Nachdeme nun unsere Selige in der Kirche durch die Gnade, in diesen erstau- nenden, aber doch seligen Stand gesetzet wurde, so konnte sie kaum das Ende des öffentlichen Gottesdienstes erwarten. Sie eilete nach Vollendung desselben in der äus- sersten Bestürzung nach Hause, und legte sich als eine Tod-Krankne und Schwache zu Bette. Da gienge es ihr, wie David saget: HErr! sey mir gnädig, dann ich bin schwach, heile mich HErr, denn meine Gebeine sind erschrocken. Psalm 6:3. und Psalm 38:3.4. Deine Pfeile stecken in mir, und deine Hand dru- cket mich, es ist nichts gesundes an meinem Leibe für deinem Dräuen, und ist kein Friede in meinen Gebei- nen für meiner Sünde. Und wie der Braut im Hohenlied Salom. 5:8. Saget meinem Freund, daß ich für Liebe krank liege.
Mitleidiger Arzt! reisse nicht nur in meiner Seele die letzte Wunde auf, die noch nicht geheftet und verbunden ist, (aber lin- dere sie auch mit Wein und Oele,) sondern verwunde mit deinen Liebespfeilen mein ganzes Herz, und lasse es nicht anders ge- nesen, als durch eine völlige und ewige Ver- mählung mit dir, du Schönster unter den Menschenkindern!
So
Der groſſen und ſeligen
Nachdeme nun unſere Selige in der Kirche durch die Gnade, in dieſen erſtau- nenden, aber doch ſeligen Stand geſetzet wurde, ſo konnte ſie kaum das Ende des oͤffentlichen Gottesdienſtes erwarten. Sie eilete nach Vollendung deſſelben in der aͤuſ- ſerſten Beſtuͤrzung nach Hauſe, und legte ſich als eine Tod-Krankne und Schwache zu Bette. Da gienge es ihr, wie David ſaget: HErr! ſey mir gnaͤdig, dann ich bin ſchwach, heile mich HErr, denn meine Gebeine ſind erſchrocken. Pſalm 6:3. und Pſalm 38:3.4. Deine Pfeile ſtecken in mir, und deine Hand dru- cket mich, es iſt nichts geſundes an meinem Leibe fuͤr deinem Draͤuen, und iſt kein Friede in meinen Gebei- nen fuͤr meiner Suͤnde. Und wie der Braut im Hohenlied Salom. 5:8. Saget meinem Freund, daß ich fuͤr Liebe krank liege.
Mitleidiger Arzt! reiſſe nicht nur in meiner Seele die letzte Wunde auf, die noch nicht geheftet und verbunden iſt, (aber lin- dere ſie auch mit Wein und Oele,) ſondern verwunde mit deinen Liebespfeilen mein ganzes Herz, und laſſe es nicht anders ge- neſen, als durch eine voͤllige und ewige Ver- maͤhlung mit dir, du Schoͤnſter unter den Menſchenkindern!
So
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0088"n="36"/><fwplace="top"type="header">Der groſſen und ſeligen</fw><lb/><p>Nachdeme nun unſere Selige in der<lb/>
Kirche durch die Gnade, in dieſen erſtau-<lb/>
nenden, aber doch ſeligen Stand geſetzet<lb/>
wurde, ſo konnte ſie kaum das Ende des<lb/>
oͤffentlichen Gottesdienſtes erwarten. Sie<lb/>
eilete nach Vollendung deſſelben in der aͤuſ-<lb/>ſerſten Beſtuͤrzung nach Hauſe, und legte<lb/>ſich als eine Tod-Krankne und Schwache<lb/>
zu Bette. Da gienge es ihr, <hirendition="#fr">wie David<lb/>ſaget: HErr! ſey mir gnaͤdig, dann ich<lb/>
bin ſchwach, heile mich HErr, denn<lb/>
meine Gebeine ſind erſchrocken.</hi> Pſalm<lb/>
6:3. und Pſalm 38:3.4. <hirendition="#fr">Deine Pfeile<lb/>ſtecken in mir, und deine Hand dru-<lb/>
cket mich, es iſt nichts geſundes an<lb/>
meinem Leibe fuͤr deinem Draͤuen,<lb/>
und iſt kein Friede in meinen Gebei-<lb/>
nen fuͤr meiner Suͤnde.</hi> Und wie der<lb/>
Braut im Hohenlied Salom. 5:8. <hirendition="#fr">Saget<lb/>
meinem Freund, daß ich fuͤr Liebe<lb/>
krank liege.</hi></p><lb/><p>Mitleidiger Arzt! reiſſe nicht nur in<lb/>
meiner Seele die letzte Wunde auf, die noch<lb/>
nicht geheftet und verbunden iſt, (aber lin-<lb/>
dere ſie auch mit Wein und Oele,) ſondern<lb/>
verwunde mit deinen Liebespfeilen mein<lb/>
ganzes Herz, und laſſe es nicht anders ge-<lb/>
neſen, als durch eine voͤllige und ewige Ver-<lb/>
maͤhlung mit dir, du Schoͤnſter unter den<lb/>
Menſchenkindern!</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[36/0088]
Der groſſen und ſeligen
Nachdeme nun unſere Selige in der
Kirche durch die Gnade, in dieſen erſtau-
nenden, aber doch ſeligen Stand geſetzet
wurde, ſo konnte ſie kaum das Ende des
oͤffentlichen Gottesdienſtes erwarten. Sie
eilete nach Vollendung deſſelben in der aͤuſ-
ſerſten Beſtuͤrzung nach Hauſe, und legte
ſich als eine Tod-Krankne und Schwache
zu Bette. Da gienge es ihr, wie David
ſaget: HErr! ſey mir gnaͤdig, dann ich
bin ſchwach, heile mich HErr, denn
meine Gebeine ſind erſchrocken. Pſalm
6:3. und Pſalm 38:3.4. Deine Pfeile
ſtecken in mir, und deine Hand dru-
cket mich, es iſt nichts geſundes an
meinem Leibe fuͤr deinem Draͤuen,
und iſt kein Friede in meinen Gebei-
nen fuͤr meiner Suͤnde. Und wie der
Braut im Hohenlied Salom. 5:8. Saget
meinem Freund, daß ich fuͤr Liebe
krank liege.
Mitleidiger Arzt! reiſſe nicht nur in
meiner Seele die letzte Wunde auf, die noch
nicht geheftet und verbunden iſt, (aber lin-
dere ſie auch mit Wein und Oele,) ſondern
verwunde mit deinen Liebespfeilen mein
ganzes Herz, und laſſe es nicht anders ge-
neſen, als durch eine voͤllige und ewige Ver-
maͤhlung mit dir, du Schoͤnſter unter den
Menſchenkindern!
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/88>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.