Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.lich wenn man auf Wegen geht, die man noch nicht recht gewohnt ist. Und den Tobias betrachtend, der nun in der That wie ein armer Sünder dasaß, rief er plötzlich: Schneider, Schneider, ich hab's getroffen! Dir ist etwas passirt, und das was recht Widerwärtiges! Sag's, Tobias! Sag's deinen Kameraden! -- Diese Aufforderung war mit aller Theilnahme eines echten Freundes gesprochen, und Tobias, der vergebens nach einer passenden Entgegnung suchte, fühlte sich in der unbehaglichsten Lage. Da es mit seinem Humor gänzlich vorbei war, legte er sich auf den Aerger und rief: Was habt ihr denn aber heut? Ich weiß ja gar nicht, was ihr wollt! Laßt mich gehen -- oder ich geh'! -- Ah, entgegnete Leard mit vorwurfsvoller Miene, das wirst du uns doch nicht thun? Fortgehen von deinen besten Kameraden? Und zu den Andern gewendet, rief er: Haben wir uns nicht alle gefreut, wie er gekommen ist? -- Ja wohl! Freilich! war die Antwort. -- Siehst du? fuhr Leard fort. Und da kommt ohnehin dein Bier! Das Wirthsmädchen kam übers Gras gegangen mit einem Maßkrug und setzte ihn vor Tobias. Sie trat einen Schritt zurück und blieb stehen; denn sie wollte auch ihren Antheil am Vergnügen haben. Leard nahm seinen Krug, stieß an den des Tobias und rief munter: Sauf, Bruder, und sag uns dann, was dir passirt ist! -- Tobias trank und verlängerte den Zug so viel er konnte, in der Hoffnung, dadurch der lich wenn man auf Wegen geht, die man noch nicht recht gewohnt ist. Und den Tobias betrachtend, der nun in der That wie ein armer Sünder dasaß, rief er plötzlich: Schneider, Schneider, ich hab's getroffen! Dir ist etwas passirt, und das was recht Widerwärtiges! Sag's, Tobias! Sag's deinen Kameraden! — Diese Aufforderung war mit aller Theilnahme eines echten Freundes gesprochen, und Tobias, der vergebens nach einer passenden Entgegnung suchte, fühlte sich in der unbehaglichsten Lage. Da es mit seinem Humor gänzlich vorbei war, legte er sich auf den Aerger und rief: Was habt ihr denn aber heut? Ich weiß ja gar nicht, was ihr wollt! Laßt mich gehen — oder ich geh'! — Ah, entgegnete Leard mit vorwurfsvoller Miene, das wirst du uns doch nicht thun? Fortgehen von deinen besten Kameraden? Und zu den Andern gewendet, rief er: Haben wir uns nicht alle gefreut, wie er gekommen ist? — Ja wohl! Freilich! war die Antwort. — Siehst du? fuhr Leard fort. Und da kommt ohnehin dein Bier! Das Wirthsmädchen kam übers Gras gegangen mit einem Maßkrug und setzte ihn vor Tobias. Sie trat einen Schritt zurück und blieb stehen; denn sie wollte auch ihren Antheil am Vergnügen haben. Leard nahm seinen Krug, stieß an den des Tobias und rief munter: Sauf, Bruder, und sag uns dann, was dir passirt ist! — Tobias trank und verlängerte den Zug so viel er konnte, in der Hoffnung, dadurch der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0138"/> lich wenn man auf Wegen geht, die man noch nicht recht gewohnt ist. Und den Tobias betrachtend, der nun in der That wie ein armer Sünder dasaß, rief er plötzlich: Schneider, Schneider, ich hab's getroffen! Dir ist etwas passirt, und das was recht Widerwärtiges! Sag's, Tobias! Sag's deinen Kameraden! — Diese Aufforderung war mit aller Theilnahme eines echten Freundes gesprochen, und Tobias, der vergebens nach einer passenden Entgegnung suchte, fühlte sich in der unbehaglichsten Lage. Da es mit seinem Humor gänzlich vorbei war, legte er sich auf den Aerger und rief: Was habt ihr denn aber heut? Ich weiß ja gar nicht, was ihr wollt! Laßt mich gehen — oder ich geh'! — Ah, entgegnete Leard mit vorwurfsvoller Miene, das wirst du uns doch nicht thun? Fortgehen von deinen besten Kameraden? Und zu den Andern gewendet, rief er: Haben wir uns nicht alle gefreut, wie er gekommen ist? — Ja wohl! Freilich! war die Antwort. — Siehst du? fuhr Leard fort. Und da kommt ohnehin dein Bier!</p><lb/> <p>Das Wirthsmädchen kam übers Gras gegangen mit einem Maßkrug und setzte ihn vor Tobias. Sie trat einen Schritt zurück und blieb stehen; denn sie wollte auch ihren Antheil am Vergnügen haben.</p><lb/> <p>Leard nahm seinen Krug, stieß an den des Tobias und rief munter: Sauf, Bruder, und sag uns dann, was dir passirt ist! — Tobias trank und verlängerte den Zug so viel er konnte, in der Hoffnung, dadurch der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0138]
lich wenn man auf Wegen geht, die man noch nicht recht gewohnt ist. Und den Tobias betrachtend, der nun in der That wie ein armer Sünder dasaß, rief er plötzlich: Schneider, Schneider, ich hab's getroffen! Dir ist etwas passirt, und das was recht Widerwärtiges! Sag's, Tobias! Sag's deinen Kameraden! — Diese Aufforderung war mit aller Theilnahme eines echten Freundes gesprochen, und Tobias, der vergebens nach einer passenden Entgegnung suchte, fühlte sich in der unbehaglichsten Lage. Da es mit seinem Humor gänzlich vorbei war, legte er sich auf den Aerger und rief: Was habt ihr denn aber heut? Ich weiß ja gar nicht, was ihr wollt! Laßt mich gehen — oder ich geh'! — Ah, entgegnete Leard mit vorwurfsvoller Miene, das wirst du uns doch nicht thun? Fortgehen von deinen besten Kameraden? Und zu den Andern gewendet, rief er: Haben wir uns nicht alle gefreut, wie er gekommen ist? — Ja wohl! Freilich! war die Antwort. — Siehst du? fuhr Leard fort. Und da kommt ohnehin dein Bier!
Das Wirthsmädchen kam übers Gras gegangen mit einem Maßkrug und setzte ihn vor Tobias. Sie trat einen Schritt zurück und blieb stehen; denn sie wollte auch ihren Antheil am Vergnügen haben.
Leard nahm seinen Krug, stieß an den des Tobias und rief munter: Sauf, Bruder, und sag uns dann, was dir passirt ist! — Tobias trank und verlängerte den Zug so viel er konnte, in der Hoffnung, dadurch der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:49:07Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:49:07Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |