Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Thaten der Gnade. III. Stück.
den. Werde man also nüchtern, und folge
doch beyzeiten denen guten Absichten des
freundlichen GOttes!

Je deutlicher GOtt dieser Person, noch
am Port der Ewigkeit auf der einten Seite
seine Liebeswege, und die herzlichen Bemü-
hungen seiner Gnade geoffenbahret, und sie
auf der andern Seite in eine lebendige Be-
trachtung, ihrer Untreue, und schändlichen
Undankbarkeit geführet, desto tiefer wurde
das Gesicht ihrer Sünden, und desto heller
sahe sie in die Abgründe ihres entsetzlichen
Verderbens, nicht nur die Uebertrettungen,
die sie im Stande der Unwissenheit began-
gen, und welche in der ersten Aufweckung
ihr schon gezeiget worden, zeigten sich aufs
neue in ihrer häßlichen Gestalt, insonder-
heit aber, wurden ihr die Abweichungen,
die groben Besudelungen, damit sie sich seint
der ersten Aufweckung beflecket[,] sehr schwe-
re Läste, darunter sie schier erli[e]gen mußte.
O wie ängstlich und bange machte das der
Seele! daß sie das, was sie anfänglich aus-
gespien, wieder eingefressen, daß sie nach
der Erkänntniß, die sie von denen guten We-
gen des Lebens gehabt, wieder auf die krum-
men Wege der Verführung sich von denen
Einschleichungen der alten Schlange verlei-
ten lassen. Diese traurigen Bilder, diese
lebhaften Vorstellungen von der Grösse,

Menge
R

Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
den. Werde man alſo nuͤchtern, und folge
doch beyzeiten denen guten Abſichten des
freundlichen GOttes!

Je deutlicher GOtt dieſer Perſon, noch
am Port der Ewigkeit auf der einten Seite
ſeine Liebeswege, und die herzlichen Bemuͤ-
hungen ſeiner Gnade geoffenbahret, und ſie
auf der andern Seite in eine lebendige Be-
trachtung, ihrer Untreue, und ſchaͤndlichen
Undankbarkeit gefuͤhret, deſto tiefer wurde
das Geſicht ihrer Suͤnden, und deſto heller
ſahe ſie in die Abgruͤnde ihres entſetzlichen
Verderbens, nicht nur die Uebertrettungen,
die ſie im Stande der Unwiſſenheit began-
gen, und welche in der erſten Aufweckung
ihr ſchon gezeiget worden, zeigten ſich aufs
neue in ihrer haͤßlichen Geſtalt, inſonder-
heit aber, wurden ihr die Abweichungen,
die groben Beſudelungen, damit ſie ſich ſeint
der erſten Aufweckung beflecket[,] ſehr ſchwe-
re Laͤſte, darunter ſie ſchier erli[e]gen mußte.
O wie aͤngſtlich und bange machte das der
Seele! daß ſie das, was ſie anfaͤnglich aus-
geſpien, wieder eingefreſſen, daß ſie nach
der Erkaͤnntniß, die ſie von denen guten We-
gen des Lebens gehabt, wieder auf die krum-
men Wege der Verfuͤhrung ſich von denen
Einſchleichungen der alten Schlange verlei-
ten laſſen. Dieſe traurigen Bilder, dieſe
lebhaften Vorſtellungen von der Groͤſſe,

