Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665.schweren Anfechtung überwand endlich das Fleisch zeitlich Ehr und Gut. Den Tag zuvor/ ehe er widerruffte/ gegen Abend / brachte ihm ein Meßpriester die formulam des Widerruffs; er aber schlieff nichts die ganze Nacht. Andern Tages Sontags/ nach der messe/ widerruffte er offentlich in gegenwart über 2000. menschen/ und verleugete die einmal erkandte und gepredigte warheit. Aber Gottes erschrekliches Urtheil wartet bald auff/ aller trost/ glauben/ liebe verlosch in seinem Herren/ und blib nur darmmen haß/ neid/ bitterkeit/ und alle Gottes-lästerung. In diser anfechtung brachte er zu ganzer sechs monat/ zu Citadella: darnach begab er sich mit weib und kind nach Padua: aber es ward immer ärger mit ihm. Er lag allezeit zu bette/ war doch nicht krank/ hatte seinen guten verstand/ verdorrete aber an seinem ganzen leibe/ wolte auch keine speise zu sich nemmen/ und so ihm mit gewalt etwas eingeflösset war/ stieß er es mit gewalt wider heraus: ließ männiglich gerne vor sich/ redete auch gar bescheidenlich mit ihnen. Bezeugete offentlich/ daß er nach Gottes gerechten Urtheil verdammet und allbereit in der helle grosse pein lidte. Er hette gesündiget in den heiligen Geist/ welches ihm in ewigkeit nicht köndte vergeben werden / Christi verdienst und Gottes barmherzigkeit wäre ihm ganz versaget/ und wäre ihm darum dises erschrekliche ende nach Gottes gerechtem urtheil aufferleget/ auff daß sich alle gläubigen an seiner verläugnung spiegelten. Es besuchten ihn vil vornemme gelehrte leute / so ihn aus Gottes wort trösteten und sagten/ daß keine sünde so groß/ Gottes barmherzigkeit sei grösser/ ja wann aller menschen sünde auf einem legen/ so wäre es unmüglich sie mit Gottes barmherzigkeit zu vergleichen. Darauff antwortet er: dises kan ich nicht glauben. Da tröstet ihn der Bischoff Vergerius wider und saget: Begehrestu dann nicht/ daß sich Gott deiner erbarme? Darauff saget er: alles/ was ihr mir saget/ das glaube ich: die teufel glaubens auch und erzitteren. Ich kan mir aber keinen trost daraus schöpfen: Meine sünde kan mir nicht vergeben werden. Was solte ich mir mehr wünschen/ als wann mir Gott wolte gnädig und barmherzig sein? Aber er wil es nicht thun/ ich kan solches gar nicht glauben. Ich wil wol alles hören/ auch alles nachsprechen. Underdessen ist das herz voller haß/ gall und Gottes-lästerung. Ich fühle in mir selber wie sehr mir Gott zu wider ist. Darauff ermahnete ihn Vergerius/ er solte mit den schweren Anfechtung überwand endlich das Fleisch zeitlich Ehr und Gut. Den Tag zuvor/ ehe er widerruffte/ gegen Abend / brachte ihm ein Meßpriester die formulam des Widerruffs; er aber schlieff nichts die ganze Nacht. Andern Tages Sontags/ nach der messe/ widerruffte er offentlich in gegenwart über 2000. menschen/ und verleugete die einmal erkandte und gepredigte warheit. Aber Gottes erschrekliches Urtheil wartet bald auff/ aller trost/ glauben/ liebe verlosch in seinem Herren/ und blib nur darm̃en haß/ neid/ bitterkeit/ und alle Gottes-lästerung. In diser anfechtung brachte er zu ganzer sechs monat/ zu Citadella: darnach begab er sich mit weib und kind nach Padua: aber es ward immer ärger mit ihm. Er lag allezeit zu bette/ war doch nicht krank/ hatte seinen guten verstand/ verdorrete aber an seinem ganzen leibe/ wolte auch keine speise zu sich nemmen/ und so ihm mit gewalt etwas eingeflösset war/ stieß er es mit gewalt wider heraus: ließ männiglich gerne vor sich/ redete auch gar bescheidenlich mit ihnen. Bezeugete offentlich/ daß er nach Gottes gerechten Urtheil verdammet und allbereit in der helle grosse pein lidte. Er hette gesündiget in den heiligen Geist/ welches ihm in ewigkeit nicht köndte vergeben werden / Christi verdienst und Gottes barmherzigkeit wäre ihm ganz versaget/ und wäre ihm darum dises erschrekliche ende nach Gottes gerechtem urtheil aufferleget/ auff daß sich alle gläubigen an seiner verläugnung spiegelten. Es besuchten ihn vil vornemme gelehrte leute / so ihn aus Gottes wort trösteten und sagten/ daß keine sünde so groß/ Gottes barmherzigkeit sei grösser/ ja wann aller menschen sünde auf einem legen/ so wäre es unmüglich sie mit Gottes barmherzigkeit zu vergleichen. Darauff antwortet er: dises kan ich nicht glauben. Da tröstet ihn der Bischoff Vergerius wider und saget: Begehrestu dann nicht/ daß sich Gott deiner erbarme? Darauff saget er: alles/ was ihr mir saget/ das glaube ich: die teufel glaubens auch und erzitteren. Ich kan mir aber keinen trost daraus schöpfen: Meine sünde kan mir nicht vergeben werden. Was solte ich mir mehr wünschen/ als wann mir Gott wolte gnädig und barmherzig sein? Aber er wil es nicht thun/ ich kan solches gar nicht glauben. Ich wil wol alles hören/ auch alles nachsprechen. Underdessen ist das herz voller haß/ gall und Gottes-lästerung. Ich fühle in mir selber wie sehr mir Gott zu wider ist. Darauff ermahnete ihn Vergerius/ er solte mit den <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0317" n="287"/> schweren Anfechtung überwand endlich das Fleisch zeitlich Ehr und Gut. Den Tag zuvor/ ehe er widerruffte/ gegen Abend / brachte ihm ein Meßpriester die formulam des Widerruffs; er aber schlieff nichts die ganze Nacht. Andern Tages Sontags/ nach der messe/ widerruffte er offentlich in gegenwart über 2000. menschen/ und verleugete die einmal erkandte und gepredigte warheit. Aber Gottes erschrekliches Urtheil wartet bald auff/ aller trost/ glauben/ liebe verlosch in seinem Herren/ und blib nur darm̃en haß/ neid/ bitterkeit/ und alle Gottes-lästerung. In diser anfechtung brachte er zu ganzer sechs monat/ zu Citadella: darnach begab er sich mit weib und kind nach Padua: aber es ward immer ärger mit ihm. Er lag allezeit zu bette/ war doch nicht krank/ hatte seinen guten verstand/ verdorrete aber an seinem ganzen leibe/ wolte auch keine speise zu sich nemmen/ und so ihm mit gewalt etwas eingeflösset war/ stieß er es mit gewalt wider heraus: ließ männiglich gerne vor sich/ redete auch gar bescheidenlich mit ihnen. Bezeugete offentlich/ daß er nach Gottes gerechten Urtheil verdammet und allbereit in der helle grosse pein lidte. Er hette gesündiget in den heiligen Geist/ welches ihm in ewigkeit nicht köndte vergeben werden / Christi verdienst und Gottes barmherzigkeit wäre ihm ganz versaget/ und wäre ihm darum dises erschrekliche ende nach Gottes gerechtem urtheil aufferleget/ auff daß sich alle gläubigen an seiner verläugnung spiegelten. Es besuchten ihn vil vornemme gelehrte leute / so ihn aus Gottes wort trösteten und sagten/ daß keine sünde so groß/ Gottes barmherzigkeit sei grösser/ ja wann aller menschen sünde auf einem legen/ so wäre es unmüglich sie mit Gottes barmherzigkeit zu vergleichen. Darauff antwortet er: dises kan ich nicht glauben. Da tröstet ihn der Bischoff Vergerius wider