Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665.Den 30 October zogen von des Königs Völkern in die Stadt vierzehen compagnien Reuter / und sechs Fahnen Schweizer. So bald dieselbe hinein kommen/ ward zugleich Proviant hinein gebracht für die in der Stadt/ die eine lange Zeit grossen Hunger erlitten hatten/ und wurden auf einen Tag zehen tausend Brod aus getheilt. Schreklich war zu sehen/ wie die Stadt voller Todten lag/ und sahen die überblibene aus / als wann sie keine Menschen/ sondern Gespenster wären: also gar/ daß sie auch nicht Kräffte gnug hatten/ ihre Todten zu Grabe zu tragen/ und ein zu scharren. In der Stadt waren noch vier und sechzig Französische und neunzig Englische Soldaten übrig/ die sehr elend aussahen/ und zur Stadt hinaus wurden geführt. Der König ritt denselben Tag um die Stadtmanuren herum/ und rieffen die Bürger und Innwohner zur Stadt heraus: Vive le Roj. Es lebe der König. In zwejen Tagen aber sturben ihrer hundert/ die zu geizig gessen hatten. Den 1. Novembris/ Nachmittags/ that der König seinen sieghafftten Einritt in die Stadt: und war er in voller Rüstung. Vier Compagnien seiner Guardi zohen voran: denen folgten zwej Fahnen Schweizer: hernach die leichten Pferd/ und dann die übrigen Compagnien von der Königlichen Guardi. Ehe der König in die Stadt kam/ fand er vor dem Thor/ an dem Stadt-Graben drejhundert Bürger der Stadt/ welche als sie des Königs ansichtig wurden / auf die Knie fielen/ und mit einer hellen lebendigen Stimme rieffen: GOtt bewahre den König: der uns armen Leuten so grosse Gnade bewiesen hat. Der König grüssete sie im für überreiten: da giengen ihnen die Augen über/ daß er sich so freundlich gegen ihnen er zeigte: da sie zuvor gemeint hatten/ er würde sie alle erwürgen lassen. An dem Thor presentirten sich dem König sechszehen Rahtsherren/ so noch übrig waren/ und thäten Ihr Königl. Majest. einen Fußsall. Der Schuldheiß war nicht dabej: dann er war seines Amts entsezt/ und wolte ihn der König. nicht sehen. In der Stadt/ auf den Gassen/ stund ein Hauffen Weiber/ die ganz ausgedörrt und schwarz aussahen/ gleich hätten sie im Rauch gehangen Der König heilt still/ und sahe sie an/ mit grossem Mitleiden: darnach befahl er/ daß man ihnen Brod solte geben. Da rieffen sie überlaut: O des frommen Königs? GOTT verleihe ihm ein langes Leben? Aber alle Mauren/ Vestungen und Bollwerker der Statt wurden eingerissen und geschleifft / auch etlichen der allerhalstarrigst-gewesenen di[unleserliches Material] Stadt verbotten: desgleichen wurde den Bürgern/ alle Waffen und Gewehr zu haben/ under saget. Das ist allso der Ausgang der lang und hart belägerten Stadt Rochelle. Wer selbige ausführlicher zu lesen Lust hat: der besehe hievon Meterranum im dritten Theil Niderländischer Geschicht: daraus ich diesen Verlauff hin und wider heraus gezogen. Den 30 October zogen von des Königs Völkern in die Stadt vierzehen compagnien Reuter / und sechs Fahnen Schweizer. So bald dieselbe hinein kommen/ ward zugleich Proviant hinein gebracht für die in der Stadt/ die eine lange Zeit grossen Hunger erlitten hatten/ und wurden auf einen Tag zehen tausend Brod aus getheilt. Schreklich war zu sehen/ wie die Stadt voller Todten lag/ und sahen die überblibene aus / als wann sie keine Menschen/ sondern Gespenster wären: also gar/ daß sie auch nicht Kräffte gnug hatten/ ihre Todten zu Grabe zu tragen/ und ein zu scharren. In der Stadt waren noch vier und sechzig Französische und neunzig Englische Soldaten übrig/ die sehr elend aussahen/ und zur Stadt hinaus wurden geführt. Der König ritt denselben Tag um die Stadtmanuren herum/ und rieffen die Bürger und Innwohner zur Stadt heraus: Vive le Roj. Es lebe der König. In zwejen Tagen aber sturben ihrer hundert/ die zu geizig gessen hatten. Den 1. Novembris/ Nachmittags/ that der König