Menge
R
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0309" n="257"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">III</hi>. Stu&#x0364;ck.</fw><lb/>
den. Werde man al&#x017F;o nu&#x0364;chtern, und folge<lb/>
doch beyzeiten denen guten Ab&#x017F;ichten des<lb/>
freundlichen GOttes!</p><lb/>
        <p>Je deutlicher GOtt die&#x017F;er Per&#x017F;on, noch<lb/>
am Port der Ewigkeit auf der einten Seite<lb/>
&#x017F;eine Liebeswege, und die herzlichen Bemu&#x0364;-<lb/>
hungen &#x017F;einer Gnade geoffenbahret, und &#x017F;ie<lb/>
auf der andern Seite in eine lebendige Be-<lb/>
trachtung, ihrer Untreue, und &#x017F;cha&#x0364;ndlichen<lb/>
Undankbarkeit gefu&#x0364;hret, de&#x017F;to tiefer wurde<lb/>
das Ge&#x017F;icht ihrer Su&#x0364;nden, und de&#x017F;to heller<lb/>
&#x017F;ahe &#x017F;ie in die Abgru&#x0364;nde ihres ent&#x017F;etzlichen<lb/>
Verderbens, nicht nur die Uebertrettungen,<lb/>
die &#x017F;ie im Stande der Unwi&#x017F;&#x017F;enheit began-<lb/>
gen, und welche in der er&#x017F;ten Aufweckung<lb/>
ihr &#x017F;chon gezeiget worden, zeigten &#x017F;ich aufs<lb/>
neue in ihrer ha&#x0364;ßlichen Ge&#x017F;talt, in&#x017F;onder-<lb/>
heit aber, wurden ihr die Abweichungen,<lb/>
die groben Be&#x017F;udelungen, damit &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;eint<lb/>
der er&#x017F;ten Aufweckung beflecket<supplied>,</supplied> &#x017F;ehr &#x017F;chwe-<lb/>
re La&#x0364;&#x017F;te, darunter &#x017F;ie &#x017F;chier erli<supplied>e</supplied>gen mußte.<lb/>
O wie a&#x0364;ng&#x017F;tlich und bange machte das der<lb/>
Seele! daß &#x017F;ie das, was &#x017F;ie anfa&#x0364;nglich aus-<lb/>
ge&#x017F;pien, wieder eingefre&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;ie nach<lb/>
der Erka&#x0364;nntniß, die &#x017F;ie von denen guten We-<lb/>
gen des Lebens gehabt, wieder auf die krum-<lb/>
men Wege der Verfu&#x0364;hrung &#x017F;ich von denen<lb/>
Ein&#x017F;chleichungen der alten Schlange verlei-<lb/>
ten la&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;e traurigen Bilder, die&#x017F;e<lb/>
lebhaften Vor&#x017F;tellungen von der Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R</fw><fw place="bottom" type="catch">Menge</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0309] Thaten der Gnade. III. Stuͤck. den. Werde man alſo nuͤchtern, und folge doch beyzeiten denen guten Abſichten des freundlichen GOttes! Je deutlicher GOtt dieſer Perſon, noch am Port der Ewigkeit auf der einten Seite ſeine Liebeswege, und die herzlichen Bemuͤ- hungen ſeiner Gnade geoffenbahret, und ſie auf der andern Seite in eine lebendige Be- trachtung, ihrer Untreue, und ſchaͤndlichen Undankbarkeit gefuͤhret, deſto tiefer wurde das Geſicht ihrer Suͤnden, und deſto heller ſahe ſie in die Abgruͤnde ihres entſetzlichen Verderbens, nicht nur die Uebertrettungen, die ſie im Stande der Unwiſſenheit began- gen, und welche in der erſten Aufweckung ihr ſchon gezeiget worden, zeigten ſich aufs neue in ihrer haͤßlichen Geſtalt, inſonder- heit aber, wurden ihr die Abweichungen, die groben Beſudelungen, damit ſie ſich ſeint der erſten Aufweckung beflecket, ſehr ſchwe- re Laͤſte, darunter ſie ſchier erliegen mußte. O wie aͤngſtlich und bange machte das der Seele! daß ſie das, was ſie anfaͤnglich aus- geſpien, wieder eingefreſſen, daß ſie nach der Erkaͤnntniß, die ſie von denen guten We- gen des Lebens gehabt, wieder auf die krum- men Wege der Verfuͤhrung ſich von denen Einſchleichungen der alten Schlange verlei- ten laſſen. Dieſe traurigen Bilder, dieſe lebhaften Vorſtellungen von der Groͤſſe, Menge R

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/309
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/309>, abgerufen am 22.11.2024.