Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

lassen, das könnt ihr mir glauben! -- Wir glauben's auch, versetzte Leard, und drum fällt's uns gar nicht ein. Bleib da! -- Ja, bleib da! riefen mehrere Bursche. -- Das Mädchen, die nun im unbestrittenen Besitz des Kruges war, fragte: Wie ist's, soll ich einschenken? Das Bier ist fürnehm, grad hat man angestochen! -- Nein, entgegnete der Schneider energisch, ich mag nichts! -- -- Komm, rief Leard, seine Hand fassend, gieb nach! Setz dich wieder! Wir haben dich so gern! -- Ihr könnt mich auch gern haben! rief der Schneider, seine Hand losreißend, Alle mit einander! -- Und unter allgemeinem Gelächter schritt er von dannen.

Bevor wir ihn weiter begleiten, müssen wir auf eine Frage antworten, die auch der Leser aufgeworfen haben wird. Daß der nächtliche Besuch im Pfarrhause und die darauf erfolgte Scene durch jenen Vetter Hans, der die letztere mit angesehen haben konnte, verrathen worden sei, wird man sich selbst gesagt haben. Es war auch in der That so. Wie konnte aber auch der eigenthümliche Liebesdienst bekannt geworden sein, den die Bäbe dem Schneider erwiesen hatte? Dieser, wie sein Staunen gezeigt, hatte ihn keiner Seele mitgetheilt. Außer ihm war aber die Thatsache nur der Bäbe und der Pfarrerin bekannt -- der Pfarrerin, welche die Geheimhaltung befohlen, der Bäbe, die sie zugesagt hatte!

Der Autor muß bekennen, daß er eine bestimmte Erklärung in dieser Frage selbst nicht abzugeben vermag.

lassen, das könnt ihr mir glauben! — Wir glauben's auch, versetzte Leard, und drum fällt's uns gar nicht ein. Bleib da! — Ja, bleib da! riefen mehrere Bursche. — Das Mädchen, die nun im unbestrittenen Besitz des Kruges war, fragte: Wie ist's, soll ich einschenken? Das Bier ist fürnehm, grad hat man angestochen! — Nein, entgegnete der Schneider energisch, ich mag nichts! — — Komm, rief Leard, seine Hand fassend, gieb nach! Setz dich wieder! Wir haben dich so gern! — Ihr könnt mich auch gern haben! rief der Schneider, seine Hand losreißend, Alle mit einander! — Und unter allgemeinem Gelächter schritt er von dannen.

Bevor wir ihn weiter begleiten, müssen wir auf eine Frage antworten, die auch der Leser aufgeworfen haben wird. Daß der nächtliche Besuch im Pfarrhause und die darauf erfolgte Scene durch jenen Vetter Hans, der die letztere mit angesehen haben konnte, verrathen worden sei, wird man sich selbst gesagt haben. Es war auch in der That so. Wie konnte aber auch der eigenthümliche Liebesdienst bekannt geworden sein, den die Bäbe dem Schneider erwiesen hatte? Dieser, wie sein Staunen gezeigt, hatte ihn keiner Seele mitgetheilt. Außer ihm war aber die Thatsache nur der Bäbe und der Pfarrerin bekannt — der Pfarrerin, welche die Geheimhaltung befohlen, der Bäbe, die sie zugesagt hatte!

Der Autor muß bekennen, daß er eine bestimmte Erklärung in dieser Frage selbst nicht abzugeben vermag.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0144"/>
lassen, das könnt ihr mir      glauben! &#x2014; Wir glauben's auch, versetzte Leard, und drum fällt's uns gar nicht ein. Bleib da! &#x2014;      Ja, bleib da! riefen mehrere Bursche. &#x2014; Das Mädchen, die nun im unbestrittenen Besitz des      Kruges war, fragte: Wie ist's, soll ich einschenken? Das Bier ist fürnehm, grad hat man      angestochen! &#x2014; Nein, entgegnete der Schneider energisch, ich mag nichts! &#x2014; &#x2014; Komm, rief Leard,      seine Hand fassend, gieb nach! Setz dich wieder! Wir haben dich so gern! &#x2014; Ihr könnt mich auch      gern haben! rief der Schneider, seine Hand losreißend, Alle mit einander! &#x2014; Und unter      allgemeinem Gelächter schritt er von dannen.</p><lb/>
        <p>Bevor wir ihn weiter begleiten, müssen wir auf eine Frage antworten, die auch der Leser      aufgeworfen haben wird. Daß der nächtliche Besuch im Pfarrhause und die darauf erfolgte Scene      durch jenen Vetter Hans, der die letztere mit angesehen haben konnte, verrathen worden sei,      wird man sich selbst gesagt haben. Es war auch in der That so. Wie konnte aber auch der      eigenthümliche Liebesdienst bekannt geworden sein, den die Bäbe dem Schneider erwiesen hatte?      Dieser, wie sein Staunen gezeigt, hatte ihn keiner Seele mitgetheilt. Außer ihm war aber die      Thatsache nur der Bäbe und der Pfarrerin bekannt &#x2014; der Pfarrerin, welche die Geheimhaltung      befohlen, der Bäbe, die sie zugesagt hatte!</p><lb/>
        <p>Der Autor muß bekennen, daß er eine bestimmte Erklärung in dieser Frage selbst nicht      abzugeben vermag.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] lassen, das könnt ihr mir glauben! — Wir glauben's auch, versetzte Leard, und drum fällt's uns gar nicht ein. Bleib da! — Ja, bleib da! riefen mehrere Bursche. — Das Mädchen, die nun im unbestrittenen Besitz des Kruges war, fragte: Wie ist's, soll ich einschenken? Das Bier ist fürnehm, grad hat man angestochen! — Nein, entgegnete der Schneider energisch, ich mag nichts! — — Komm, rief Leard, seine Hand fassend, gieb nach! Setz dich wieder! Wir haben dich so gern! — Ihr könnt mich auch gern haben! rief der Schneider, seine Hand losreißend, Alle mit einander! — Und unter allgemeinem Gelächter schritt er von dannen. Bevor wir ihn weiter begleiten, müssen wir auf eine Frage antworten, die auch der Leser aufgeworfen haben wird. Daß der nächtliche Besuch im Pfarrhause und die darauf erfolgte Scene durch jenen Vetter Hans, der die letztere mit angesehen haben konnte, verrathen worden sei, wird man sich selbst gesagt haben. Es war auch in der That so. Wie konnte aber auch der eigenthümliche Liebesdienst bekannt geworden sein, den die Bäbe dem Schneider erwiesen hatte? Dieser, wie sein Staunen gezeigt, hatte ihn keiner Seele mitgetheilt. Außer ihm war aber die Thatsache nur der Bäbe und der Pfarrerin bekannt — der Pfarrerin, welche die Geheimhaltung befohlen, der Bäbe, die sie zugesagt hatte! Der Autor muß bekennen, daß er eine bestimmte Erklärung in dieser Frage selbst nicht abzugeben vermag.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/144
Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/144>, abgerufen am 27.11.2024.