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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. I. Stück.
rigkeit nach GOtt in ihrer Seele gewürket.
So gebeugt und gekrümmet sie aber da als
ein armer schier zertrettener Wurm in ih-
rem Blute und Wunden lage, je ohnmäch-
tiger sie sich in ihrem äussersten Verderben
sahe; desto tiefer drange ihr zum andern das
Gesichte von der Allgenugsamkeit des Hey-
landes in ihr Herze; JEsus in seiner blu-
tigen Gerechtigkeit und Versöhnung wurde
ihr nun über alle Maßen nothwendig,
theuer und herrlich; die innerste Seelenkräf-
te wurden in den schmachtesten und seh-
nendesten Trieben und Begierden nach de-
nen Wunden Jmmanuels gezogen und fort-
getrieben, sie lage mit Saulo erschrocken zu
denen Füssen JEsu, und suchte in der
Gnade desselben Errettung für die arme
und ohnmächtige Seele.

Stehe doch hier ein jeder Sünder stil-
le, der bis hieher in dem Tode seiner Sün-
den ohne Kummer gelebet, dessen Augen
von denen Schuppen der geistlichen Blind-
heit, und von denen Nebeln der Sicherheit
noch verblendet gewesen. Siehe, o Seele!
was für Abgründe, die dir erst in der Ewig-
keit entsetzlich und fürchterlich werden könn-
ten, dir bis hieher verborgen gewesen, schaue
hier, was für Feinde du so willig in deinem
Herzen herrschen lässest! Sie schmeicheln
dir jetzt, und zeigen sich als deine besten

Freun-
C

Thaten der Gnade. I. Stuͤck.
rigkeit nach GOtt in ihrer Seele gewuͤrket.
So gebeugt und gekruͤmmet ſie aber da als
ein armer ſchier zertrettener Wurm in ih-
rem Blute und Wunden lage, je ohnmaͤch-
tiger ſie ſich in ihrem aͤuſſerſten Verderben
ſahe; deſto tiefer drange ihr zum andern das
Geſichte von der Allgenugſamkeit des Hey-
landes in ihr Herze; JEſus in ſeiner blu-
tigen Gerechtigkeit und Verſoͤhnung wurde
ihr nun uͤber alle Maßen nothwendig,
theuer und herrlich; die innerſte Seelenkraͤf-
te wurden in den ſchmachteſten und ſeh-
nendeſten Trieben und Begierden nach de-
nen Wunden Jmmanuels gezogen und fort-
getrieben, ſie lage mit Saulo erſchrocken zu
denen Fuͤſſen JEſu, und ſuchte in der
Gnade deſſelben Errettung fuͤr die arme
und ohnmaͤchtige Seele.

Stehe doch hier ein jeder Suͤnder ſtil-
le, der bis hieher in dem Tode ſeiner Suͤn-
den ohne Kummer gelebet, deſſen Augen
von denen Schuppen der geiſtlichen Blind-
heit, und von denen Nebeln der Sicherheit
noch verblendet geweſen. Siehe, o Seele!
was fuͤr Abgruͤnde, die dir erſt in der Ewig-
keit entſetzlich und fuͤrchterlich werden koͤnn-
ten, dir bis hieher verborgen geweſen, ſchaue
hier, was fuͤr Feinde du ſo willig in deinem
Herzen herrſchen laͤſſeſt! Sie ſchmeicheln
dir jetzt, und zeigen ſich als deine beſten

Freun-
C
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[33/0085] Thaten der Gnade. I. Stuͤck. rigkeit nach GOtt in ihrer Seele gewuͤrket. So gebeugt und gekruͤmmet ſie aber da als ein armer ſchier zertrettener Wurm in ih- rem Blute und Wunden lage, je ohnmaͤch- tiger ſie ſich in ihrem aͤuſſerſten Verderben ſahe; deſto tiefer drange ihr zum andern das Geſichte von der Allgenugſamkeit des Hey- landes in ihr Herze; JEſus in ſeiner blu- tigen Gerechtigkeit und Verſoͤhnung wurde ihr nun uͤber alle Maßen nothwendig, theuer und herrlich; die innerſte Seelenkraͤf- te wurden in den ſchmachteſten und ſeh- nendeſten Trieben und Begierden nach de- nen Wunden Jmmanuels gezogen und fort- getrieben, ſie lage mit Saulo erſchrocken zu denen Fuͤſſen JEſu, und ſuchte in der Gnade deſſelben Errettung fuͤr die arme und ohnmaͤchtige Seele. Stehe doch hier ein jeder Suͤnder ſtil- le, der bis hieher in dem Tode ſeiner Suͤn- den ohne Kummer gelebet, deſſen Augen von denen Schuppen der geiſtlichen Blind- heit, und von denen Nebeln der Sicherheit noch verblendet geweſen. Siehe, o Seele! was fuͤr Abgruͤnde, die dir erſt in der Ewig- keit entſetzlich und fuͤrchterlich werden koͤnn- ten, dir bis hieher verborgen geweſen, ſchaue hier, was fuͤr Feinde du ſo willig in deinem Herzen herrſchen laͤſſeſt! Sie ſchmeicheln dir jetzt, und zeigen ſich als deine beſten Freun- C

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/85>, abgerufen am 28.04.2024.