Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.jemals und freute sich, daß die Anfrage des jungen Schusters ihr Gelegenheit gab, gegen die hergelaufene Person noch mit allen ihren Vortheilen ins Feld zu rücken. Sie sprach kräftig mit dem Vater, hielt ihm namentlich den wichtigen Umstand vor, daß Tobias wenigstens zweihundert Gulden mehr Heirathsgut bekommen werde, als der Schuster, daß die Geschichte mit der Pfarrmagd eine Dummheit sei, wie sie der Schuster wohl auch schon gemacht haben werde, daß man solche Sachen verzeihen müsse, besonders weil der gute Mensch gewiß nur von der Person verführt worden sei, und daß Tobias, wenn man ihn wieder ins rechte Gleis bringe, der beste Ehemann sein werde. Sie überredete den Weber, das Haus abzugeben, wie sie's für billig fand, indem sie die schönsten Versprechungen machte -- kurz, sie lenkte den Handel so praktisch, wie man es von einem Dorfmädchen gewöhnlichen Schlags nur immer erwarten konnte. Den Unterhändler, der zum Schneider gehen sollte, belehrte sie selbst und hoffte um so mehr auf einen guten Ausgang, als sie doch glauben mußte, daß es am Ende Vater und Sohn lieb sein würde, auf diese Art mit einem Mal aus dem wüsten Gerede und aus der Schande zu kommen. -- Bei dem Alten traf sie es. Dieser athmete auf, als er die Kunde vernahm, die der Mittelsmann natürlich nur als von ihm ausgehend brachte, ohne indeß dem Schneider die Wahrheit verbergen zu können. Er sprach mit würdigem Ernst seinen Dank aus und beschloß augenblicklich, zur Erreichung jemals und freute sich, daß die Anfrage des jungen Schusters ihr Gelegenheit gab, gegen die hergelaufene Person noch mit allen ihren Vortheilen ins Feld zu rücken. Sie sprach kräftig mit dem Vater, hielt ihm namentlich den wichtigen Umstand vor, daß Tobias wenigstens zweihundert Gulden mehr Heirathsgut bekommen werde, als der Schuster, daß die Geschichte mit der Pfarrmagd eine Dummheit sei, wie sie der Schuster wohl auch schon gemacht haben werde, daß man solche Sachen verzeihen müsse, besonders weil der gute Mensch gewiß nur von der Person verführt worden sei, und daß Tobias, wenn man ihn wieder ins rechte Gleis bringe, der beste Ehemann sein werde. Sie überredete den Weber, das Haus abzugeben, wie sie's für billig fand, indem sie die schönsten Versprechungen machte — kurz, sie lenkte den Handel so praktisch, wie man es von einem Dorfmädchen gewöhnlichen Schlags nur immer erwarten konnte. Den Unterhändler, der zum Schneider gehen sollte, belehrte sie selbst und hoffte um so mehr auf einen guten Ausgang, als sie doch glauben mußte, daß es am Ende Vater und Sohn lieb sein würde, auf diese Art mit einem Mal aus dem wüsten Gerede und aus der Schande zu kommen. — Bei dem Alten traf sie es. Dieser athmete auf, als er die Kunde vernahm, die der Mittelsmann natürlich nur als von ihm ausgehend brachte, ohne indeß dem Schneider die Wahrheit verbergen zu können. Er sprach mit würdigem Ernst seinen Dank aus und beschloß augenblicklich, zur Erreichung <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0169"/> jemals und freute sich, daß die Anfrage des jungen Schusters ihr Gelegenheit gab, gegen die hergelaufene Person noch mit allen ihren Vortheilen ins Feld zu rücken. Sie sprach kräftig mit dem Vater, hielt ihm namentlich den wichtigen Umstand vor, daß Tobias wenigstens zweihundert Gulden mehr Heirathsgut bekommen werde, als der Schuster, daß die Geschichte mit der Pfarrmagd eine Dummheit sei, wie sie der Schuster wohl auch schon gemacht haben werde, daß man solche Sachen verzeihen müsse, besonders weil der gute Mensch gewiß nur von der Person verführt worden sei, und daß Tobias, wenn man ihn wieder ins rechte Gleis bringe, der beste Ehemann sein werde. Sie überredete den Weber, das Haus abzugeben, wie sie's für billig fand, indem sie die schönsten Versprechungen machte — kurz, sie lenkte den Handel so praktisch, wie man es von einem Dorfmädchen gewöhnlichen Schlags nur immer erwarten konnte. Den Unterhändler, der zum Schneider gehen sollte, belehrte sie selbst und hoffte um so mehr auf einen guten Ausgang, als sie doch glauben mußte, daß es am Ende Vater und Sohn lieb sein würde, auf diese Art mit einem Mal aus dem wüsten Gerede und aus der Schande zu kommen. — Bei dem Alten traf sie es. Dieser athmete auf, als er die Kunde vernahm, die der Mittelsmann natürlich nur als von ihm ausgehend brachte, ohne indeß dem Schneider die Wahrheit verbergen zu können. Er sprach mit würdigem Ernst seinen Dank aus und beschloß augenblicklich, zur Erreichung<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0169]
jemals und freute sich, daß die Anfrage des jungen Schusters ihr Gelegenheit gab, gegen die hergelaufene Person noch mit allen ihren Vortheilen ins Feld zu rücken. Sie sprach kräftig mit dem Vater, hielt ihm namentlich den wichtigen Umstand vor, daß Tobias wenigstens zweihundert Gulden mehr Heirathsgut bekommen werde, als der Schuster, daß die Geschichte mit der Pfarrmagd eine Dummheit sei, wie sie der Schuster wohl auch schon gemacht haben werde, daß man solche Sachen verzeihen müsse, besonders weil der gute Mensch gewiß nur von der Person verführt worden sei, und daß Tobias, wenn man ihn wieder ins rechte Gleis bringe, der beste Ehemann sein werde. Sie überredete den Weber, das Haus abzugeben, wie sie's für billig fand, indem sie die schönsten Versprechungen machte — kurz, sie lenkte den Handel so praktisch, wie man es von einem Dorfmädchen gewöhnlichen Schlags nur immer erwarten konnte. Den Unterhändler, der zum Schneider gehen sollte, belehrte sie selbst und hoffte um so mehr auf einen guten Ausgang, als sie doch glauben mußte, daß es am Ende Vater und Sohn lieb sein würde, auf diese Art mit einem Mal aus dem wüsten Gerede und aus der Schande zu kommen. — Bei dem Alten traf sie es. Dieser athmete auf, als er die Kunde vernahm, die der Mittelsmann natürlich nur als von ihm ausgehend brachte, ohne indeß dem Schneider die Wahrheit verbergen zu können. Er sprach mit würdigem Ernst seinen Dank aus und beschloß augenblicklich, zur Erreichung
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