seinen sieghafftten Einritt in die Stadt: und war er in voller Rüstung. Vier Compagnien seiner Guardi zohen voran: denen folgten zwej Fahnen Schweizer: hernach die leichten Pferd/ und dann die übrigen Compagnien von der Königlichen Guardi. Ehe der König in die Stadt kam/ fand er vor dem Thor/ an dem Stadt-Graben drejhundert Bürger der Stadt/ welche als sie des Königs ansichtig wurden / auf die Knie fielen/ und mit einer hellen lebendigen Stimme rieffen: GOtt bewahre den König: der uns armen Leuten so grosse Gnade bewiesen hat. Der König grüssete sie im für überreiten: da giengen ihnen die Augen über/ daß er sich so freundlich gegen ihnen er zeigte: da sie zuvor gemeint hatten/ er würde sie alle erwürgen lassen. An dem Thor presentirten sich dem König sechszehen Rahtsherren/ so noch übrig waren/ und thäten Ihr Königl. Majest. einen Fußsall. Der Schuldheiß war nicht dabej: dann er war seines Amts entsezt/ und wolte ihn der König. nicht sehen. In der Stadt/ auf den Gassen/ stund ein Hauffen Weiber/ die ganz ausgedörrt und schwarz aussahen/ gleich hätten sie im Rauch gehangen Der König heilt still/ und sahe sie an/ mit grossem Mitleiden: darnach befahl er/ daß man ihnen Brod solte geben. Da rieffen sie überlaut: O des frommen Königs? GOTT verleihe ihm ein langes Leben? Aber alle Mauren/ Vestungen und Bollwerker der Statt wurden eingerissen und geschleifft / auch etlichen der allerhalstarrigst-gewesenen di[unleserliches Material] Stadt verbotten: desgleichen wurde den Bürgern/ alle Waffen und Gewehr zu haben/ under saget. Das ist allso der Ausgang der lang und hart belägerten Stadt Rochelle. Wer selbige ausführlicher zu lesen Lust hat: der besehe hievon Meterranum im dritten Theil Niderländischer Geschicht: daraus ich diesen Verlauff hin und wider heraus gezogen. <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0379" n="343"/> <p>Den 30 October zogen von des Königs Völkern in die Stadt vierzehen compagnien Reuter / und sechs Fahnen Schweizer. So bald dieselbe hinein kommen/ ward zugleich Proviant hinein gebracht für die in der Stadt/ die eine lange Zeit grossen Hunger erlitten hatten/ und wurden auf einen Tag zehen tausend Brod aus getheilt.</p> <p>Schreklich war zu sehen/ wie die Stadt voller Todten lag/ und sahen die überblibene aus / als wann sie keine Menschen/ sondern Gespenster wären: also gar/ daß sie auch nicht Kräffte gnug hatten/ ihre Todten zu Grabe zu tragen/ und ein zu scharren. In der Stadt waren noch vier und sechzig Französische und neunzig Englische Soldaten übrig/ die sehr elend aussahen/ und zur Stadt hinaus wurden geführt.</p> <p>Der König ritt denselben Tag um die Stadtmanuren herum/ und rieffen die Bürger und Innwohner zur Stadt heraus: Vive le Roj. Es lebe der König. In zwejen Tagen aber sturben ihrer hundert/ die zu geizig gessen hatten.</p> <p>Den 1. Novembris/ Nachmittags/ that der König seinen sieghafftten Einritt in die Stadt: und war er in voller Rüstung. Vier Compagnien seiner Guardi zohen voran: denen folgten zwej Fahnen Schweizer: hernach die leichten Pferd/ und dann die übrigen Compagnien von der Königlichen Guardi. Ehe der König in die Stadt kam/ fand er vor dem Thor/ an dem Stadt-Graben drejhundert Bürger der Stadt/ welche als sie des Königs ansichtig wurden / auf die Knie fielen/ und mit einer hellen lebendigen Stimme rieffen: GOtt bewahre den König: der uns armen Leuten so grosse Gnade bewiesen hat. Der König grüssete sie im für überreiten: da giengen ihnen die Augen über/ daß er sich so freundlich gegen ihnen er zeigte: da sie zuvor gemeint hatten/ er würde sie alle erwürgen lassen. An dem Thor presentirten sich dem König sechszehen Rahtsherren/ so noch übrig waren/ und thäten Ihr Königl. Majest. einen Fußsall. Der Schuldheiß war nicht dabej: dann er war seines Amts entsezt/ und wolte ihn der König. nicht sehen.