Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.Tisch, auf dem eine große Bibel ruhte. Neben dieser Schon brannte die Sonne heiß, als Jenatsch seinem Tiſch, auf dem eine große Bibel ruhte. Neben dieſer Schon brannte die Sonne heiß, als Jenatſch ſeinem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0080" n="70"/> Tiſch, auf dem eine große Bibel ruhte. Neben dieſer<lb/> geiſtlichen Waffe blickte aus der Ecke eine weltliche.<lb/> Dort lehnte eine altväteriſche Muskete, über welche nun<lb/> Jenatſch das ihm von ſeinem Begleiter gebotene Pulver¬<lb/> horn aus dem Müſſerkriege an einen Holznagel auf¬<lb/> hängte. Dann riß er ein Blatt aus Waſers Taſchen¬<lb/> buche und ſchrieb darauf: „Ein frommer Zürcher erwartet<lb/> Dich bei mir heute Abend zur Zeit des Ave Maria.<lb/> Komm und ſtärk' ihn im Glauben!“ Den Zettel legte<lb/> er in die beim Buche der Makkabäer aufgeſchlagene<lb/> Bibel.</p><lb/> <p>Schon brannte die Sonne heiß, als Jenatſch ſeinem<lb/> Gefährten die aus dem breit gewordenen Addathale<lb/> drohend aufſteigende Zwingburg zeigte, das Ungeheuer,<lb/> wie er ſie hieß, das die eine Tatze nach Bündens<lb/> Chiavenna, die andere nach ſeinem Veltlin ausſtrecke.<lb/> Auf der Straße nach den Wällen zog eine lange Staub¬<lb/> wolke. Der ſcharfe Blick des Bündners erkannte darin<lb/> eine Reihe ſchwerer Laſtwagen. Aus ihrer Menge<lb/> ſchloß er, daß Fuentes auf lange Zeit und für eine<lb/> ſtarke Beſatzung verproviantirt werde. Und doch ging<lb/> in Bünden die Rede, daß die ſpaniſche Mannſchaft<lb/> durch die hier herrſchenden Sumpffieber auf die Hälfte<lb/> zuſammengeſchmolzen ſei und der Aufenthalt in der<lb/> Feſtung unter den Spaniern als todbringend gelte.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0080]
Tiſch, auf dem eine große Bibel ruhte. Neben dieſer
geiſtlichen Waffe blickte aus der Ecke eine weltliche.
Dort lehnte eine altväteriſche Muskete, über welche nun
Jenatſch das ihm von ſeinem Begleiter gebotene Pulver¬
horn aus dem Müſſerkriege an einen Holznagel auf¬
hängte. Dann riß er ein Blatt aus Waſers Taſchen¬
buche und ſchrieb darauf: „Ein frommer Zürcher erwartet
Dich bei mir heute Abend zur Zeit des Ave Maria.
Komm und ſtärk' ihn im Glauben!“ Den Zettel legte
er in die beim Buche der Makkabäer aufgeſchlagene
Bibel.
Schon brannte die Sonne heiß, als Jenatſch ſeinem
Gefährten die aus dem breit gewordenen Addathale
drohend aufſteigende Zwingburg zeigte, das Ungeheuer,
wie er ſie hieß, das die eine Tatze nach Bündens
Chiavenna, die andere nach ſeinem Veltlin ausſtrecke.
Auf der Straße nach den Wällen zog eine lange Staub¬
wolke. Der ſcharfe Blick des Bündners erkannte darin
eine Reihe ſchwerer Laſtwagen. Aus ihrer Menge
ſchloß er, daß Fuentes auf lange Zeit und für eine
ſtarke Beſatzung verproviantirt werde. Und doch ging
in Bünden die Rede, daß die ſpaniſche Mannſchaft
durch die hier herrſchenden Sumpffieber auf die Hälfte
zuſammengeſchmolzen ſei und der Aufenthalt in der
Feſtung unter den Spaniern als todbringend gelte.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/80>, abgerufen am 16.02.2025. |