und saget: Begehrestu dann nicht/ daß sich Gott deiner erbarme? Darauff saget er: alles/ was ihr mir saget/ das glaube ich: die teufel glaubens auch und erzitteren. Ich kan mir aber keinen trost daraus schöpfen: Meine sünde kan mir nicht vergeben werden. Was solte ich mir mehr wünschen/ als wann mir Gott wolte gnädig und barmherzig sein? Aber er wil es nicht thun/ ich kan solches gar nicht glauben. Ich wil wol alles hören/ auch alles nachsprechen. Underdessen ist das herz voller haß/ gall und Gottes-lästerung. Ich fühle in mir selber wie sehr mir Gott zu wider ist. Darauff ermahnete ihn Vergerius/ er solte mit den </p> </div> </body> </text> </TEI> [287/0317]
schweren Anfechtung überwand endlich das Fleisch zeitlich Ehr und Gut. Den Tag zuvor/ ehe er widerruffte/ gegen Abend / brachte ihm ein Meßpriester die formulam des Widerruffs; er aber schlieff nichts die ganze Nacht. Andern Tages Sontags/ nach der messe/ widerruffte er offentlich in gegenwart über 2000. menschen/ und verleugete die einmal erkandte und gepredigte warheit. Aber Gottes erschrekliches Urtheil wartet bald auff/ aller trost/ glauben/ liebe verlosch in seinem Herren/ und blib nur darm̃en haß/ neid/ bitterkeit/ und alle Gottes-lästerung. In diser anfechtung brachte er zu ganzer sechs monat/ zu Citadella: darnach begab er sich mit weib und kind nach Padua: aber es ward immer ärger mit ihm. Er lag allezeit zu bette/ war doch nicht krank/ hatte seinen guten verstand/ verdorrete aber an seinem ganzen leibe/ wolte auch keine speise zu sich nemmen/ und so ihm mit gewalt etwas eingeflösset war/ stieß er es mit gewalt wider heraus: ließ männiglich gerne vor sich/ redete auch gar bescheidenlich mit ihnen. Bezeugete offentlich/ daß er nach Gottes gerechten Urtheil verdammet und allbereit in der helle grosse pein lidte. Er hette gesündiget in den heiligen Geist/ welches ihm in ewigkeit nicht köndte vergeben werden / Christi verdienst und Gottes barmherzigkeit wäre ihm ganz versaget/ und wäre ihm darum dises erschrekliche ende nach Gottes gerechtem urtheil aufferleget/ auff daß sich alle gläubigen an seiner verläugnung spiegelten. Es besuchten ihn vil vornemme gelehrte leute / so ihn aus Gottes wort trösteten und sagten/ daß keine sünde so groß/ Gottes barmherzigkeit sei grösser/ ja wann aller menschen sünde auf einem legen/ so wäre es unmüglich sie mit Gottes barmherzigkeit zu vergleichen. Darauff antwortet er: dises kan ich nicht glauben. Da tröstet ihn der Bischoff Vergerius wider und saget: Begehrestu dann nicht/ daß sich Gott deiner erbarme? Darauff saget er: alles/ was ihr mir saget/ das glaube ich: die teufel glaubens auch und erzitteren. Ich kan mir aber keinen trost daraus schöpfen: Meine sünde kan mir nicht vergeben werden. Was solte ich mir mehr wünschen/ als wann mir Gott wolte gnädig und barmherzig sein? Aber er wil es nicht thun/ ich kan solches gar nicht glauben. Ich wil wol alles hören/ auch alles nachsprechen. Underdessen ist das herz voller haß/ gall und Gottes-lästerung. Ich fühle in mir selber wie sehr mir Gott zu wider ist. Darauff ermahnete ihn Vergerius/ er solte mit den
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Zitationshilfe: | Meyer, Leonhardt: Theatrum Historicvm [...] Erzehlung der fürnemsten und nuzlichsten Historien und Geschichten. Schaffhausen, 1665, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_theatrum_1665/317>, abgerufen am 29.07.2024. |