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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. I. Stück.
gen trägt, die sie so gerne und mit so heissen
Begierden in ihre Vereinigung nur darum
ziehen möchte, damit sie dieselbigen mit der
vollkommensten und einer ewig daurenden
Herrlichkeit erfreuen könnte? Sind es Ge-
schöpfe, die sich um diese Liebe verdient ge-
macht? Sind es Menschen, die durch et-
was liebenswürdiges dieselbe reitzen, und zu
diesem nach ihrem Heyl so sehnlichen Ver-
langen bewegen mögen? Nein! es sind
Menschen, die diese Liebe mit unendlich
vielen Sünden betrübet. Sünder! die sich
durch die schändliche Untreue bey derselben
stinkend und häßlich gemacht. Rebellen!
die durch den muthwilligsten Abfall sich aus
ihren Armen gerissen, und in die tiefste Ab-
gründe des Verderbens gestürzet. Arme
Würme, die mit Staube und Unflath be-
decket, die mit Blut und Wunden beflecket,
die dem Tode und Untergang alle Augen-
blicke näher waren, diese in sich verwerfli-
che, diese elende und so erbärmlich zugerich-
tete Geschöpfe sind nun das Ziel der ewigen
Liebe, und ihrer unermüdeten Bemühun-
gen, dieselbe ihrem Jammer zu entreissen,
und zu der größten Glückseligkeit zu erhö-
hen. O der unbegreiflichen, und alle Be-
griffe der Menschen übersteigenden Liebe!
Es steht aber dieselbe bey ihrem Wünschen
und Verlangen nicht stille, sondern sparet

weder
A 2

Thaten der Gnade. I. Stuͤck.
gen traͤgt, die ſie ſo gerne und mit ſo heiſſen
Begierden in ihre Vereinigung nur darum
ziehen moͤchte, damit ſie dieſelbigen mit der
vollkommenſten und einer ewig daurenden
Herrlichkeit erfreuen koͤnnte? Sind es Ge-
ſchoͤpfe, die ſich um dieſe Liebe verdient ge-
macht? Sind es Menſchen, die durch et-
was liebenswuͤrdiges dieſelbe reitzen, und zu
dieſem nach ihrem Heyl ſo ſehnlichen Ver-
langen bewegen moͤgen? Nein! es ſind
Menſchen, die dieſe Liebe mit unendlich
vielen Suͤnden betruͤbet. Suͤnder! die ſich
durch die ſchaͤndliche Untreue bey derſelben
ſtinkend und haͤßlich gemacht. Rebellen!
die durch den muthwilligſten Abfall ſich aus
ihren Armen geriſſen, und in die tiefſte Ab-
gruͤnde des Verderbens geſtuͤrzet. Arme
Wuͤrme, die mit Staube und Unflath be-
decket, die mit Blut und Wunden beflecket,
die dem Tode und Untergang alle Augen-
blicke naͤher waren, dieſe in ſich verwerfli-
che, dieſe elende und ſo erbaͤrmlich zugerich-
tete Geſchoͤpfe ſind nun das Ziel der ewigen
Liebe, und ihrer unermuͤdeten Bemuͤhun-
gen, dieſelbe ihrem Jammer zu entreiſſen,
und zu der groͤßten Gluͤckſeligkeit zu erhoͤ-
hen. O der unbegreiflichen, und alle Be-
griffe der Menſchen uͤberſteigenden Liebe!
Es ſteht aber dieſelbe bey ihrem Wuͤnſchen
und Verlangen nicht ſtille, ſondern ſparet

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[3/0055] Thaten der Gnade. I. Stuͤck. gen traͤgt, die ſie ſo gerne und mit ſo heiſſen Begierden in ihre Vereinigung nur darum ziehen moͤchte, damit ſie dieſelbigen mit der vollkommenſten und einer ewig daurenden Herrlichkeit erfreuen koͤnnte? Sind es Ge- ſchoͤpfe, die ſich um dieſe Liebe verdient ge- macht? Sind es Menſchen, die durch et- was liebenswuͤrdiges dieſelbe reitzen, und zu dieſem nach ihrem Heyl ſo ſehnlichen Ver- langen bewegen moͤgen? Nein! es ſind Menſchen, die dieſe Liebe mit unendlich vielen Suͤnden betruͤbet. Suͤnder! die ſich durch die ſchaͤndliche Untreue bey derſelben ſtinkend und haͤßlich gemacht. Rebellen! die durch den muthwilligſten Abfall ſich aus ihren Armen geriſſen, und in die tiefſte Ab- gruͤnde des Verderbens geſtuͤrzet. Arme Wuͤrme, die mit Staube und Unflath be- decket, die mit Blut und Wunden beflecket, die dem Tode und Untergang alle Augen- blicke naͤher waren, dieſe in ſich verwerfli- che, dieſe elende und ſo erbaͤrmlich zugerich- tete Geſchoͤpfe ſind nun das Ziel der ewigen Liebe, und ihrer unermuͤdeten Bemuͤhun- gen, dieſelbe ihrem Jammer zu entreiſſen, und zu der groͤßten Gluͤckſeligkeit zu erhoͤ- hen. O der unbegreiflichen, und alle Be- griffe der Menſchen uͤberſteigenden Liebe! Es ſteht aber dieſelbe bey ihrem Wuͤnſchen und Verlangen nicht ſtille, ſondern ſparet weder A 2

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/55>, abgerufen am 28.04.2024.