Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ruhig, Ihr könnt ja passen, bis er wieder herauskommt -- wenn's Euch nicht zu lang dauert. Gutnacht, Vetter! Er ging behaglich weiter. Der Alte war durch den Gedanken, von dem Sohn aufs Neue und mit so ausstudirter Tücke genarrt zu sein, fast bis zur Sinnlosigkeit aufgebracht. Er faßte den Entschluß, auf den Schändlichen zu warten, wenn er auch bis zum lichten Morgen warten und dastehen sollte, und ihm dann das Bad ordentlich zu gesegnen. Doch es ging besser, als er dachte. Ueberraschend bald sah er von der Ecke der Haupt- und der Quergasse, wo er sich aufgestellt hatte, Tobias aus dem Pfarrhof schleichen, wodurch seine Wuth freilich nicht gemindert wurde. Er eilte voraus, stellte sich in einem Winkel hinter seinem Nachbarhaus auf und lauerte mit geballten Fäusten, um auf sein Schlachtopfer hervorzustürzen. Er schlug, bis der Zorn in ihm völlig satt war -- mehr als genug für Tobias. Als er endlich nachließ, erhob sich der Gezüchtigte mit Mühe und stieß, vor Wuth und Scham heulend, die Worte aus: Das ist schändlich! Ich geh' nie mehr in dein Haus! Fort! Laß mich fort! -- Du gehst mit mir, versetzte der Alte mit dem Tone der Allgewalt, faßte ihn mit seiner Rechten, wie mit einem eisernen Haken, und zog ihn mit sich. Anfangs stemmte sich der Arme, dann ließ er sich zerren, und endlich ging er wie ein Lamm ins Haus. Todtmüde, in jedem Betracht gemartert und zerschlagen, hatte er kein anderes Verlangen mehr, als zu Bette zu ruhig, Ihr könnt ja passen, bis er wieder herauskommt — wenn's Euch nicht zu lang dauert. Gutnacht, Vetter! Er ging behaglich weiter. Der Alte war durch den Gedanken, von dem Sohn aufs Neue und mit so ausstudirter Tücke genarrt zu sein, fast bis zur Sinnlosigkeit aufgebracht. Er faßte den Entschluß, auf den Schändlichen zu warten, wenn er auch bis zum lichten Morgen warten und dastehen sollte, und ihm dann das Bad ordentlich zu gesegnen. Doch es ging besser, als er dachte. Ueberraschend bald sah er von der Ecke der Haupt- und der Quergasse, wo er sich aufgestellt hatte, Tobias aus dem Pfarrhof schleichen, wodurch seine Wuth freilich nicht gemindert wurde. Er eilte voraus, stellte sich in einem Winkel hinter seinem Nachbarhaus auf und lauerte mit geballten Fäusten, um auf sein Schlachtopfer hervorzustürzen. Er schlug, bis der Zorn in ihm völlig satt war — mehr als genug für Tobias. Als er endlich nachließ, erhob sich der Gezüchtigte mit Mühe und stieß, vor Wuth und Scham heulend, die Worte aus: Das ist schändlich! Ich geh' nie mehr in dein Haus! Fort! Laß mich fort! — Du gehst mit mir, versetzte der Alte mit dem Tone der Allgewalt, faßte ihn mit seiner Rechten, wie mit einem eisernen Haken, und zog ihn mit sich. Anfangs stemmte sich der Arme, dann ließ er sich zerren, und endlich ging er wie ein Lamm ins Haus. Todtmüde, in jedem Betracht gemartert und zerschlagen, hatte er kein anderes Verlangen mehr, als zu Bette zu <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0114"/> ruhig, Ihr könnt ja passen, bis er wieder herauskommt — wenn's Euch nicht zu lang dauert. Gutnacht, Vetter! Er ging behaglich weiter. Der Alte war durch den Gedanken, von dem Sohn aufs Neue und mit so ausstudirter Tücke genarrt zu sein, fast bis zur Sinnlosigkeit aufgebracht. Er faßte den Entschluß, auf den Schändlichen zu warten, wenn er auch bis zum lichten Morgen warten und dastehen sollte, und ihm dann das Bad ordentlich zu gesegnen.</p><lb/> <p>Doch es ging besser, als er dachte. Ueberraschend bald sah er von der Ecke der Haupt- und der Quergasse, wo er sich aufgestellt hatte, Tobias aus dem Pfarrhof schleichen, wodurch seine Wuth freilich nicht gemindert wurde. Er eilte voraus, stellte sich in einem Winkel hinter seinem Nachbarhaus auf und lauerte mit geballten Fäusten, um auf sein Schlachtopfer hervorzustürzen.</p><lb/> <p>Er schlug, bis der Zorn in ihm völlig satt war — mehr als genug für Tobias. Als er endlich nachließ, erhob sich der Gezüchtigte mit Mühe und stieß, vor Wuth und Scham heulend, die Worte aus: Das ist schändlich! Ich geh' nie mehr in dein Haus! Fort! Laß mich fort! — Du gehst mit mir, versetzte der Alte mit dem Tone der Allgewalt, faßte ihn mit seiner Rechten, wie mit einem eisernen Haken, und zog ihn mit sich. Anfangs stemmte sich der Arme, dann ließ er sich zerren, und endlich ging er wie ein Lamm ins Haus. Todtmüde, in jedem Betracht gemartert und zerschlagen, hatte er kein anderes Verlangen mehr, als zu Bette zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
ruhig, Ihr könnt ja passen, bis er wieder herauskommt — wenn's Euch nicht zu lang dauert. Gutnacht, Vetter! Er ging behaglich weiter. Der Alte war durch den Gedanken, von dem Sohn aufs Neue und mit so ausstudirter Tücke genarrt zu sein, fast bis zur Sinnlosigkeit aufgebracht. Er faßte den Entschluß, auf den Schändlichen zu warten, wenn er auch bis zum lichten Morgen warten und dastehen sollte, und ihm dann das Bad ordentlich zu gesegnen.
Doch es ging besser, als er dachte. Ueberraschend bald sah er von der Ecke der Haupt- und der Quergasse, wo er sich aufgestellt hatte, Tobias aus dem Pfarrhof schleichen, wodurch seine Wuth freilich nicht gemindert wurde. Er eilte voraus, stellte sich in einem Winkel hinter seinem Nachbarhaus auf und lauerte mit geballten Fäusten, um auf sein Schlachtopfer hervorzustürzen.
Er schlug, bis der Zorn in ihm völlig satt war — mehr als genug für Tobias. Als er endlich nachließ, erhob sich der Gezüchtigte mit Mühe und stieß, vor Wuth und Scham heulend, die Worte aus: Das ist schändlich! Ich geh' nie mehr in dein Haus! Fort! Laß mich fort! — Du gehst mit mir, versetzte der Alte mit dem Tone der Allgewalt, faßte ihn mit seiner Rechten, wie mit einem eisernen Haken, und zog ihn mit sich. Anfangs stemmte sich der Arme, dann ließ er sich zerren, und endlich ging er wie ein Lamm ins Haus. Todtmüde, in jedem Betracht gemartert und zerschlagen, hatte er kein anderes Verlangen mehr, als zu Bette zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:49:07Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:49:07Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |