Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Der grossen und seligen
scheinliche Hülfe, Errettung aus Elend
Noth und Jammer, sie zu sich zu locken,
ja wie er bey ihrem Leichtsinn, Untreue
und Abweichungen immer wieder getrachtet
sie zurecht zu weisen. Aber wie auch alle
diese gute Bemühungen des erbarmenden
GOttes an ihr vergeblich gewesen, wie alle
Langmuth und Geduld sey mißbrauchet, und
alle Liebesseiler zerrissen worden. Wie der
Feind sie bald durch Armuth, bald durch
die Welt, bald durch böse Menschen, und
insonderheit durch ihre eigene noch in ihr
wohnende Verdorbenheit allemahl wieder
in den Koth geworfen, wenn sie schon ge-
meynet sie stehe durch die Gnade aufgerich-
tet. Jetzt stehe sie nacket und blos an dem
Rande der Ewigkeit, und werde nun vor
dem GOtt bald erscheinen müssen, der sie
so herzlich gesuchet, den sie aber so unzählig
vielmahl betrübet, und mit so vieler Untreue
verletzet habe.

So liebreich ist der gute Vater in dem
Himmel, und so sorgfältig sucht er seine
verlaufene Kinder noch aus der letzten Ge-
fahr zu erretten, und zu sich zu locken. Ein
Vater der ohne diese unartigen Geschöpfe
der allervollkommensten Ruhe und Selig-
keit geniessen könnte, ist gleichsam unruhig,
die armen Seelen in dem Stande ihres
Verlohrenseyns zu sehen, und weiß nicht

genug

Der groſſen und ſeligen
ſcheinliche Huͤlfe, Errettung aus Elend
Noth und Jammer, ſie zu ſich zu locken,
ja wie er bey ihrem Leichtſinn, Untreue
und Abweichungen immer wieder getrachtet
ſie zurecht zu weiſen. Aber wie auch alle
dieſe gute Bemuͤhungen des erbarmenden
GOttes an ihr vergeblich geweſen, wie alle
Langmuth und Geduld ſey mißbrauchet, und
alle Liebesſeiler zerriſſen worden. Wie der
Feind ſie bald durch Armuth, bald durch
die Welt, bald durch boͤſe Menſchen, und
inſonderheit durch ihre eigene noch in ihr
wohnende Verdorbenheit allemahl wieder
in den Koth geworfen, wenn ſie ſchon ge-
meynet ſie ſtehe durch die Gnade aufgerich-
tet. Jetzt ſtehe ſie nacket und blos an dem
Rande der Ewigkeit, und werde nun vor
dem GOtt bald erſcheinen muͤſſen, der ſie
ſo herzlich geſuchet, den ſie aber ſo unzaͤhlig
vielmahl betruͤbet, und mit ſo vieler Untreue
verletzet habe.

So liebreich iſt der gute Vater in dem
Himmel, und ſo ſorgfaͤltig ſucht er ſeine
verlaufene Kinder noch aus der letzten Ge-
fahr zu erretten, und zu ſich zu locken. Ein
Vater der ohne dieſe unartigen Geſchoͤpfe
der allervollkommenſten Ruhe und Selig-
keit genieſſen koͤnnte, iſt gleichſam unruhig,
die armen Seelen in dem Stande ihres
Verlohrenſeyns zu ſehen, und weiß nicht

