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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
zerschmelzen, die Sünde als eine so tödtli-
che Quelle aller Uebeln zu verlassen, und
nach Gnade und Errettung zu rufen. Ma-
nasse, der Konig in Juda, war in seinen
Sünden so verhärtet, daß er eher einem
Ungeheuer als einem Menschen ähnlich war.
Aber das harte Creutz, damit ihn der HErr
heimsuchte, war das gesegnete Mittel seiner
Bekehrung. Jn dem dunkeln Gefängniß
gehen ihm seine verschlossene Augen auf,
und zeigen ihm die ungeheure Menge seiner
Sünden. Die Gefahr seines Todes und
Unterganges geben ihm Gelegenheit, an
die nahe Gefahr seines ewigen Verderbens
zu gedenken. Seine eiserne Bande und
Fessel zeigen ihm die Herrschaft der Seelen-
feinden, von denen er als ein Sclav bis hie-
her angekettet gewesen. Trotzete er zuvor
auf seinem Throne, und so lange der Glanz
seiner irdischen Herrlichkeit währete, gegen
den HErrn und seine Gnade, so lieget er
jetzt unter dem Creutze als eingebeugter und
nach Erbarmung schmachtender Wurm
zu den Füssen des erzörnten und belei-
digten GOttes. Konnte er sich zuvor in
dem Blute der ungewöhnlichsten Sünden
nicht genug schwemmen, so welzete er sich
jetzt bey seinem Leiden in den heissesten Buß-
thränen, und will nicht aufhören weinen
und seufzen, bis das Vaterherz gegen ihn

ge-

Der groſſen und ſeligen
zerſchmelzen, die Suͤnde als eine ſo toͤdtli-
che Quelle aller Uebeln zu verlaſſen, und
nach Gnade und Errettung zu rufen. Ma-
naſſe, der Konig in Juda, war in ſeinen
Suͤnden ſo verhaͤrtet, daß er eher einem
Ungeheuer als einem Menſchen aͤhnlich war.
Aber das harte Creutz, damit ihn der HErr
heimſuchte, war das geſegnete Mittel ſeiner
Bekehrung. Jn dem dunkeln Gefaͤngniß
gehen ihm ſeine verſchloſſene Augen auf,
und zeigen ihm die ungeheure Menge ſeiner
Suͤnden. Die Gefahr ſeines Todes und
Unterganges geben ihm Gelegenheit, an
die nahe Gefahr ſeines ewigen Verderbens
zu gedenken. Seine eiſerne Bande und
Feſſel zeigen ihm die Herrſchaft der Seelen-
feinden, von denen er als ein Sclav bis hie-
her angekettet geweſen. Trotzete er zuvor
auf ſeinem Throne, und ſo lange der Glanz
ſeiner irdiſchen Herrlichkeit waͤhrete, gegen
den HErrn und ſeine Gnade, ſo lieget er
jetzt unter dem Creutze als eingebeugter und
nach Erbarmung ſchmachtender Wurm
zu den Fuͤſſen des erzoͤrnten und belei-
digten GOttes. Konnte er ſich zuvor in
dem Blute der ungewoͤhnlichſten Suͤnden
nicht genug ſchwemmen, ſo welzete er ſich
jetzt bey ſeinem Leiden in den heiſſeſten Buß-
thraͤnen, und will nicht aufhoͤren weinen
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[114/0166] Der groſſen und ſeligen zerſchmelzen, die Suͤnde als eine ſo toͤdtli- che Quelle aller Uebeln zu verlaſſen, und nach Gnade und Errettung zu rufen. Ma- naſſe, der Konig in Juda, war in ſeinen Suͤnden ſo verhaͤrtet, daß er eher einem Ungeheuer als einem Menſchen aͤhnlich war. Aber das harte Creutz, damit ihn der HErr heimſuchte, war das geſegnete Mittel ſeiner Bekehrung. Jn dem dunkeln Gefaͤngniß gehen ihm ſeine verſchloſſene Augen auf, und zeigen ihm die ungeheure Menge ſeiner Suͤnden. Die Gefahr ſeines Todes und Unterganges geben ihm Gelegenheit, an die nahe Gefahr ſeines ewigen Verderbens zu gedenken. Seine eiſerne Bande und Feſſel zeigen ihm die Herrſchaft der Seelen- feinden, von denen er als ein Sclav bis hie- her angekettet geweſen. Trotzete er zuvor auf ſeinem Throne, und ſo lange der Glanz ſeiner irdiſchen Herrlichkeit waͤhrete, gegen den HErrn und ſeine Gnade, ſo lieget er jetzt unter dem Creutze als eingebeugter und nach Erbarmung ſchmachtender Wurm zu den Fuͤſſen des erzoͤrnten und belei- digten GOttes. Konnte er ſich zuvor in dem Blute der ungewoͤhnlichſten Suͤnden nicht genug ſchwemmen, ſo welzete er ſich jetzt bey ſeinem Leiden in den heiſſeſten Buß- thraͤnen, und will nicht aufhoͤren weinen und ſeufzen, bis das Vaterherz gegen ihn ge-

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/166>, abgerufen am 27.04.2024.