Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und nichts mehr übrig bleiben würde, als die guten Folgen. Während er sich anzog, kam ihm der Gedanke, ob er nicht seine günstige Stellung benutzen und dem Alten sogleich die Einwilligung zur Heirath mit der Geliebten abnöthigen solle. Es kam ihm nicht ganz unmöglich vor, daß er am Ende nachgab, wenn er sah, wie viel bei ihm die Glocke geschlagen hatte. -- Mit Entschlossenheit ging er hinunter in die Stube. Der Alte saß allein hinter dem Ofen, und das war günstig. Tobias sagte Guten Morgen und trat näher. Wie er ihm aber in das erhobene Gesicht sah, fühlte er gleich, daß die rechte Zeit für sein Unternehmen noch nicht gekommen sei. Der Alte sah gefährlich aus. Die Schlappe, die er gestern erlitten hatte, nagte an ihm, er war in tiefen Unmuth versunken. Ruhig saß er da; aber es war eine Ruhe, die ein einziges schiefes Wort in den wildesten Sturm verwandeln konnte. -- Nachdem der Sohn dies erkannt, wandte er sich, stimmte sein Triumphgefühl herab und ging still mit ehrbarer Miene hin und her, indem seine Stimmung wieder eine bedrückte zu werden begann. Die Glocken erschollen vom Thurm. Er zog seinen Tuchrock an und setzte seinen Schaufelhut auf, um in die Kirche zu gehen. Sein Inneres erfüllte sich mit resignirtem Ernst, und er war sehr geneigt, andächtig zu sein wie irgend einer der ledigen Bursche. Auf dem Wege begegnete ihm jedoch ein Bekannter, der auf seinen und nichts mehr übrig bleiben würde, als die guten Folgen. Während er sich anzog, kam ihm der Gedanke, ob er nicht seine günstige Stellung benutzen und dem Alten sogleich die Einwilligung zur Heirath mit der Geliebten abnöthigen solle. Es kam ihm nicht ganz unmöglich vor, daß er am Ende nachgab, wenn er sah, wie viel bei ihm die Glocke geschlagen hatte. — Mit Entschlossenheit ging er hinunter in die Stube. Der Alte saß allein hinter dem Ofen, und das war günstig. Tobias sagte Guten Morgen und trat näher. Wie er ihm aber in das erhobene Gesicht sah, fühlte er gleich, daß die rechte Zeit für sein Unternehmen noch nicht gekommen sei. Der Alte sah gefährlich aus. Die Schlappe, die er gestern erlitten hatte, nagte an ihm, er war in tiefen Unmuth versunken. Ruhig saß er da; aber es war eine Ruhe, die ein einziges schiefes Wort in den wildesten Sturm verwandeln konnte. — Nachdem der Sohn dies erkannt, wandte er sich, stimmte sein Triumphgefühl herab und ging still mit ehrbarer Miene hin und her, indem seine Stimmung wieder eine bedrückte zu werden begann. Die Glocken erschollen vom Thurm. Er zog seinen Tuchrock an und setzte seinen Schaufelhut auf, um in die Kirche zu gehen. Sein Inneres erfüllte sich mit resignirtem Ernst, und er war sehr geneigt, andächtig zu sein wie irgend einer der ledigen Bursche. Auf dem Wege begegnete ihm jedoch ein Bekannter, der auf seinen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0132"/> und nichts mehr übrig bleiben würde, als die guten Folgen.</p><lb/> <p>Während er sich anzog, kam ihm der Gedanke, ob er nicht seine günstige Stellung benutzen und dem Alten sogleich die Einwilligung zur Heirath mit der Geliebten abnöthigen solle. Es kam ihm nicht ganz unmöglich vor, daß er am Ende nachgab, wenn er sah, wie viel bei ihm die Glocke geschlagen hatte. — Mit Entschlossenheit ging er hinunter in die Stube.</p><lb/> <p>Der Alte saß allein hinter dem Ofen, und das war günstig. Tobias sagte Guten Morgen und trat näher. Wie er ihm aber in das erhobene Gesicht sah, fühlte er gleich, daß die rechte Zeit für sein Unternehmen noch nicht gekommen sei. Der Alte sah gefährlich aus. Die Schlappe, die er gestern erlitten hatte, nagte an ihm, er war in tiefen Unmuth versunken. Ruhig saß er da; aber es war eine Ruhe, die ein einziges schiefes Wort in den wildesten Sturm verwandeln konnte. — Nachdem der Sohn dies erkannt, wandte er sich, stimmte sein Triumphgefühl herab und ging still mit ehrbarer Miene hin und her, indem seine Stimmung wieder eine bedrückte zu werden begann.</p><lb/> <p>Die Glocken erschollen vom Thurm. Er zog seinen Tuchrock an und setzte seinen Schaufelhut auf, um in die Kirche zu gehen. Sein Inneres erfüllte sich mit resignirtem Ernst, und er war sehr geneigt, andächtig zu sein wie irgend einer der ledigen Bursche. Auf dem Wege begegnete ihm jedoch ein Bekannter, der auf seinen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
und nichts mehr übrig bleiben würde, als die guten Folgen.
Während er sich anzog, kam ihm der Gedanke, ob er nicht seine günstige Stellung benutzen und dem Alten sogleich die Einwilligung zur Heirath mit der Geliebten abnöthigen solle. Es kam ihm nicht ganz unmöglich vor, daß er am Ende nachgab, wenn er sah, wie viel bei ihm die Glocke geschlagen hatte. — Mit Entschlossenheit ging er hinunter in die Stube.
Der Alte saß allein hinter dem Ofen, und das war günstig. Tobias sagte Guten Morgen und trat näher. Wie er ihm aber in das erhobene Gesicht sah, fühlte er gleich, daß die rechte Zeit für sein Unternehmen noch nicht gekommen sei. Der Alte sah gefährlich aus. Die Schlappe, die er gestern erlitten hatte, nagte an ihm, er war in tiefen Unmuth versunken. Ruhig saß er da; aber es war eine Ruhe, die ein einziges schiefes Wort in den wildesten Sturm verwandeln konnte. — Nachdem der Sohn dies erkannt, wandte er sich, stimmte sein Triumphgefühl herab und ging still mit ehrbarer Miene hin und her, indem seine Stimmung wieder eine bedrückte zu werden begann.
Die Glocken erschollen vom Thurm. Er zog seinen Tuchrock an und setzte seinen Schaufelhut auf, um in die Kirche zu gehen. Sein Inneres erfüllte sich mit resignirtem Ernst, und er war sehr geneigt, andächtig zu sein wie irgend einer der ledigen Bursche. Auf dem Wege begegnete ihm jedoch ein Bekannter, der auf seinen
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