Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Thaten der Gnade. IV. Stück.
rung seines Mitleidens zu Nutze, halte dich
daran feste, und lasse dich davon nicht ab-
dringen, bis sein ganzes Herz zum Erbar-
men sich gegen dich offen zeiget.

Jn diesem stillen und herzlichen Nach-
fragen nach dem Freund ihrer Seele wurde
sie immer brünstiger, aber auch fester ent-
schlossen, nicht abzulassen, bis sie den Se-
gen von JEsu empfangen. Eines Tages
fühlte sie sich recht innig gedrungen, nach
dem Erbarmen und einer gnädigen Offen-
barung des Heylandes zu schreyen, sie
legte sich in einem Winkel in ihrer Stube,
da sie ganz alleine war, zu seinen Füssen,
sie schüttete da ihr ganzes Herz vor dem
HErrn JEsu aus, sie that ihm ein de-
müthiges Sündenbekänntniß, sie verhelete
nichts, und noch weniger suchte sie sich hin-
ter nichtige Ausflüchte und Entschuldigun-
gen zu verstecken, sie zeigte ganz aufrichtig
ihre Wunden, und klagte ihm den ganzen
Jammer ihrer Seele, sie windete sich als
eine recht Müheselige und höchst Beladene
vor dem Thron seiner Gnade, und bate ihn
dringend und thränend um die Gerechtspre-
chung in seinem Blute von der Sünde und
allen Folgen derselben, und um die Aussöh-
nung ihrer Seele mit seinem Vater, sie
stellte dem Heyland die Exempel vieler gros-

[ser]

Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
rung ſeines Mitleidens zu Nutze, halte dich
daran feſte, und laſſe dich davon nicht ab-
dringen, bis ſein ganzes Herz zum Erbar-
men ſich gegen dich offen zeiget.

Jn dieſem ſtillen und herzlichen Nach-
fragen nach dem Freund ihrer Seele wurde
ſie immer bruͤnſtiger, aber auch feſter ent-
ſchloſſen, nicht abzulaſſen, bis ſie den Se-
gen von JEſu empfangen. Eines Tages
fuͤhlte ſie ſich recht innig gedrungen, nach
dem Erbarmen und einer gnaͤdigen Offen-
barung des Heylandes zu ſchreyen, ſie
legte ſich in einem Winkel in ihrer Stube,
da ſie ganz alleine war, zu ſeinen Fuͤſſen,
ſie ſchuͤttete da ihr ganzes Herz vor dem
HErrn JEſu aus, ſie that ihm ein de-
muͤthiges Suͤndenbekaͤnntniß, ſie verhelete
nichts, und noch weniger ſuchte ſie ſich hin-
ter nichtige Ausfluͤchte und Entſchuldigun-
gen zu verſtecken, ſie zeigte ganz aufrichtig
ihre Wunden, und klagte ihm den ganzen
Jammer ihrer Seele, ſie windete ſich als
eine recht Muͤheſelige und hoͤchſt Beladene
vor dem Thron ſeiner Gnade, und bate ihn
dringend und thraͤnend um die Gerechtſpre-
chung in ſeinem Blute von der Suͤnde und
allen Folgen derſelben, und um die Ausſoͤh-
nung ihrer Seele mit ſeinem Vater, ſie
ſtellte dem Heyland die Exempel vieler groſ-

