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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
begleitet ist, und haltet das Gewissen ab,
einen Weg oder Rath zu seiner Ruhe zu
suchen: Man fürchtet, man würde sich
durch offenherzige Bekänntniß seines See-
lenübels bey andern in bösen Argwohn,
Verdacht und Verachtung setzen, der gu-
te Name, die Ehre und Achtung unter de-
nen Menschen würde dardurch leiden, ja
man würde sich gar der äussersten Schande
oder Gefahr bloß stellen, aber damit hin-
dert der arme Mensch sich selbst an seiner
Genesung, und macht öfters, daß die Hand
GOttes immer schwerer über ihn wird; er
fället auf selbsterwählte Mittel, sind diese
Mittel schon gut, so braucht man dieselben
wider die göttlichen Absichten; und da ge-
schieht es denn öfters, daß alle heilsame
Unruhe des Gewissens und alles Gefühl
der Sünde dardurch wieder unterdrucket
wird, der arme Mensch meynt, es seye
ihm nun wieder wohl, aber er weißt nicht,
daß die Seele vielleicht wieder in einem fal-
schen Schlummer der Sicherheit lieget.
Bleibt aber Empfindlichkeit, so sucht der
Feind die Seele (die sich schämt, Rath und
Anweisung zum Frieden zu suchen) so zu
verwickeln, daß sie weder ein noch aus
weißt, und oft alle Arbeit des Geistes un-
terbrochen wird.

O wie

Der groſſen und ſeligen
begleitet iſt, und haltet das Gewiſſen ab,
einen Weg oder Rath zu ſeiner Ruhe zu
ſuchen: Man fuͤrchtet, man wuͤrde ſich
durch offenherzige Bekaͤnntniß ſeines See-
lenuͤbels bey andern in boͤſen Argwohn,
Verdacht und Verachtung ſetzen, der gu-
te Name, die Ehre und Achtung unter de-
nen Menſchen wuͤrde dardurch leiden, ja
man wuͤrde ſich gar der aͤuſſerſten Schande
oder Gefahr bloß ſtellen, aber damit hin-
dert der arme Menſch ſich ſelbſt an ſeiner
Geneſung, und macht oͤfters, daß die Hand
GOttes immer ſchwerer uͤber ihn wird; er
faͤllet auf ſelbſterwaͤhlte Mittel, ſind dieſe
Mittel ſchon gut, ſo braucht man dieſelben
wider die goͤttlichen Abſichten; und da ge-
ſchieht es denn oͤfters, daß alle heilſame
Unruhe des Gewiſſens und alles Gefuͤhl
der Suͤnde dardurch wieder unterdrucket
wird, der arme Menſch meynt, es ſeye
ihm nun wieder wohl, aber er weißt nicht,
daß die Seele vielleicht wieder in einem fal-
ſchen Schlummer der Sicherheit lieget.
Bleibt aber Empfindlichkeit, ſo ſucht der
Feind die Seele (die ſich ſchaͤmt, Rath und
Anweiſung zum Frieden zu ſuchen) ſo zu
verwickeln, daß ſie weder ein noch aus
weißt, und oft alle Arbeit des Geiſtes un-
terbrochen wird.

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[22/0074] Der groſſen und ſeligen begleitet iſt, und haltet das Gewiſſen ab, einen Weg oder Rath zu ſeiner Ruhe zu ſuchen: Man fuͤrchtet, man wuͤrde ſich durch offenherzige Bekaͤnntniß ſeines See- lenuͤbels bey andern in boͤſen Argwohn, Verdacht und Verachtung ſetzen, der gu- te Name, die Ehre und Achtung unter de- nen Menſchen wuͤrde dardurch leiden, ja man wuͤrde ſich gar der aͤuſſerſten Schande oder Gefahr bloß ſtellen, aber damit hin- dert der arme Menſch ſich ſelbſt an ſeiner Geneſung, und macht oͤfters, daß die Hand GOttes immer ſchwerer uͤber ihn wird; er faͤllet auf ſelbſterwaͤhlte Mittel, ſind dieſe Mittel ſchon gut, ſo braucht man dieſelben wider die goͤttlichen Abſichten; und da ge- ſchieht es denn oͤfters, daß alle heilſame Unruhe des Gewiſſens und alles Gefuͤhl der Suͤnde dardurch wieder unterdrucket wird, der arme Menſch meynt, es ſeye ihm nun wieder wohl, aber er weißt nicht, daß die Seele vielleicht wieder in einem fal- ſchen Schlummer der Sicherheit lieget. Bleibt aber Empfindlichkeit, ſo ſucht der Feind die Seele (die ſich ſchaͤmt, Rath und Anweiſung zum Frieden zu ſuchen) ſo zu verwickeln, daß ſie weder ein noch aus weißt, und oft alle Arbeit des Geiſtes un- terbrochen wird. O wie

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/74>, abgerufen am 27.04.2024.