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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. I. Stück.

O wie viel besser wäre es! mit David
vor Nathan sprechen: Jch habe wider den
HErrn gesündiget, oder seine Hand mit
Ephraim schamroth auf die Hüfte schlagen,
oder gar mit jener bußfertigen Sünderin
auch vor den Pharisäern mit Thränen zu
denen Füssen JEsu fallen, als unempfind-
lich und stumm in die Ewigkeit zu gehen,
und dasjenige vor der ganzen Welt mit
Scham und Schrecken anzuhören, was
man vor einem einigen Menschen zu entde-
cken sich geschämet hat. a.)

Nachdeme aber der HErr nach der
Vielheit seiner Erbarmungen einmahl an-
gefangen hatte, diese verlockte Taube in
sein Garn zu bringen, so legte er die Sei-
ler seiner Liebe immer näher an ihr Herz,
und strengte sie alle Tage kräftiger an, in
mehrerem Ernst seine Gnade zu begehren.
Sie fienge auch um diese Zeit an, den HErrn
JEsum darum zu beten, daß er ihr doch
in seinem Licht das ganze Sündenelend ent-

decken,
a.) Es ist sehr erwecklich, und gereicht manchem
zur Beschämung, was hier von sich selbsten
Augustinus, Lib. Confess. 4: c, I. schreibet:
Es mögen mich (spricht er) die Hochmüthi-
gen immerhin auslachen, und die, so noch
nicht, mein GOtt! vor dir erniedriget
sind; ich bekenne dir doch meine Missethat
zu deinem Preiße
.
B 4
Thaten der Gnade. I. Stuͤck.

O wie viel beſſer waͤre es! mit David
vor Nathan ſprechen: Jch habe wider den
HErrn geſuͤndiget, oder ſeine Hand mit
Ephraim ſchamroth auf die Huͤfte ſchlagen,
oder gar mit jener bußfertigen Suͤnderin
auch vor den Phariſaͤern mit Thraͤnen zu
denen Fuͤſſen JEſu fallen, als unempfind-
lich und ſtumm in die Ewigkeit zu gehen,
und dasjenige vor der ganzen Welt mit
Scham und Schrecken anzuhoͤren, was
man vor einem einigen Menſchen zu entde-
cken ſich geſchaͤmet hat. a.)

Nachdeme aber der HErr nach der
Vielheit ſeiner Erbarmungen einmahl an-
gefangen hatte, dieſe verlockte Taube in
ſein Garn zu bringen, ſo legte er die Sei-
ler ſeiner Liebe immer naͤher an ihr Herz,
und ſtrengte ſie alle Tage kraͤftiger an, in
mehrerem Ernſt ſeine Gnade zu begehren.
Sie fienge auch um dieſe Zeit an, den HErrn
JEſum darum zu beten, daß er ihr doch
in ſeinem Licht das ganze Suͤndenelend ent-

decken,
a.) Es iſt ſehr erwecklich, und gereicht manchem
zur Beſchaͤmung, was hier von ſich ſelbſten
Auguſtinus, Lib. Confeſſ. 4: c, I. ſchreibet:
Es moͤgen mich (ſpricht er) die Hochmuͤthi-
gen immerhin auslachen, und die, ſo noch
nicht, mein GOtt! vor dir erniedriget
ſind; ich bekenne dir doch meine Miſſethat
zu deinem Preiße
.
B 4
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[23/0075] Thaten der Gnade. I. Stuͤck. O wie viel beſſer waͤre es! mit David vor Nathan ſprechen: Jch habe wider den HErrn geſuͤndiget, oder ſeine Hand mit Ephraim ſchamroth auf die Huͤfte ſchlagen, oder gar mit jener bußfertigen Suͤnderin auch vor den Phariſaͤern mit Thraͤnen zu denen Fuͤſſen JEſu fallen, als unempfind- lich und ſtumm in die Ewigkeit zu gehen, und dasjenige vor der ganzen Welt mit Scham und Schrecken anzuhoͤren, was man vor einem einigen Menſchen zu entde- cken ſich geſchaͤmet hat. a.) Nachdeme aber der HErr nach der Vielheit ſeiner Erbarmungen einmahl an- gefangen hatte, dieſe verlockte Taube in ſein Garn zu bringen, ſo legte er die Sei- ler ſeiner Liebe immer naͤher an ihr Herz, und ſtrengte ſie alle Tage kraͤftiger an, in mehrerem Ernſt ſeine Gnade zu begehren. Sie fienge auch um dieſe Zeit an, den HErrn JEſum darum zu beten, daß er ihr doch in ſeinem Licht das ganze Suͤndenelend ent- decken, a.) Es iſt ſehr erwecklich, und gereicht manchem zur Beſchaͤmung, was hier von ſich ſelbſten Auguſtinus, Lib. Confeſſ. 4: c, I. ſchreibet: Es moͤgen mich (ſpricht er) die Hochmuͤthi- gen immerhin auslachen, und die, ſo noch nicht, mein GOtt! vor dir erniedriget ſind; ich bekenne dir doch meine Miſſethat zu deinem Preiße. B 4

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/75>, abgerufen am 28.04.2024.