Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Thaten der Gnade. IV. Stück.
dir nöthig und selig wäre. Was soll ich
mir Mühe geben, etwas anzufangen auf
das ungewisse, mich vielleicht vergeblich zu
martern, da man doch wider die Rathschlüs-
se des HErrn nichts erzwingen kan.

Mancher hält dafür, die Uebung der
Gottseligkeit seye eine Gabe, die nicht jeder-
mann geschenket seye, man müsse es darum
denen überlassen, denen der HErr hierzu
etwas sonderbares geschenket habe; und wenn
würde man fertig werden, alle Ränke der
Vernunft, des Fleisches und der Seelen-
feinden zu entdecken, wordurch man auf-
und zurücke gehalten wird, der Gnade und
ihren heilsamen Absichten zu folgen.

Wie nöthig ist es also, nüchtern zu wer-
den, und alle Bande der Widersetzlichkeit
fahren zu lassen. Merke darum, o theure
Seele, und nimm zu Herzen, daß eine je-
de Aufweckung und Gnadenrührung schon
ein Friedensbott von dem HErrn, und ein
Beweis von seinen erbarmenden Gesinnun-
gen zu deinem Leben seye; wordurch er gar
offenbar zeiget, daß er mit jammerndem
Herzen das Elend deiner Seele wisse und
kenne, auch gerne seine allmächtige Kraft
zur neuen Geburt deines Herzens und Her-
wiederbringung des verlohrnen göttlichen
Lebens anwenden wolle; folglich also, daß
sein ernstlicher Rathschluß und Wille seye,

daß
X 4

Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
dir noͤthig und ſelig waͤre. Was ſoll ich
mir Muͤhe geben, etwas anzufangen auf
das ungewiſſe, mich vielleicht vergeblich zu
martern, da man doch wider die Rathſchluͤſ-
ſe des HErrn nichts erzwingen kan.

Mancher haͤlt dafuͤr, die Uebung der
Gottſeligkeit ſeye eine Gabe, die nicht jeder-
mann geſchenket ſeye, man muͤſſe es darum
denen uͤberlaſſen, denen der HErr hierzu
etwas ſonderbares geſchenket habe; und wenn
wuͤrde man fertig werden, alle Raͤnke der
Vernunft, des Fleiſches und der Seelen-
feinden zu entdecken, wordurch man auf-
und zuruͤcke gehalten wird, der Gnade und
ihren heilſamen Abſichten zu folgen.

Wie noͤthig iſt es alſo, nuͤchtern zu wer-
den, und alle Bande der Widerſetzlichkeit
fahren zu laſſen. Merke darum, o theure
Seele, und nimm zu Herzen, daß eine je-
de Aufweckung und Gnadenruͤhrung ſchon
ein Friedensbott von dem HErrn, und ein
Beweis von ſeinen erbarmenden Geſinnun-
gen zu deinem Leben ſeye; wordurch er gar
offenbar zeiget, daß er mit jammerndem
Herzen das Elend deiner Seele wiſſe und
kenne, auch gerne ſeine allmaͤchtige Kraft
zur neuen Geburt deines Herzens und Her-
wiederbringung des verlohrnen goͤttlichen
Lebens anwenden wolle; folglich alſo, daß
ſein ernſtlicher Rathſchluß und Wille ſeye,

daß
X 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0379" n="327"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">IV</hi>. Stu&#x0364;ck.</fw><lb/>
dir no&#x0364;thig und &#x017F;elig wa&#x0364;re. Was &#x017F;oll ich<lb/>
mir Mu&#x0364;he geben, etwas anzufangen auf<lb/>
das ungewi&#x017F;&#x017F;e, mich vielleicht vergeblich zu<lb/>
martern, da man doch wider die Rath&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e des HErrn nichts erzwingen kan.</p><lb/>
        <p>Mancher ha&#x0364;lt dafu&#x0364;r, die Uebung der<lb/>
Gott&#x017F;eligkeit &#x017F;eye eine Gabe, die nicht jeder-<lb/>
mann ge&#x017F;chenket &#x017F;eye, man mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e es darum<lb/>
denen u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, denen der HErr hierzu<lb/>
etwas &#x017F;onderbares ge&#x017F;chenket habe; und wenn<lb/>
wu&#x0364;rde man fertig werden, alle Ra&#x0364;nke der<lb/>
Vernunft, des Flei&#x017F;ches und der Seelen-<lb/>
feinden zu entdecken, wordurch man auf-<lb/>
und zuru&#x0364;cke gehalten wird, der Gnade und<lb/>
ihren heil&#x017F;amen Ab&#x017F;ichten zu folgen.</p><lb/>
        <p>Wie no&#x0364;thig i&#x017F;t es al&#x017F;o, nu&#x0364;chtern zu wer-<lb/>
den, und alle Bande der Wider&#x017F;etzlichkeit<lb/>
fahren zu la&#x017F;&#x017F;en. Merke darum, o theure<lb/>
Seele, und nimm zu Herzen, daß eine je-<lb/>
de Aufweckung und Gnadenru&#x0364;hrung &#x017F;chon<lb/>
ein Friedensbott von dem HErrn, und ein<lb/>
Beweis von &#x017F;einen erbarmenden Ge&#x017F;innun-<lb/>
gen zu deinem Leben &#x017F;eye; wordurch er gar<lb/>
offenbar zeiget, daß er mit jammerndem<lb/>
Herzen das Elend deiner Seele wi&#x017F;&#x017F;e und<lb/>
kenne, auch gerne &#x017F;eine allma&#x0364;chtige Kraft<lb/>
zur neuen Geburt deines Herzens und Her-<lb/>
wiederbringung des verlohrnen go&#x0364;ttlichen<lb/>
Lebens anwenden wolle; folglich al&#x017F;o, daß<lb/>
&#x017F;ein ern&#x017F;tlicher Rath&#x017F;chluß und Wille &#x017F;eye,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 4</fw><fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[327/0379] Thaten der Gnade. IV. Stuͤck. dir noͤthig und ſelig waͤre. Was ſoll ich mir Muͤhe geben, etwas anzufangen auf das ungewiſſe, mich vielleicht vergeblich zu martern, da man doch wider die Rathſchluͤſ- ſe des HErrn nichts erzwingen kan. Mancher haͤlt dafuͤr, die Uebung der Gottſeligkeit ſeye eine Gabe, die nicht jeder- mann geſchenket ſeye, man muͤſſe es darum denen uͤberlaſſen, denen der HErr hierzu etwas ſonderbares geſchenket habe; und wenn wuͤrde man fertig werden, alle Raͤnke der Vernunft, des Fleiſches und der Seelen- feinden zu entdecken, wordurch man auf- und zuruͤcke gehalten wird, der Gnade und ihren heilſamen Abſichten zu folgen. Wie noͤthig iſt es alſo, nuͤchtern zu wer- den, und alle Bande der Widerſetzlichkeit fahren zu laſſen. Merke darum, o theure Seele, und nimm zu Herzen, daß eine je- de Aufweckung und Gnadenruͤhrung ſchon ein Friedensbott von dem HErrn, und ein Beweis von ſeinen erbarmenden Geſinnun- gen zu deinem Leben ſeye; wordurch er gar offenbar zeiget, daß er mit jammerndem Herzen das Elend deiner Seele wiſſe und kenne, auch gerne ſeine allmaͤchtige Kraft zur neuen Geburt deines Herzens und Her- wiederbringung des verlohrnen goͤttlichen Lebens anwenden wolle; folglich alſo, daß ſein ernſtlicher Rathſchluß und Wille ſeye, daß X 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/379
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/379>, abgerufen am 25.11.2024.