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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Thaten der Gnade. II. Stück.
gebrochen, und bis die Versicherung seiner
Gnade und der Vergebung seiner Sünden
seine geängstete Seele wieder erquicket hät-
te. So selige Würkungen hat das Creutze
(wenn es durch die Gnade gesegnet ist) bey
dem Sünder vor und unter seiner Bekeh-
rung. Aber nicht minder ja durchgehends
heilsamer ist dasselbe bey begnadeten Seelen,
nach der Bekehrung. Durch geistliches und
auch durch leibliches Creutze verwahret der
HErr seine liebe Kinder vor Selbsterhebun-
gen, und erhält sie in der Demuth. Da-
durch wird dem Bekehrten noch manche
zuvor unerkannte Unart des Herzens, Un-
lauterkeiten und geheime sündliche Neigun-
gen entdecket, durch dasselbe werden die
Hauptgötzen der eigenen Gerechtigkeit, der
Creatur und Eigenliebe (davon öfters auch
nach der Bekehrung noch vieles übrig blei-
bet) nach und nach zerstöret und zu Grunde
gerichtet, durch die Stürme der Trübsalen
wird die Seele von dem Einschlafen zur
Sicherheit abgehalten, und zu stetem Wa-
chen und Beten kräftig erwecket, unter dem
Druck und Last des Creutzes wird der Ge-
schmack an dem Jrdischen geschwächet, und
der Hunger nach dem Himmlischen wird
hingegen je mehr und mehr stärker und
brünstiger, dardurch wird die Seele vor
dem Stillestehen bewahret, und krä[ft]ig an-

getrie-
H 2

Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
gebrochen, und bis die Verſicherung ſeiner
Gnade und der Vergebung ſeiner Suͤnden
ſeine geaͤngſtete Seele wieder erquicket haͤt-
te. So ſelige Wuͤrkungen hat das Creutze
(wenn es durch die Gnade geſegnet iſt) bey
dem Suͤnder vor und unter ſeiner Bekeh-
rung. Aber nicht minder ja durchgehends
heilſamer iſt daſſelbe bey begnadeten Seelen,
nach der Bekehrung. Durch geiſtliches und
auch durch leibliches Creutze verwahret der
HErr ſeine liebe Kinder vor Selbſterhebun-
gen, und erhaͤlt ſie in der Demuth. Da-
durch wird dem Bekehrten noch manche
zuvor unerkannte Unart des Herzens, Un-
lauterkeiten und geheime ſuͤndliche Neigun-
gen entdecket, durch daſſelbe werden die
Hauptgoͤtzen der eigenen Gerechtigkeit, der
Creatur und Eigenliebe (davon oͤfters auch
nach der Bekehrung noch vieles uͤbrig blei-
bet) nach und nach zerſtoͤret und zu Grunde
gerichtet, durch die Stuͤrme der Truͤbſalen
wird die Seele von dem Einſchlafen zur
Sicherheit abgehalten, und zu ſtetem Wa-
chen und Beten kraͤftig erwecket, unter dem
Druck und Laſt des Creutzes wird der Ge-
ſchmack an dem Jrdiſchen geſchwaͤchet, und
der Hunger nach dem Himmliſchen wird
hingegen je mehr und mehr ſtaͤrker und
bruͤnſtiger, dardurch wird die Seele vor
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[115/0167] Thaten der Gnade. II. Stuͤck. gebrochen, und bis die Verſicherung ſeiner Gnade und der Vergebung ſeiner Suͤnden ſeine geaͤngſtete Seele wieder erquicket haͤt- te. So ſelige Wuͤrkungen hat das Creutze (wenn es durch die Gnade geſegnet iſt) bey dem Suͤnder vor und unter ſeiner Bekeh- rung. Aber nicht minder ja durchgehends heilſamer iſt daſſelbe bey begnadeten Seelen, nach der Bekehrung. Durch geiſtliches und auch durch leibliches Creutze verwahret der HErr ſeine liebe Kinder vor Selbſterhebun- gen, und erhaͤlt ſie in der Demuth. Da- durch wird dem Bekehrten noch manche zuvor unerkannte Unart des Herzens, Un- lauterkeiten und geheime ſuͤndliche Neigun- gen entdecket, durch daſſelbe werden die Hauptgoͤtzen der eigenen Gerechtigkeit, der Creatur und Eigenliebe (davon oͤfters auch nach der Bekehrung noch vieles uͤbrig blei- bet) nach und nach zerſtoͤret und zu Grunde gerichtet, durch die Stuͤrme der Truͤbſalen wird die Seele von dem Einſchlafen zur Sicherheit abgehalten, und zu ſtetem Wa- chen und Beten kraͤftig erwecket, unter dem Druck und Laſt des Creutzes wird der Ge- ſchmack an dem Jrdiſchen geſchwaͤchet, und der Hunger nach dem Himmliſchen wird hingegen je mehr und mehr ſtaͤrker und bruͤnſtiger, dardurch wird die Seele vor dem Stilleſtehen bewahret, und kraͤftig an- getrie- H 2

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/167>, abgerufen am 27.04.2024.