Meyr, Melchior: Der Sieg des Schwachen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 47–255. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und lächerlich. Daß man sich heirathe, und zwar aus Liebe heirathe, das verlangt man! Wenn aber dann Zwei, die sich gern haben, das thun, was nothwendig geschehen muß, damit das Heirathen vor sich gehen kann, dann soll das eine Missethat sein, als ob man einen hätte umbringen wollen! -- Ein offenbarer Unsinn! -- Unser Bursche, auf dieser Höhe der Betrachtung angelangt, empfand die von den Liebenden aller Zeiten beklagte Anmaßung der Welt so tief -- er war von der Wahrheit, daß andere Leute hier eigentlich gar nichts drein zu reden haben, so gänzlich überzeugt, er war so voll von seinem Recht, die Bäbe zu lieben und zu ihr zu gehen und glücklich zu sein, daß er sich nicht mehr begnügen konnte, bloß stille Gedanken zu bilden, sondern laut und mit kräftiger Betonung ausrief: Donnerwetter! ich möcht' wirklich wissen, wen das was anging'! Auf einmal bekam er von hinten eine Ohrfeige, daß ihm für den Moment Hören und Sehen verging. Rasch folgten zwei andre nach, und eine Stimme voll Wuth und Hohn rief: Da, du Racker! Ich will dir zeigen, wen das was angeht! -- Es war der alte Schneider. -- Tobias, durch die Stimme wieder zu sich gebracht, fühlte über die erlittene Beschimpfung einen Zorn, der sogar über seinen Schrecken Herr wurde; sich schnell umdrehend, streckte er dem Alten, der die Hand wieder erhob, den Arm entgegen, stieß ihn seinerseits unter das Kinn und rief ergrimmt: Ich bin kein Bub' mehr! Ich laß' mich nicht schlagen! -- So, rief der Alte, durch und lächerlich. Daß man sich heirathe, und zwar aus Liebe heirathe, das verlangt man! Wenn aber dann Zwei, die sich gern haben, das thun, was nothwendig geschehen muß, damit das Heirathen vor sich gehen kann, dann soll das eine Missethat sein, als ob man einen hätte umbringen wollen! — Ein offenbarer Unsinn! — Unser Bursche, auf dieser Höhe der Betrachtung angelangt, empfand die von den Liebenden aller Zeiten beklagte Anmaßung der Welt so tief — er war von der Wahrheit, daß andere Leute hier eigentlich gar nichts drein zu reden haben, so gänzlich überzeugt, er war so voll von seinem Recht, die Bäbe zu lieben und zu ihr zu gehen und glücklich zu sein, daß er sich nicht mehr begnügen konnte, bloß stille Gedanken zu bilden, sondern laut und mit kräftiger Betonung ausrief: Donnerwetter! ich möcht' wirklich wissen, wen das was anging'! Auf einmal bekam er von hinten eine Ohrfeige, daß ihm für den Moment Hören und Sehen verging. Rasch folgten zwei andre nach, und eine Stimme voll Wuth und Hohn rief: Da, du Racker! Ich will dir zeigen, wen das was angeht! — Es war der alte Schneider. — Tobias, durch die Stimme wieder zu sich gebracht, fühlte über die erlittene Beschimpfung einen Zorn, der sogar über seinen Schrecken Herr wurde; sich schnell umdrehend, streckte er dem Alten, der die Hand wieder erhob, den Arm entgegen, stieß ihn seinerseits unter das Kinn und rief ergrimmt: Ich bin kein Bub' mehr! Ich laß' mich nicht schlagen! — So, rief der Alte, durch <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0112"/> und lächerlich. Daß man sich heirathe, und zwar aus Liebe heirathe, das verlangt man! Wenn aber dann Zwei, die sich gern haben, das thun, was nothwendig geschehen muß, damit das Heirathen vor sich gehen kann, dann soll das eine Missethat sein, als ob man einen hätte umbringen wollen! — Ein offenbarer Unsinn! —</p><lb/> <p>Unser Bursche, auf dieser Höhe der Betrachtung angelangt, empfand die von den Liebenden aller Zeiten beklagte Anmaßung der Welt so tief — er war von der Wahrheit, daß andere Leute hier eigentlich gar nichts drein zu reden haben, so gänzlich überzeugt, er war so voll von seinem Recht, die Bäbe zu lieben und zu ihr zu gehen und glücklich zu sein, daß er sich nicht mehr begnügen konnte, bloß stille Gedanken zu bilden, sondern laut und mit kräftiger Betonung ausrief: Donnerwetter! ich möcht' wirklich wissen, wen das was anging'!</p><lb/> <p>Auf einmal bekam er von hinten eine Ohrfeige, daß ihm für den Moment Hören und Sehen verging. Rasch folgten zwei andre nach, und eine Stimme voll Wuth und Hohn rief: Da, du Racker! Ich will dir zeigen, wen das was angeht! — Es war der alte Schneider. —</p><lb/> <p>Tobias, durch die Stimme wieder zu sich gebracht, fühlte über die erlittene Beschimpfung einen Zorn, der sogar über seinen Schrecken Herr wurde; sich schnell umdrehend, streckte er dem Alten, der die Hand wieder erhob, den Arm entgegen, stieß ihn seinerseits unter das Kinn und rief ergrimmt: Ich bin kein Bub' mehr! Ich laß' mich nicht schlagen! — So, rief der Alte, durch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0112]
und lächerlich. Daß man sich heirathe, und zwar aus Liebe heirathe, das verlangt man! Wenn aber dann Zwei, die sich gern haben, das thun, was nothwendig geschehen muß, damit das Heirathen vor sich gehen kann, dann soll das eine Missethat sein, als ob man einen hätte umbringen wollen! — Ein offenbarer Unsinn! —
Unser Bursche, auf dieser Höhe der Betrachtung angelangt, empfand die von den Liebenden aller Zeiten beklagte Anmaßung der Welt so tief — er war von der Wahrheit, daß andere Leute hier eigentlich gar nichts drein zu reden haben, so gänzlich überzeugt, er war so voll von seinem Recht, die Bäbe zu lieben und zu ihr zu gehen und glücklich zu sein, daß er sich nicht mehr begnügen konnte, bloß stille Gedanken zu bilden, sondern laut und mit kräftiger Betonung ausrief: Donnerwetter! ich möcht' wirklich wissen, wen das was anging'!
Auf einmal bekam er von hinten eine Ohrfeige, daß ihm für den Moment Hören und Sehen verging. Rasch folgten zwei andre nach, und eine Stimme voll Wuth und Hohn rief: Da, du Racker! Ich will dir zeigen, wen das was angeht! — Es war der alte Schneider. —
Tobias, durch die Stimme wieder zu sich gebracht, fühlte über die erlittene Beschimpfung einen Zorn, der sogar über seinen Schrecken Herr wurde; sich schnell umdrehend, streckte er dem Alten, der die Hand wieder erhob, den Arm entgegen, stieß ihn seinerseits unter das Kinn und rief ergrimmt: Ich bin kein Bub' mehr! Ich laß' mich nicht schlagen! — So, rief der Alte, durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T14:49:07Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T14:49:07Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |