Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Schand', wie man mit mir umgeht! Von Jugend auf hat man mich verspottet, geärgert und geschlagen, und Alle sind zusammengestanden gegen mich! Daheim, wo man eine Hülf' haben sollte, macht man mir's ärger als draußen -- mein leiblicher Vater verachtet mich und schimpft und schlägt und stößt mich, wenn's ihm einfällt. Und ich bin der gute Esel und lass' mir's gefallen und geb' nach, und was ist der Dank? Daß man ein Recht draus macht, daß man mich commandirt wie einen Hund und tractirt wie einen Hund und auf mir herumtrampelt, als ob ich von unserm Herrgott extra dazu geschaffen worden wär'! Wenn ich Alles thu', dann hab' ich Nichts gethan; und wenn ich einmal mucke, dann ist's ein Verbrechen, daß ich augenblicklich todtgeschlagen werden muß! Jetzt, wo ich ins fünfundzwanzigste Jahr gehe, soll ich ein Mädchen heirathen, das ich nicht leiden kann, wegen seinem Bettelgeld, bloß weil's ein Anderer haben will! Ich werd' gar nicht drum gefragt, ob ich sie auch mag oder nicht, ich bin der Garnichts und muß! Jeder hat ein Recht und eine Ehr' und einen Willen in der Welt, nur ich allein nicht! Ich bin also wirklich die erbärmlichste Creatur auf Gottes Erdboden? Ein Kerl, der nichts kann und nichts darf, der nur zu thun hat, was Andere haben wollen, und dafür Schläg' und Verachtung annehmen muß? Ein elender Mensch -- ein Tropf? Ei, da soll ja gleich das Donner und d's Wetter Alles zusammenschlagen! Kreuz Herrgott Millionen -- Schand', wie man mit mir umgeht! Von Jugend auf hat man mich verspottet, geärgert und geschlagen, und Alle sind zusammengestanden gegen mich! Daheim, wo man eine Hülf' haben sollte, macht man mir's ärger als draußen — mein leiblicher Vater verachtet mich und schimpft und schlägt und stößt mich, wenn's ihm einfällt. Und ich bin der gute Esel und lass' mir's gefallen und geb' nach, und was ist der Dank? Daß man ein Recht draus macht, daß man mich commandirt wie einen Hund und tractirt wie einen Hund und auf mir herumtrampelt, als ob ich von unserm Herrgott extra dazu geschaffen worden wär'! Wenn ich Alles thu', dann hab' ich Nichts gethan; und wenn ich einmal mucke, dann ist's ein Verbrechen, daß ich augenblicklich todtgeschlagen werden muß! Jetzt, wo ich ins fünfundzwanzigste Jahr gehe, soll ich ein Mädchen heirathen, das ich nicht leiden kann, wegen seinem Bettelgeld, bloß weil's ein Anderer haben will! Ich werd' gar nicht drum gefragt, ob ich sie auch mag oder nicht, ich bin der Garnichts und muß! Jeder hat ein Recht und eine Ehr' und einen Willen in der Welt, nur ich allein nicht! Ich bin also wirklich die erbärmlichste Creatur auf Gottes Erdboden? Ein Kerl, der nichts kann und nichts darf, der nur zu thun hat, was Andere haben wollen, und dafür Schläg' und Verachtung annehmen muß? Ein elender Mensch — ein Tropf? Ei, da soll ja gleich das Donner und d's Wetter Alles zusammenschlagen! Kreuz Herrgott Millionen — <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0173"/> Schand', wie man mit mir umgeht! Von Jugend auf hat man mich verspottet, geärgert und geschlagen, und Alle sind zusammengestanden gegen mich! Daheim, wo man eine Hülf' haben sollte, macht man mir's ärger als draußen — mein leiblicher Vater verachtet mich und schimpft und schlägt und stößt mich, wenn's ihm einfällt. Und ich bin der gute Esel und lass' mir's gefallen und geb' nach, und was ist der Dank? Daß man ein Recht draus macht, daß man mich commandirt wie einen Hund und tractirt wie einen Hund und auf mir herumtrampelt, als ob ich von unserm Herrgott extra dazu geschaffen worden wär'! Wenn ich Alles thu', dann hab' ich Nichts gethan; und wenn ich einmal mucke, dann ist's ein Verbrechen, daß ich augenblicklich todtgeschlagen werden muß! Jetzt, wo ich ins fünfundzwanzigste Jahr gehe, soll ich ein Mädchen heirathen, das ich nicht leiden kann, wegen seinem Bettelgeld, bloß weil's ein Anderer haben will! Ich werd' gar nicht drum gefragt, ob ich sie auch mag oder nicht, ich bin der Garnichts und muß! Jeder hat ein Recht und eine Ehr' und einen Willen in der Welt, nur ich allein nicht! Ich bin also wirklich die erbärmlichste Creatur auf Gottes Erdboden? Ein Kerl, der nichts kann und nichts darf, der nur zu thun hat, was Andere haben wollen, und dafür Schläg' und Verachtung annehmen muß? Ein elender Mensch — ein Tropf? Ei, da soll ja gleich das Donner und d's Wetter Alles zusammenschlagen! Kreuz Herrgott Millionen —</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0173]
Schand', wie man mit mir umgeht! Von Jugend auf hat man mich verspottet, geärgert und geschlagen, und Alle sind zusammengestanden gegen mich! Daheim, wo man eine Hülf' haben sollte, macht man mir's ärger als draußen — mein leiblicher Vater verachtet mich und schimpft und schlägt und stößt mich, wenn's ihm einfällt. Und ich bin der gute Esel und lass' mir's gefallen und geb' nach, und was ist der Dank? Daß man ein Recht draus macht, daß man mich commandirt wie einen Hund und tractirt wie einen Hund und auf mir herumtrampelt, als ob ich von unserm Herrgott extra dazu geschaffen worden wär'! Wenn ich Alles thu', dann hab' ich Nichts gethan; und wenn ich einmal mucke, dann ist's ein Verbrechen, daß ich augenblicklich todtgeschlagen werden muß! Jetzt, wo ich ins fünfundzwanzigste Jahr gehe, soll ich ein Mädchen heirathen, das ich nicht leiden kann, wegen seinem Bettelgeld, bloß weil's ein Anderer haben will! Ich werd' gar nicht drum gefragt, ob ich sie auch mag oder nicht, ich bin der Garnichts und muß! Jeder hat ein Recht und eine Ehr' und einen Willen in der Welt, nur ich allein nicht! Ich bin also wirklich die erbärmlichste Creatur auf Gottes Erdboden? Ein Kerl, der nichts kann und nichts darf, der nur zu thun hat, was Andere haben wollen, und dafür Schläg' und Verachtung annehmen muß? Ein elender Mensch — ein Tropf? Ei, da soll ja gleich das Donner und d's Wetter Alles zusammenschlagen! Kreuz Herrgott Millionen —
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