</p> <p>In der Stadt/ auf den Gassen/ stund ein Hauffen Weiber/ die ganz ausgedörrt und schwarz aussahen/ gleich hätten sie im Rauch gehangen Der König heilt still/ und sahe sie an/ mit grossem Mitleiden: darnach befahl er/ daß man ihnen Brod solte geben. Da rieffen sie überlaut: O des frommen Königs? GOTT verleihe ihm ein langes Leben?</p> <p>Aber alle Mauren/ Vestungen und Bollwerker der Statt wurden eingerissen und geschleifft / auch etlichen der allerhalstarrigst-gewesenen di<gap reason="illegible"/> Stadt verbotten: desgleichen wurde den Bürgern/ alle Waffen und Gewehr zu haben/ under saget.</p> <p>Das ist allso der Ausgang der lang und hart belägerten Stadt Rochelle. Wer selbige ausführlicher zu lesen Lust hat: der besehe hievon Meterranum im dritten Theil Niderländischer Geschicht: daraus ich diesen Verlauff hin und wider heraus gezogen.</p> </div> </body> </text> </TEI> [343/0379]
Den 30 October zogen von des Königs Völkern in die Stadt vierzehen compagnien Reuter / und sechs Fahnen Schweizer. So bald dieselbe hinein kommen/ ward zugleich Proviant hinein gebracht für die in der Stadt/ die eine lange Zeit grossen Hunger erlitten hatten/ und wurden auf einen Tag zehen tausend Brod aus getheilt.
Schreklich war zu sehen/ wie die Stadt voller Todten lag/ und sahen die überblibene aus / als wann sie keine Menschen/ sondern Gespenster wären: also gar/ daß sie auch nicht Kräffte gnug hatten/ ihre Todten zu Grabe zu tragen/ und ein zu scharren. In der Stadt waren noch vier und sechzig Französische und neunzig Englische Soldaten übrig/ die sehr elend aussahen/ und zur Stadt hinaus wurden geführt.
Der König ritt denselben Tag um die Stadtmanuren herum/ und rieffen die Bürger und Innwohner zur Stadt heraus: Vive le Roj. Es lebe der König. In zwejen Tagen aber sturben ihrer hundert/ die zu geizig gessen hatten.
Den 1. Novembris/ Nachmittags/ that der König seinen sieghafftten Einritt in die Stadt: und war er in voller Rüstung. Vier Compagnien seiner Guardi zohen voran: denen folgten zwej Fahnen Schweizer: hernach die leichten Pferd/ und dann die übrigen Compagnien von der Königlichen Guardi. Ehe der König in die Stadt kam/ fand er vor dem Thor/ an dem Stadt-Graben drejhundert Bürger der Stadt/ welche als sie des Königs ansichtig wurden / auf die Knie fielen/ und mit einer hellen lebendigen Stimme rieffen: GOtt bewahre den König: der uns armen Leuten so grosse Gnade bewiesen hat. Der König grüssete sie im für überreiten: da giengen ihnen die Augen über/ daß er sich so freundlich gegen ihnen er zeigte: da sie zuvor gemeint hatten/ er würde sie alle erwürgen lassen. An dem Thor presentirten sich dem König sechszehen Rahtsherren/ so noch übrig waren/ und thäten Ihr Königl. Majest. einen Fußsall. Der Schuldheiß war nicht dabej: dann er war seines Amts entsezt/ und wolte ihn der König. nicht sehen.
In der Stadt/ auf den Gassen/ stund ein Hauffen Weiber/ die ganz ausgedörrt und schwarz aussahen/ gleich hätten sie im Rauch gehangen Der König heilt still/ und sahe sie an/ mit grossem Mitleiden: darnach befahl er/ daß man ihnen Brod solte geben. Da rieffen sie überlaut: O des frommen Königs? GOTT verleihe ihm ein langes Leben?
Aber alle Mauren/ Vestungen und Bollwerker der Statt wurden eingerissen und geschleifft / auch etlichen der allerhalstarrigst-gewesenen di_ Stadt verbotten: desgleichen wurde den Bürgern/ alle Waffen und Gewehr zu haben/ under saget.
Das ist allso der Ausgang der lang und hart belägerten Stadt Rochelle. Wer selbige ausführlicher zu lesen Lust hat: der besehe hievon Meterranum im dritten Theil Niderländischer Geschicht: daraus ich diesen Verlauff hin und wider heraus gezogen.
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Zitationshilfe: | Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/379>, abgerufen am 07.07.2024. |