genug
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0306" n="254"/><fw place="top" type="header">Der gro&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;eligen</fw><lb/>
&#x017F;cheinliche Hu&#x0364;lfe, Errettung aus Elend<lb/>
Noth und Jammer, &#x017F;ie zu &#x017F;ich zu locken,<lb/>
ja wie er bey ihrem Leicht&#x017F;inn, Untreue<lb/>
und Abweichungen immer wieder getrachtet<lb/>
&#x017F;ie zurecht zu wei&#x017F;en. Aber wie auch alle<lb/>
die&#x017F;e gute Bemu&#x0364;hungen des erbarmenden<lb/>
GOttes an ihr vergeblich gewe&#x017F;en, wie alle<lb/>
Langmuth und Geduld &#x017F;ey mißbrauchet, und<lb/>
alle Liebes&#x017F;eiler zerri&#x017F;&#x017F;en worden. Wie der<lb/>
Feind &#x017F;ie bald durch Armuth, bald durch<lb/>
die Welt, bald durch bo&#x0364;&#x017F;e Men&#x017F;chen, und<lb/>
in&#x017F;onderheit durch ihre eigene noch in ihr<lb/>
wohnende Verdorbenheit allemahl wieder<lb/>
in den Koth geworfen, wenn &#x017F;ie &#x017F;chon ge-<lb/>
meynet &#x017F;ie &#x017F;tehe durch die Gnade aufgerich-<lb/>
tet. Jetzt &#x017F;tehe &#x017F;ie nacket und blos an dem<lb/>
Rande der Ewigkeit, und werde nun vor<lb/>
dem GOtt bald er&#x017F;cheinen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, der &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o herzlich ge&#x017F;uchet, den &#x017F;ie aber &#x017F;o unza&#x0364;hlig<lb/>
vielmahl betru&#x0364;bet, und mit &#x017F;o vieler Untreue<lb/>
verletzet habe.</p><lb/>
        <p>So liebreich i&#x017F;t der gute Vater in dem<lb/>
Himmel, und &#x017F;o &#x017F;orgfa&#x0364;ltig &#x017F;ucht er &#x017F;eine<lb/>
verlaufene Kinder noch aus der letzten Ge-<lb/>
fahr zu erretten, und zu &#x017F;ich zu locken. Ein<lb/>
Vater der ohne die&#x017F;e unartigen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe<lb/>
der allervollkommen&#x017F;ten Ruhe und Selig-<lb/>
keit genie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte, i&#x017F;t gleich&#x017F;am unruhig,<lb/>
die armen Seelen in dem Stande ihres<lb/>
Verlohren&#x017F;eyns zu &#x017F;ehen, und weiß nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">genug</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[254/0306] Der groſſen und ſeligen ſcheinliche Huͤlfe, Errettung aus Elend Noth und Jammer, ſie zu ſich zu locken, ja wie er bey ihrem Leichtſinn, Untreue und Abweichungen immer wieder getrachtet ſie zurecht zu weiſen. Aber wie auch alle dieſe gute Bemuͤhungen des erbarmenden GOttes an ihr vergeblich geweſen, wie alle Langmuth und Geduld ſey mißbrauchet, und alle Liebesſeiler zerriſſen worden. Wie der Feind ſie bald durch Armuth, bald durch die Welt, bald durch boͤſe Menſchen, und inſonderheit durch ihre eigene noch in ihr wohnende Verdorbenheit allemahl wieder in den Koth geworfen, wenn ſie ſchon ge- meynet ſie ſtehe durch die Gnade aufgerich- tet. Jetzt ſtehe ſie nacket und blos an dem Rande der Ewigkeit, und werde nun vor dem GOtt bald erſcheinen muͤſſen, der ſie ſo herzlich geſuchet, den ſie aber ſo unzaͤhlig vielmahl betruͤbet, und mit ſo vieler Untreue verletzet habe. So liebreich iſt der gute Vater in dem Himmel, und ſo ſorgfaͤltig ſucht er ſeine verlaufene Kinder noch aus der letzten Ge- fahr zu erretten, und zu ſich zu locken. Ein Vater der ohne dieſe unartigen Geſchoͤpfe der allervollkommenſten Ruhe und Selig- keit genieſſen koͤnnte, iſt gleichſam unruhig, die armen Seelen in dem Stande ihres Verlohrenſeyns zu ſehen, und weiß nicht genug

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/306
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/306>, abgerufen am 25.11.2024.