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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
Freunde, wenn du aber in der Gnadenzeit
nicht nüchtern wirst, so werden sie deine
Peiniger werden in Ewigkeit. Betrachte
an dem Exempel dieser erweckten Seele,
was du noch wissen, sehen, fühlen und su-
chen mußt, wenn du dem Zorn des HErrn
entrinnen willt. Was liegest du, o Fau-
ler! was säumest du dich, armer Trunke-
ner! wache auf! stehe auf von denen Tod-
ten! eile zu Christo! daß er dich erleuchte,
dir zeige, was zu deinem Frieden dienet,
und dir in der Kraft seines Blutes und To-
des aus dem Tode ins Leben verhelfe. Aber
stehe auch hier stille! du durch eigene Ge-
rechtigkeit und Ehrbarkeit betrogener Sün-
der! du meynest, du habest keine heidnische
Missethaten und Uebertrettungen in deinem
Leben begangen, deine Seele seye also nicht
so hart verwundet; aber arme verwirrte
Seele, du kennest den innern Erbgreuel der
Sünde, den verdammlichen Unglauben,
und die viele herrschende innerlich und heim-
lich versteckte Sünden, Abweichungen und
Uebertrettungen nicht, die dich eben so
wohl, wie einen groben Sünder, vor GOtt
verdammlich machen; und dein größtes
Uebel dabey ist dieses, daß das Blendwerk
deiner eigenen Gutheit, und die schöne Ein-
bildungen, die du von dir selber hast, dich
hindern, den Heyland in seiner blutigen

Ver-

Der groſſen und ſeligen
Freunde, wenn du aber in der Gnadenzeit
nicht nuͤchtern wirſt, ſo werden ſie deine
Peiniger werden in Ewigkeit. Betrachte
an dem Exempel dieſer erweckten Seele,
was du noch wiſſen, ſehen, fuͤhlen und ſu-
chen mußt, wenn du dem Zorn des HErrn
entrinnen willt. Was liegeſt du, o Fau-
ler! was ſaͤumeſt du dich, armer Trunke-
ner! wache auf! ſtehe auf von denen Tod-
ten! eile zu Chriſto! daß er dich erleuchte,
dir zeige, was zu deinem Frieden dienet,
und dir in der Kraft ſeines Blutes und To-
des aus dem Tode ins Leben verhelfe. Aber
ſtehe auch hier ſtille! du durch eigene Ge-
rechtigkeit und Ehrbarkeit betrogener Suͤn-
der! du meyneſt, du habeſt keine heidniſche
Miſſethaten und Uebertrettungen in deinem
Leben begangen, deine Seele ſeye alſo nicht
ſo hart verwundet; aber arme verwirrte
Seele, du kenneſt den innern Erbgreuel der
Suͤnde, den verdammlichen Unglauben,
und die viele herrſchende innerlich und heim-
lich verſteckte Suͤnden, Abweichungen und
Uebertrettungen nicht, die dich eben ſo
wohl, wie einen groben Suͤnder, vor GOtt
verdammlich machen; und dein groͤßtes
Uebel dabey iſt dieſes, daß das Blendwerk
deiner eigenen Gutheit, und die ſchoͤne Ein-
bildungen, die du von dir ſelber haſt, dich
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[34/0086] Der groſſen und ſeligen Freunde, wenn du aber in der Gnadenzeit nicht nuͤchtern wirſt, ſo werden ſie deine Peiniger werden in Ewigkeit. Betrachte an dem Exempel dieſer erweckten Seele, was du noch wiſſen, ſehen, fuͤhlen und ſu- chen mußt, wenn du dem Zorn des HErrn entrinnen willt. Was liegeſt du, o Fau- ler! was ſaͤumeſt du dich, armer Trunke- ner! wache auf! ſtehe auf von denen Tod- ten! eile zu Chriſto! daß er dich erleuchte, dir zeige, was zu deinem Frieden dienet, und dir in der Kraft ſeines Blutes und To- des aus dem Tode ins Leben verhelfe. Aber ſtehe auch hier ſtille! du durch eigene Ge- rechtigkeit und Ehrbarkeit betrogener Suͤn- der! du meyneſt, du habeſt keine heidniſche Miſſethaten und Uebertrettungen in deinem Leben begangen, deine Seele ſeye alſo nicht ſo hart verwundet; aber arme verwirrte Seele, du kenneſt den innern Erbgreuel der Suͤnde, den verdammlichen Unglauben, und die viele herrſchende innerlich und heim- lich verſteckte Suͤnden, Abweichungen und Uebertrettungen nicht, die dich eben ſo wohl, wie einen groben Suͤnder, vor GOtt verdammlich machen; und dein groͤßtes Uebel dabey iſt dieſes, daß das Blendwerk deiner eigenen Gutheit, und die ſchoͤne Ein- bildungen, die du von dir ſelber haſt, dich hindern, den Heyland in ſeiner blutigen Ver-

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/86>, abgerufen am 27.04.2024.