[ſer]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0401" n="349"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">IV</hi>. Stu&#x0364;ck.</fw><lb/>
rung &#x017F;eines Mitleidens zu Nutze, halte dich<lb/>
daran fe&#x017F;te, und la&#x017F;&#x017F;e dich davon nicht ab-<lb/>
dringen, bis &#x017F;ein ganzes Herz zum Erbar-<lb/>
men &#x017F;ich gegen dich offen zeiget.</p><lb/>
        <p>Jn die&#x017F;em &#x017F;tillen und herzlichen Nach-<lb/>
fragen nach dem Freund ihrer Seele wurde<lb/>
&#x017F;ie immer bru&#x0364;n&#x017F;tiger, aber auch fe&#x017F;ter ent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, nicht abzula&#x017F;&#x017F;en, bis &#x017F;ie den Se-<lb/>
gen von JE&#x017F;u empfangen. Eines Tages<lb/>
fu&#x0364;hlte &#x017F;ie &#x017F;ich recht innig gedrungen, nach<lb/>
dem Erbarmen und einer gna&#x0364;digen Offen-<lb/>
barung des Heylandes zu &#x017F;chreyen, &#x017F;ie<lb/>
legte &#x017F;ich in einem Winkel in ihrer Stube,<lb/>
da &#x017F;ie ganz alleine war, zu &#x017F;einen Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chu&#x0364;ttete da ihr ganzes Herz vor dem<lb/>
HErrn JE&#x017F;u aus, &#x017F;ie that ihm ein de-<lb/>
mu&#x0364;thiges Su&#x0364;ndenbeka&#x0364;nntniß, &#x017F;ie verhelete<lb/>
nichts, und noch weniger &#x017F;uchte &#x017F;ie &#x017F;ich hin-<lb/>
ter nichtige Ausflu&#x0364;chte und Ent&#x017F;chuldigun-<lb/>
gen zu ver&#x017F;tecken, &#x017F;ie zeigte ganz aufrichtig<lb/>
ihre Wunden, und klagte ihm den ganzen<lb/>
Jammer ihrer Seele, &#x017F;ie windete &#x017F;ich als<lb/>
eine recht Mu&#x0364;he&#x017F;elige und ho&#x0364;ch&#x017F;t Beladene<lb/>
vor dem Thron &#x017F;einer Gnade, und bate ihn<lb/>
dringend und thra&#x0364;nend um die Gerecht&#x017F;pre-<lb/>
chung in &#x017F;einem Blute von der Su&#x0364;nde und<lb/>
allen Folgen der&#x017F;elben, und um die Aus&#x017F;o&#x0364;h-<lb/>
nung ihrer Seele mit &#x017F;einem Vater, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;tellte dem Heyland die Exempel vieler gro&#x017F;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><supplied>&#x017F;er</supplied></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0401] Thaten der Gnade. IV. Stuͤck. rung ſeines Mitleidens zu Nutze, halte dich daran feſte, und laſſe dich davon nicht ab- dringen, bis ſein ganzes Herz zum Erbar- men ſich gegen dich offen zeiget. Jn dieſem ſtillen und herzlichen Nach- fragen nach dem Freund ihrer Seele wurde ſie immer bruͤnſtiger, aber auch feſter ent- ſchloſſen, nicht abzulaſſen, bis ſie den Se- gen von JEſu empfangen. Eines Tages fuͤhlte ſie ſich recht innig gedrungen, nach dem Erbarmen und einer gnaͤdigen Offen- barung des Heylandes zu ſchreyen, ſie legte ſich in einem Winkel in ihrer Stube, da ſie ganz alleine war, zu ſeinen Fuͤſſen, ſie ſchuͤttete da ihr ganzes Herz vor dem HErrn JEſu aus, ſie that ihm ein de- muͤthiges Suͤndenbekaͤnntniß, ſie verhelete nichts, und noch weniger ſuchte ſie ſich hin- ter nichtige Ausfluͤchte und Entſchuldigun- gen zu verſtecken, ſie zeigte ganz aufrichtig ihre Wunden, und klagte ihm den ganzen Jammer ihrer Seele, ſie windete ſich als eine recht Muͤheſelige und hoͤchſt Beladene vor dem Thron ſeiner Gnade, und bate ihn dringend und thraͤnend um die Gerechtſpre- chung in ſeinem Blute von der Suͤnde und allen Folgen derſelben, und um die Ausſoͤh- nung ihrer Seele mit ſeinem Vater, ſie ſtellte dem Heyland die Exempel vieler groſ- ſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/401
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/401>, abgerufen am 04.05.2024.