sich des Ausgangs nicht um ihret-, sondern um der Bäbe <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0195"/> war zufrieden, durchaus zufrieden — der Sohn hatte sich ihm gefügt — sie war aufgeopfert!</p><lb/> <p>Mit dem reinsten Vergnügen erwiderte der alte Herr: Also der Tobias hat nachgegeben und heirathet die Tochter des Bach-Webers? Ihr seht, ich weiß schon Alles! — Der alte Schneider zauderte zu reden, indem er bescheiden für sich hinlächelte. Der Pfarrer erinnerte sich, daß die Magd in der Stube war, und in der Meinung, daß der Vater vor dieser nicht mit der Sprache herauswolle, winkte er ihr und sagte: Bäbe, geh in die Küche!</p><lb/> <p>Das Mädchen hatte gesehen, wie Tobias auf die Rede des Pfarrers höher geröthet vor sich hinschaute, just wie Einer, der sich schämt! Mit dem schwersten Herzen von der Welt, mit unendlicher Bitterkeit und kaum ihre Thränen zurückzuhalten vermögend, schickte sie sich an, die Stube zu verlassen. Da rief aber der alte Schneider: Ja, Herr Pfarrer, Die darf nicht fort — Die gehört zur Sach'! — Die Bäbe? rief der alte Herr verwundert. — Ja, Herr Pfarrer, versetzte der Schneider. Die ist's ja grad', die mein Sohn heirathen will! — Ja wohl, Herr Pfarrer, rief Tobias, Die will ich heirathen!</p><lb/> <p>Nun war die Reihe, zu staunen und nicht begreifen zu können, an dem alten Herrn. Die Pfarrerin hatte ein „Ah“ ausgestoßen, in welchem eben so viel Vergnügen als Ueberraschung lag; denn sie war gut und freute sich des Ausgangs nicht um ihret-, sondern um der Bäbe<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0195]
war zufrieden, durchaus zufrieden — der Sohn hatte sich ihm gefügt — sie war aufgeopfert!
Mit dem reinsten Vergnügen erwiderte der alte Herr: Also der Tobias hat nachgegeben und heirathet die Tochter des Bach-Webers? Ihr seht, ich weiß schon Alles! — Der alte Schneider zauderte zu reden, indem er bescheiden für sich hinlächelte. Der Pfarrer erinnerte sich, daß die Magd in der Stube war, und in der Meinung, daß der Vater vor dieser nicht mit der Sprache herauswolle, winkte er ihr und sagte: Bäbe, geh in die Küche!
Das Mädchen hatte gesehen, wie Tobias auf die Rede des Pfarrers höher geröthet vor sich hinschaute, just wie Einer, der sich schämt! Mit dem schwersten Herzen von der Welt, mit unendlicher Bitterkeit und kaum ihre Thränen zurückzuhalten vermögend, schickte sie sich an, die Stube zu verlassen. Da rief aber der alte Schneider: Ja, Herr Pfarrer, Die darf nicht fort — Die gehört zur Sach'! — Die Bäbe? rief der alte Herr verwundert. — Ja, Herr Pfarrer, versetzte der Schneider. Die ist's ja grad', die mein Sohn heirathen will! — Ja wohl, Herr Pfarrer, rief Tobias, Die will ich heirathen!
Nun war die Reihe, zu staunen und nicht begreifen zu können, an dem alten Herrn. Die Pfarrerin hatte ein „Ah“ ausgestoßen, in welchem eben so viel Vergnügen als Ueberraschung lag; denn sie war gut und freute sich des Ausgangs nicht um ihret-, sondern um der Bäbe
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Zitationshilfe: | Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/195>, abgerufen am 26.06.2024. |