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Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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suchen sich jetzt schon andere Rößlein! -- Heiteres Lachen erscholl um die Tafel, und ein entfernter Schein von Lächeln flog sogar über das verlegene Gesicht des Gehöhnten. Das mag sein, erwiderte der Feine; wie ist er dann aber zu dem Gesicht von gestern gekommen? -- Nun, wie geht's nicht? versetzte Leard gemüthlich. Wenn einem ein rechtes Glück angestanden ist, dann wirft der Teufel immer Heu 'runter! Ist's etwa das Erstemal, daß Einer, der just von seinem Schatz herkommt, tüchtige Prügel kriegt? Und den Schneider betrachtend, setzte er hinzu: Nun, nun, du brauchst dich nicht zu schämen, Tobias. Von seinem Vater kann man am End' noch Schläg' annehmen, und daß dich der Alte gezwungen hat, das nimmt dir kein Mensch übel.

Der Schneider saß da mit den peinlichsten Empfindungen. Alles war heraus. Alles -- sogar die Art, wie er in die Kammer der Bäbe befördert worden! -- Wie konnte man das wissen? Hatte das Mädchen geschwätzt? Hatte man sie im Pfarrhause gesehen? -- Er wußte nicht, was er denken sollte; rathlos sah er auf den Tisch, der Schweiß ging ihm aus. -- Wenn er noch einige Hoffnung gehabt hätte, die geheimsten der gestrigen Vorgänge könnten doch noch unbekannt sein und er möchte nur falsch gerathen haben, so wäre er gleich enttäuscht worden.

Der Feine richtete seinen Blick auf ihn und sagte: Freund Tobias, du nimmst dir die Geschichte mehr zu Herzen, als nöthig ist. Geh, sei g'scheidt! Ein Glied

suchen sich jetzt schon andere Rößlein! — Heiteres Lachen erscholl um die Tafel, und ein entfernter Schein von Lächeln flog sogar über das verlegene Gesicht des Gehöhnten. Das mag sein, erwiderte der Feine; wie ist er dann aber zu dem Gesicht von gestern gekommen? — Nun, wie geht's nicht? versetzte Leard gemüthlich. Wenn einem ein rechtes Glück angestanden ist, dann wirft der Teufel immer Heu 'runter! Ist's etwa das Erstemal, daß Einer, der just von seinem Schatz herkommt, tüchtige Prügel kriegt? Und den Schneider betrachtend, setzte er hinzu: Nun, nun, du brauchst dich nicht zu schämen, Tobias. Von seinem Vater kann man am End' noch Schläg' annehmen, und daß dich der Alte gezwungen hat, das nimmt dir kein Mensch übel.

Der Schneider saß da mit den peinlichsten Empfindungen. Alles war heraus. Alles — sogar die Art, wie er in die Kammer der Bäbe befördert worden! — Wie konnte man das wissen? Hatte das Mädchen geschwätzt? Hatte man sie im Pfarrhause gesehen? — Er wußte nicht, was er denken sollte; rathlos sah er auf den Tisch, der Schweiß ging ihm aus. — Wenn er noch einige Hoffnung gehabt hätte, die geheimsten der gestrigen Vorgänge könnten doch noch unbekannt sein und er möchte nur falsch gerathen haben, so wäre er gleich enttäuscht worden.

Der Feine richtete seinen Blick auf ihn und sagte: Freund Tobias, du nimmst dir die Geschichte mehr zu Herzen, als nöthig ist. Geh, sei g'scheidt! Ein Glied

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:49:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:49:07Z)

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Zitationshilfe: Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyr_schwachen_1910/140>, abgerufen am 27.11.2024.