lassen. Der Sturm bricht die höchsten Ce- dern, und reißt öfters die stärksten Eich- bäume um, da die kleinsten und auf der Erde kriechenden Sträuchlein sicher sind.
Bey ihrem demüthigen und stillen Fort- gange in denen Wegen der Gnade fehlte es ihr aber an dem Creutze nicht. Jhrem Lei- be nach war sie wegen vielen Krankheiten sehr elende, viele Feinde machten das Le- ben noch beschwerlicher. Schmach, Ver- achtung und Lästerung von Bösen ward ihr täglicher Theil. Diese vielfältigen Lei- den machten zu Zeiten ihrer Seele so schwe- re Stunden, daß sie unter den beständigen Leiden meynte, der HErr habe ihr verges- sen, und seine Hand von ihr abgezo- gen.
Jn solche dunkele Stunden gerathen un- ter den schweren Leiden viele Kinder GOt- tes. Muß manches unter harter Armuth, Haß, Lästerung, Unrecht, Krankheit oder andern Proben lange seufzen, empfindet es zu Zeiten keine oder wenige Erleichterung, so ist der Feind da, und giebt der Seele ein: Wärest du ein Kind GOttes, hätte dein Vater dich lieb, so würdest du in solchem Elende nicht zapeln und zagen dürfen; du siehest also, daß deiner vor dem HErrn ver- gessen, und deine Hofnung eitel und vergeß-
lich
Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
laſſen. Der Sturm bricht die hoͤchſten Ce- dern, und reißt oͤfters die ſtaͤrkſten Eich- baͤume um, da die kleinſten und auf der Erde kriechenden Straͤuchlein ſicher ſind.
Bey ihrem demuͤthigen und ſtillen Fort- gange in denen Wegen der Gnade fehlte es ihr aber an dem Creutze nicht. Jhrem Lei- be nach war ſie wegen vielen Krankheiten ſehr elende, viele Feinde machten das Le- ben noch beſchwerlicher. Schmach, Ver- achtung und Laͤſterung von Boͤſen ward ihr taͤglicher Theil. Dieſe vielfaͤltigen Lei- den machten zu Zeiten ihrer Seele ſo ſchwe- re Stunden, daß ſie unter den beſtaͤndigen Leiden meynte, der HErr habe ihr vergeſ- ſen, und ſeine Hand von ihr abgezo- gen.
Jn ſolche dunkele Stunden gerathen un- ter den ſchweren Leiden viele Kinder GOt- tes. Muß manches unter harter Armuth, Haß, Laͤſterung, Unrecht, Krankheit oder andern Proben lange ſeufzen, empfindet es zu Zeiten keine oder wenige Erleichterung, ſo iſt der Feind da, und giebt der Seele ein: Waͤreſt du ein Kind GOttes, haͤtte dein Vater dich lieb, ſo wuͤrdeſt du in ſolchem Elende nicht zapeln und zagen duͤrfen; du ſieheſt alſo, daß deiner vor dem HErrn ver- geſſen, und deine Hofnung eitel und vergeß-
lich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0417"n="365"/><fwplace="top"type="header">Thaten der Gnade. <hirendition="#aq">IV</hi>. Stuͤck.</fw><lb/>
laſſen. Der Sturm bricht die hoͤchſten Ce-<lb/>
dern, und reißt oͤfters die ſtaͤrkſten Eich-<lb/>
baͤume um, da die kleinſten und auf der<lb/>
Erde kriechenden Straͤuchlein ſicher ſind.</p><lb/><p>Bey ihrem demuͤthigen und ſtillen Fort-<lb/>
gange in denen Wegen der Gnade fehlte es<lb/>
ihr aber an dem Creutze nicht. Jhrem Lei-<lb/>
be nach war ſie wegen vielen Krankheiten<lb/>ſehr elende, viele Feinde machten das Le-<lb/>
ben noch beſchwerlicher. Schmach, Ver-<lb/>
achtung und Laͤſterung von Boͤſen ward<lb/>
ihr taͤglicher Theil. Dieſe vielfaͤltigen Lei-<lb/>
den machten zu Zeiten ihrer Seele ſo ſchwe-<lb/>
re Stunden, daß ſie unter den beſtaͤndigen<lb/>
Leiden meynte, der HErr habe ihr vergeſ-<lb/>ſen, und ſeine Hand von ihr abgezo-<lb/>
gen.</p><lb/><p>Jn ſolche dunkele Stunden gerathen un-<lb/>
ter den ſchweren Leiden viele Kinder GOt-<lb/>
tes. Muß manches unter harter Armuth,<lb/>
Haß, Laͤſterung, Unrecht, Krankheit oder<lb/>
andern Proben lange ſeufzen, empfindet es<lb/>
zu Zeiten keine oder wenige Erleichterung,<lb/>ſo iſt der Feind da, und giebt der Seele ein:<lb/>
Waͤreſt du ein Kind GOttes, haͤtte dein<lb/>
Vater dich lieb, ſo wuͤrdeſt du in ſolchem<lb/>
Elende nicht zapeln und zagen duͤrfen; du<lb/>ſieheſt alſo, daß deiner vor dem HErrn ver-<lb/>
geſſen, und deine Hofnung eitel und vergeß-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lich</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[365/0417]
Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
laſſen. Der Sturm bricht die hoͤchſten Ce-
dern, und reißt oͤfters die ſtaͤrkſten Eich-
baͤume um, da die kleinſten und auf der
Erde kriechenden Straͤuchlein ſicher ſind.
Bey ihrem demuͤthigen und ſtillen Fort-
gange in denen Wegen der Gnade fehlte es
ihr aber an dem Creutze nicht. Jhrem Lei-
be nach war ſie wegen vielen Krankheiten
ſehr elende, viele Feinde machten das Le-
ben noch beſchwerlicher. Schmach, Ver-
achtung und Laͤſterung von Boͤſen ward
ihr taͤglicher Theil. Dieſe vielfaͤltigen Lei-
den machten zu Zeiten ihrer Seele ſo ſchwe-
re Stunden, daß ſie unter den beſtaͤndigen
Leiden meynte, der HErr habe ihr vergeſ-
ſen, und ſeine Hand von ihr abgezo-
gen.
Jn ſolche dunkele Stunden gerathen un-
ter den ſchweren Leiden viele Kinder GOt-
tes. Muß manches unter harter Armuth,
Haß, Laͤſterung, Unrecht, Krankheit oder
andern Proben lange ſeufzen, empfindet es
zu Zeiten keine oder wenige Erleichterung,
ſo iſt der Feind da, und giebt der Seele ein:
Waͤreſt du ein Kind GOttes, haͤtte dein
Vater dich lieb, ſo wuͤrdeſt du in ſolchem
Elende nicht zapeln und zagen duͤrfen; du
ſieheſt alſo, daß deiner vor dem HErrn ver-
geſſen, und deine Hofnung eitel und vergeß-
lich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/417>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.